Microsoft hat im September eine erste Developer Preview seiner kommenden Betriebssystem-Generation «Windows 8» veröffentlicht. Die Redmonder sind mutig und machen mit einer komplett neuen Benutzer-oberfläche und der Einführung von neuen Metro-Style-Apps einen grossen Schritt, wie unser Preview-Artikel ab Seite 62 zeigt. Windows-Chef Steven Sinofsky spricht sogar davon, dass
Microsoft Windows neu erfunden hat. Vom Chipsatz bis hin zur Benutzeroberfläche biete es eine ganze Reihe neuer Funktionen. Mutig ist das, weil Windows sehr weit verbreitet ist – der Marktanteil liegt nach wie vor bei über 90 Prozent – und man so unglaublich vielen und unglaublich unterschiedlichen Anspruchsgruppen gerecht werden muss. Und das wird man meiner Meinung nach mit der aktuellen Version des Windows-7-Nachfolgers noch nicht.
Für Tablets und andere Geräte mit Touchscreen ist «Windows 8» dank seiner neuen Benutzeroberfläche ein Hit und endlich eine ernstzunehmende Konkurrenz für Apples iOS und Googles Android. Ob der Touch-Eingabe und den Tablets aber wirklich die Zukunft gehört und ob diese bereits im kommenden Jahr beginnt, wage ich zu bezweifeln.
Die Frage lautet also: Was bringt «Windows 8» dem Nutzer im Büro, der in erster Linie mit Programmen wie Word, Outlook oder SAP sowie Maus und Tastatur arbeitet? Auf den ersten Blick noch nicht viel.
Microsoft spricht davon, dass die PCs dank dem neuen OS schneller booten werden. Das wäre ein klarer Pluspunkt. Es gibt einen neuen Explorer, bessere Kopierfunktionen, aber das war es dann auch schon. Dafür sucht man viele Dinge, wie den Aus-Knopf und steht vor einem gewissen Lernaufwand. Und das Konzept mit der neuen Benutzeroberfläche und den Metro-Apps steht und fällt meiner Meinung nach ganz klar mit den Software-Herstellern. Ent-wickeln sie spannende neue Apps für Unternehmen und setzen auf die Metro-Style-Karte, dann werden die Unternehmen auch den neuen Desktop nutzen. Ansonsten werden die Firmen auf den aktuell bereits zusätzlich erhältlichen, klassischen Desktop ausweichen. Anscheinend soll es sogar bereits in der Developer Preview möglich sein, den neuen Metro-Desktop zu deaktivieren.
Und wie sieht’s zu Hause aus? Hier stehen vereinzelt schon All-in-One-PCs mit Touchscreen. Sie sind aber klar in der Minderheit. Zuhause sehe ich das Hauptproblem von «Windows 8» darin, dass der Mensch ein Gewohnheitstier ist und nur ungern Bewährtes durch Neues ersetzt. Ich stelle mir bereits jetzt all die überraschten Gesichter der Käufer vor, die ihren neuen Windows-8-PC anstellen und nur noch farbige Kacheln auf grünem Grund sehen. Auf die PC-Verkäufer und Supporter kommt wohl einiges an Arbeit zu.
Für eine abschliessende Beurteilung von «Windows 8» ist es aber noch viel zu früh. Ich beziehe mich mit meinen Aussagen hier erst auf die derzeit zur Verfügung stehende Developer Preview. Microsoft kann und wird noch einiges ändern und verbessern. Und wir haben ja noch keine Ahnung, wie «Windows 8» letztlich veröffentlicht wird. Vielleicht wird es viele, unterschiedliche Editionen geben – «Windows 8 Touch» oder «Windows 8 Classic» beispielsweise. Auf jeden Fall stehen uns spannende Monate bevor.
Zum Schluss möchte ich an dieser Stelle auch noch kurz die Gelegenheit nutzen und unseren neuen Kolumnisten Fritz Sutter begrüssen, der ab sofort in jeder zweiten Ausgabe des «Swiss IT Magazine» für Sie schreiben wird. Herzlich willkommen!
(mv)