Swiss IT Magazine: Herr Gisler, Sie arbeiten bereits seit über zehn Jahren als IT-Leiter bei Hug. Wie hat sich die IT des Unternehmens in dieser Zeit verändert?
Thomas Gisler: Als ich im Jahr 2000 zu Hug gestossen bin, hatten wir ein ERP, Abacus und Microsoft Office im Einsatz. Sonst gab es noch nicht viel IT im Unternehmen. Das Internet beispielsweise war damals praktisch noch in-existent und wir verfügten nur gerade über zwei E-Mail-Adressen. Wir führten deshalb auch noch keine eigene, interne IT-Abteilung, sondern wurden durch einen externen IT-Supporter unterstützt. In den letzten zehn Jahren kam dann vieles hinzu: Ein Personalinformationssystem, eine Instandhaltungs-Software, ein Data Warehouse für Artikeldaten, eine Bilddatenbank, ein Aussendienstrapportierungssystem, diverse Schutzsysteme, eine EDI-Software für den elektronischen Datenaustausch mit Partnern und Kunden, ein Dokumentenmanagementsystem, ein Intranet, ein Zeiterfassungs- und Eintrittssystem, eine VoIP-Telefonielösung und einiges mehr.
Betreuen Sie Ihre mittlerweile sehr komplex gewordene IT komplett selber oder haben Sie Teile davon an externe Partner ausgelagert?Wir machen alles selber. Ein Outsourcing kam und kommt für uns derzeit nicht in Frage. Wobei das natürlich stark mit der Personalsituation und damit, was für Leute einem zur Verfügung stehen, zusammenhängt. Aktuell habe ich das Privileg zwei schlagkräftige Teams à je drei Personen zu haben: Ein Hardware-Netzwerk-Team und ein Software-Prozess-Team. Diese sechs Spezialisten betreuen die ganze IT an den drei Standorten Malters, Willisau und Trimbach und das bewährt sich sehr gut.
Eigentlich sind wir ja eine Bäckerei und unsere Kernkompetenz ist das Backen. Aber auch IT-mässig sind wir aktuell so fit, müssen so viel beherrschen, so viele Systeme verstehen, dass wir eigentlich auch in diesem Bereich ein High-Tech-Betrieb sind.
Wie viele PCs gibt es heute bei Hug?Insgesamt betreut die IT-Abteilung zurzeit rund 200 Clients, also PCs, Laptops und Produktionsterminals. Fast die Hälfte dieser Clients stehen bei der Firma Wernli in Trimbach, die wir vor drei Jahren übernommen haben. Deshalb ist auch ein IT-Mitarbeiter des Hardware-Netzwerk-Teams fix bei Wernli stationiert. Im Bereich Software-Prozesse wird das Unternehmen vom Hauptsitz in Malters aus betreut.
Sie sprechen die Übernahme von Wernli an. Welche Auswirkungen hat sie auf die IT der beiden Unternehmen gehabt?Die Übernahme erfolgte im Mai 2008 und hat unsere Arbeit seitdem sehr stark geprägt. Von einem Tag auf den anderen hat sich alles verdoppelt, waren die beiden Unternehmen doch hinsichtlich Mitarbeiterzahl und Umsatzvolumen fast gleich gross. In der Folge gab es diverse kleinere und grössere Probleme zu lösen. Eine Schwierigkeit war beispielsweise, dass Wernli erst auf Anfang 2008 ein neues ERP (GUS) eingeführt und SAP abgelöst hat. Nun musste GUS, inklusive einiger Baustellen die es noch gab, bereits nach wenigen Monaten erneut abgelöst werden, und zwar durch unser ERP-System. Viel Aufwand und Energie für die GUS-Einführung waren quasi für nichts gewesen. Dies bekamen wir besonders in der Umsetzungsphase zu spüren, da sich die Begeisterung der Mitarbeiter verständlicherweise in Grenzen hielt. Trotzdem konnten wir im Mai 2010 in Trimbach wie geplant unser ERP CSB in Betrieb nehmen. Im Mai 2008 standen wir ausserdem vor der Herausforderung, dass wir auf einmal zwei Rechenzentren hatten, eines in Malters und eines in Trimbach, das erst gerade neu gebaut worden war. Wir benötigten aber nur ein grosses RZ und für uns war klar, dass dieses in Malters stehen sollte, zumal die Mehrzahl der Prozesse von Malters aus gesteuert wird und hier auch die ganze Verwaltung sowie die ganze Logistik stationiert sind. Der Grossteil an Kundenbestellungen gehen ebenfalls in Malters ein. Dies hat sich so bewährt. Unsere Absicht bestätigten schliesslich zwei Workshops mit zwei unabhängigen Partnern, die wir bei Hug und Wernli durchführten. In der Folge haben wir dann das RZ in Trimbach auf ein Minimum reduziert und es an das RZ in Malters angebunden. Weiter haben wir die Telefonanlagen und die Zeiterfassung harmonisiert. Hinzu kommen das ganze Zusammenfügen der Mail-Systeme oder das Anpassen der Berechtigungen.Ich bin ehrlich gesagt froh, dass der Umbau nun durch ist. Das hat uns die letzten drei Jahre wirklich sehr intensiv beschäftigt und teilweise an den Anschlag gebracht.
Die Übernahme von Wernli ist also nach drei Jahren nun auch IT-seitig komplett abgeschlossen?Noch nicht komplett, aber der ganz grosse Teil ist erledigt. Was jetzt noch fehlt, kann in Fleiss-arbeit erledigt werden, beispielsweise das Ausstatten der Clients mit Office 2010 und Windows 7. Zudem laufen demnächst die Verträge mit dem Druckerhersteller Ricoh aus, was uns ermöglicht, nun auch bei Wernli die bewährten und bei Hug im Einsatz stehenden Canon-MFPs mit Follow-Me-Print-Technologie einzuführen.
Was hatte die Wernli-Übernahme für einen Einfluss auf das IT-Budget der beiden Unternehmen?Durch den Zusammenschluss konnten wir auf der Personalseite keine Synergien nutzen. Wir haben lediglich umstrukturiert, die IT-Abteilung bei Wernli etwas reduziert und im Gegenzug bei Hug aufgestockt. Dafür konnten wir durch noch mehr Eigenleistungen bei Betrieb und Unterhalt der IT innerhalb der gesamten Gruppe deutliche Einsparungen erzielen. Zudem setzen wir heute im ERP-Bereich wie bereits erwähnt durchgehend auf die Branchenlösung CSB.
Wie gross ist das IT-Budget von Hug und Wernli gegenwärtig?Unsere IT-Kosten betragen aktuell jährlich rund eine Million Franken oder rund 0,8 Prozent des Nettoumsatzes des Unternehmens. In diesem Betrag sind die Personalkosten, Unterhaltkosten inklusive Service-Verträge und Lizenzkosten für ERP und so weiter eingeschlossen. Wir sind sehr kostenbewusst. Selber machen ist zwar nicht einfacher, dafür gibt es aber eine gewisse Unabhängigkeit und es wirkt sich positiv auf die Kosten aus. In dieser Summe noch nicht enthalten ist die rollende Investitionsplanung im Bereich IT. Wir investieren jährlich rund 250’000 Franken, unter anderem für den laufenden Ersatz der Hardware oder für die Erneuerung von Lizenzen. Im kommenden Jahr steht beispielsweise der Ersatz einiger Server bevor, etwas Storage wird hinzukommen und für die Funkscanner-Kommissionierung sollen neue MDM-Geräte eingeführt werden. Die Investitionskosten und auch das IT-Budget sollten in den kommenden Jahren konstant bleiben.
Apropos Investitionen: Sie haben erwähnt, dass Sie bei Wernli auf Windows 7 und Office 2010 migrieren. Wie sieht das bei Hug aus?Wir haben vor zwei Monaten mit der unternehmensweiten Umstellung auf Windows 7 und Office 2010 begonnen und unterdessen bereits über 90 Prozent aller 200 Clients damit ausgestattet.
Erfolgte die Migration durch die Einführung neuer Hardware oder wurde die alte behalten?Beides. Wernli und Hug hatten nämlich zwei unterschiedliche Philosophien, was die Beschaffung neuer Hardware betrifft. Bei Wernli wurden im Jahr 2007 alles neue Clients angeschafft und nun wieder ersetzt. Der Vorteil einer solchen Komplettablösung ist die einfache Konfiguration, da alles auf einmal geschieht und alle Geräte identisch sind. Bei Hug wird die Hardware derweil jährlich immer in der Grössenordnung von einem Drittel bis einem Viertel ersetzt. Alle drei bis vier Jahre bekommt also jeder Mitarbeiter einen neuen PC. Das bringt Nachteile bei der Konfiguration mit sich, dafür können die Ausgaben besser verteilt werden.
Apropos Hardware: Wie sieht Ihre Server-Landschaft heute aus?Wir haben in unserem RZ in Malters 30 Server, rund 10 physische und 20 virtuelle. Wir verfügen noch über diese grosse Anzahl physischer Server, weil die Virtualisierung in meinen Augen neben einigen Vorteilen auch diverse Nachteile hat. Wenn ich eine Applikation auf einem physischen Server laufen lasse und sie nicht funktioniert, weiss ich, woran es liegt. Bei einer virtuellen Lösung wird es schon schwieriger und die Abhängigkeiten sind grösser. Ausserdem haben wir etwas negative Erfahrungen gemacht. Wir hatten beispielsweise Probleme mit den Antwortzeiten beim Zeiterfassungssystem und wechseln deshalb nun wieder auf einen physischen Server.
Mit welchen anderen Problemen kämpfen Sie aktuell noch?
Die ganze IT-Landschaft ist extrem komplex geworden und alles ist vernetzt, die Integration ist sehr hoch. Damit steigt die Fehleranfälligkeit, während gleichzeitig die Abhängigkeit von der IT steigt. Das kann sehr grosse Auswirkungen auf das gesamte Geschäft haben. Deshalb ist es wichtig, Kontrollsysteme zu haben und aufzubauen, um Fehler rasch erkennen und eliminieren zu können. Wir haben beispielsweise einen neuen Prozess eingeführt, mit dem wir täglich unsere Kalkulationen überprüfen, damit sich allfällige Fehler, die bereits dort gemacht werden, nicht weiter durch das System ziehen. Im Weiteren gibt es in der IT viele Hypes. Es gilt deshalb immer ganz genau abzuwägen, was für unser Unternehmen wichtig ist und was uns weiterbringt.
Kommen wir zum Schluss noch zu drei aktuellen Trend-Themen. Was können Sie uns zum Stichwort Smartphones erzählen?
Smartphones sind auch bei uns ein ganz grosses Thema. Dabei stellt sich die Frage: Wer soll eines kriegen und wie sieht die Kostenbeteiligung aus? Bei Hug sind heute insgesamt etwa 70 Handys im Einsatz, die von uns gemanaged werden. Anrecht haben die Geschäftsleitung, Teile des weiteren Management-Teams sowie der Aussendienst. Ihnen offerieren wir kostenlos ein Standardgerät von Nokia, das eigentlich alle Bedürfnisse abdeckt. Gegen eine Kostenbeteiligung gibt es zudem ein Modell von HTC oder ein iPhone.
Was hält man bei Hug von Green IT?
Wir schauen bei der Beschaffung von Hardware nicht primär darauf, dass sie besonders grün ist. Wir gehen davon aus, dass die periodisch ersetzten Geräte auch auf dem aktuellsten technischen und ökologischen Stand sind. Dafür sensibilisieren wir unsere Mitarbeiter immer wieder, im Rahmen eines Umwelt-Management-Programms des Unternehmens. Zudem arbeiten wir in Malters in einem Minergie-Haus. Wir nutzen einen grossen Teil der Wärme für das Heizen des Gebäudes aus der Abwärme der Backöfen und kühlen mit Hilfe von Kaltwasser, das wir direkt aus einem Grundwassersee unter dem Haus beziehen.
Und was ist mit Cloud Computing?
Das Modell des Cloud Computing würde ich für uns nicht ausschliessen. Aber ich denke, die Zeit ist noch nicht reif dafür. Ich vertraue dem Konzept noch nicht. Wir haben zurzeit eine sehr grosse Verfügbarkeit und jede zusätzliche Leitung ist ein Risiko. Wenn sich alles hier im Haus befindet, dann bin ich unabhängig. Zudem bezweifle ich, dass es für uns günstiger wäre.
Thomas Gisler
Thomas Gisler (49) arbeitet seit Mai 2000 beim bekannten Schweizer Familien- und Backwarenunternehmen Hug mit Hauptsitz in Malters (LU). Die 1877 gegründete Firma beschäftigt aktuell über 400 Mitarbeitende und hat im letzten Jahr einen Umsatz von 133 Millionen Franken erzielt. Der vierfache Familienvater verantwortet als Mitglied der Geschäftsleitung bei Hug die IT sowie die Bereiche Technik und Immobilien, die Vertriebslogistik, die ganze Beschaffung und das Qualitätsmanagement.
(mv)