Per Funk die Welt verändern
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/18
Der Siegeszug der RFID-Tags (Radio Frequency Identification) hat begonnen. Erste Einsatzszenarien sind bereits umgesetzt, und schon in wenigen Jahren wird die Funktechnologie den herkömmlichen Barcode komplett ersetzen. Künftige Produkte werden dank RFID intelligent sein und mit ihrer Umgebung kommunizieren können, und die Technologie ist geeignet, die Warenidentifikation und damit die Lagerhaltung sowie die Warenverfolgung und -sicherung zu revolutionieren. Ganz so weit ist es aber noch nicht; zunächst müssen verschiedene Hindernisse technischer, betriebswirtschaftlicher und organisatorischer Natur beseitigt werden.
Immerhin, die Analysten sind sich für einmal einig. Wie etwa Forrester Research prophezeit, wird die RFID-Technik im Laufe der nächsten Monate bei Luxusgütern ihren Einzug in den Alltag halten, und bereits in zwei Jahren sollen über fünf Milliarden Produkte (sogenannte Consumer Packaged Goods) mit RFID-Tags versehen sein. Zum Ende des Jahrzehnts sollen die Funk-Barcodes schliesslich den Supermarkt erobern und nicht nur bargeld-, sondern auch kassenloses Einkaufen ermöglichen. Andere Marktforscher gehen von ähnlichen Szenarien aus, was das Alltagsleben betrifft. In der Industrie dagegen werden RFID-Technologien bereits jetzt eingesetzt, und der ganz grosse Durchbruch steht den Analysten zufolge kurz bevor. Laut AMR Research wird RFID in den nächsten zehn Jahren sogar mindestens so grosse Auswirkungen auf die IT-Industrie haben wie das Y2K-Problem.
So neu und revolutionär, wie sie scheinen, sind RFID-Tags allerdings gar nicht. Erste Ansätze für eine berührungslose Datenerfassung wurden bereits in der Mitte des letzten Jahrhunderts entwickelt, nach den Massstäben des Computerzeitalters also quasi in der Steinzeit; allerdings war die Technologie damals noch zu teuer und zu aufwendig, um im grösseren Rahmen eingesetzt zu werden.
Ein RFID-System besteht grundsätzlich immer aus zwei Komponenten: einem Datenträger, der aus einem Chip und einer Antenne zusammengesetzt ist und Transponder oder Tag genannt wird, sowie einem Lesegerät, das seinerseits aus einem Decoder und einer Antenne besteht. Die Grösse der Tags schwankt dabei je nach Anwendung zwischen dem Umfang eines Sandkorns und dem eines Hosenknopfs, und auch die geätzten oder gedruckten Antennen sind in Grösse und Form flexibel; je nach Trägermaterial und wiederum Einsatzzweck können sie rund oder eckig, gross oder klein sein.
Die Datenübertragung funktioniert über Induktion in (elektro-)magnetischen Feldern oder durch Reflexion der Funksignale; je nach Einsatzzweck kann sie entweder aktiv oder passiv vor sich gehen. Bei passiven Systemen verfügt der RFID-Transponder über keine eigene Stromversorgung. Die für die Datenübertragung notwendige Energie wird vom Lesegerät erzeugt, die Signale vom Tag quasi gespiegelt. Damit eignen sich passive Systeme nur für die Überbrückung von kurzen Distanzen bis circa einem halben Meter. Grössere Entfernungen über mehrere Meter erfordern aktive RFID-Tags, die über eine eigene Batterie für ihre Stromversorgung verfügen und damit elektromagnetische Wellen erzeugen. Derartige Systeme sind heute bereits bei den meisten Automarken im Schlüssel integriert, wo sie zur Distanzentriegelung der Türen und als Identifikator für die Wegfahrsperre dienen.
Aktive Systeme senden meist im UHF-Bereich bei 2,4 GHz; dieser Frequenzbereich wird aber auch von anderen Funktechnologien wie Bluetooth oder WLAN genutzt. Preisgünstige, passive Transponder dagegen nutzen vor allem eine Frequenz von 125 kHz, während die ebenfalls reservierte 13,56-MHz-Frequenz hauptsächlich für RFID-Etiketten verwendet wird.
In den letzten Jahren sind die Preise kräftig gesunken, allerdings noch immer nicht genug. Mittlerweile kosten passive Chips, die an jedem einzelnen Produkt befestigt werden können, kaum noch einen Franken, und schon in den nächsten Jahren soll der Preis auf wenige Rappen sinken. Aktive Tags dagegen kosten vor allem wegen der integrierten Batterie deutlich mehr, der Preis liegt bei bis zu fünfzig Franken. Auch die Lesegeräte werden günstiger, allerdings kosten aktive Geräte noch immer um die 1000 Franken, und für die aufwendigeren Leser für passive Tags werden sogar um die 10'000 Franken fällig.
Trotz der noch immer hohen Preise insbesondere für die Reader lassen sich dank RFID-Tags in gewissen Bereichen massiv Kosten sparen. Der Hauptvorteil liegt dabei darin, dass beliebige Produkte oder Teile davon jederzeit schnell und berührungslos identifiziert werden können - der Lesevorgang dauert nur wenige Sekundenbruchteile und kann sowohl bei einzelnen Teilen als auch bei Kartons, Paletten oder ganzen Containern voll Ware gleichzeitig durchgeführt werden. Mit demselben Vorgang lässt sich auch eine Fülle von historischen und aktuellen Informationen auslesen und verarbeiten, was unter anderem eine einfachere Planung und Überwachung der Lagerhaltung von Waren erlaubt - ein Segen für die Logistik.
Mittlerweile buhlen zahlreiche Hersteller um den lukrativen Markt. Als führend bei der Chip-Herstellung gilt die holländische Philips, deren "I-Code" genannter Chip zur Warenverfolgung und -sortierung unter anderem bei Dell und der italienischen Post im Einsatz steht. Aber auch Infineon, Checkpoint, Siemens, Texas Instruments und zahlreiche kleinere Firmen mischen aktiv im Geschäft mit RFID-Hardware mit, während auf der Software-Seite unter anderem IBM, SAP und Sun die Finger im Spiel haben. Dazu kommen verschiedene herstellerunabhängige Verbände, die sich für die Verbreitung von RFID einsetzen, darunter das Auto-ID Center, an dem unter anderem die Universität St. Gallen beteiligt ist und das ein "Internet der Dinge" propagiert, oder die Association for Automatic Identification and Data Capture Technologies. Die Websites dieser Verbände sind auch hervorragende Quellen für weitere Informationen zum Thema RFID.
Eines der grössten Probleme, das derzeit noch einen flächendeckenden Einsatz von RFID verhindert, sind die fehlenden Standards. So köcheln nicht nur in Sachen Software noch die meisten Hersteller ihre eigenen Süppchen, auch bei den Tags selber respektive ihren Identifikationsnummern sowie insbesondere auch bei den genutzten Frequenzen gibt es Probleme: In den USA stehen weit breitere Frequenzbereiche zur Verfügung als in Europa, und solange hier nicht ein globaler Kompromiss gefunden wird, kann sich einer der Hauptvorteile der Technik, nämlich das Management der Produkte in globalen Supply Chains, nicht entfalten.
Eine interessante Idee verfolgt hier das bereits erwähnte Auto-ID-Center, dessen Tätigkeiten weit über die eigentliche RFID-Technik hinausgehen. Das erklärte und keineswegs unbescheidene Ziel der Gruppe: ein Internet der Dinge zu entwickeln und damit die Welt zu verändern. Dazu arbeitet das Team an einem mittlerweile zur Standardisierung vorgeschlagenen Electronic Product Code (EPC) und einer vereinheitlichenden Sprache, die künftig den Standard für ID-Tags setzen sollen.
Der EPC ist eine 96 Bit lange Nummer, die aus einem Header und drei Datengruppen besteht; durch ihre Länge hat sie genügend Kapazität, um in 268 Millionen Unternehmen die Identifikation von jeweils 68 Milliarden Produkten in 16 Millionen Klassen durch eindeutige Seriennummern zu ermöglichen - für Zahlenfanatiker sind das 291'584 x 1021 unverwechselbare Nummern, für alle anderen schlicht Zahlen wie Sand am Meer. Der EPC soll nach der Idee des Auto-ID-Centers auf dem Tag untergebracht werden, während weitere Informationen beispielsweise zur Herkunft und den Lieferwegen des Produkts in einer oder mehreren zentralen Datenbanken gespeichert werden sollen, von wo sie wiederum von den verarbeitenden ERP-Lösungen und Warenwirtschaftssystemen abgerufen werden können. Um die mit RFID verbreiteten Daten über Produkte und Prozesse auch optimal sammeln, interpretieren und verarbeiten zu können, hat das Auto-ID-Center deshalb die neue Beschreibungssprache Physical Markup Language (PML) entwickelt.
Auch abgesehen von den fehlenden Standards sind noch zahlreiche Probleme ungelöst. Im Vordergrund stehen hier natürlich die physikalischen Einschränkungen der Technologie respektive der Hardware. Radiowellen nämlich sind anfällig auf Störungen: Die Bandbreite möglicher Störquellen reicht von der Luftfeuchtigkeit und anderen wetterbedingten Phänomenen über Metall- und andere Wellen reflektierendem Staub in der Luft von Lagern bis hin zum sogenannten Sonnenwind; aber auch Produkteigenschaften wie ein hoher Metall- oder Wasseranteil kann die Verbreitung der Radiowellen stören. Wie sich solche Störfaktoren auf die Zuverlässigkeit der Datenübertragung im RFID-Umfeld auswirken, ist bisher noch nicht genau erforscht. Ähnliches gilt für das Problem der möglichen Distanzen zwischen dem Reader und den Tags. Was mit einzelnen Produkten problemlos klappt, muss nicht zwingend auch bei kompletten Paletten oder Containern funktionieren, und noch schwieriger wird es bei sich bewegenden Behältnissen (etwa Lastwagen) oder Readern (Gabelstapler im Lager). Hier gibt es zwar interessante Versuche, die sich aber für den Alltag erst bedingt eignen.
Aber auch auf der Software-Seite gibt es noch einiges zu tun. Ungeklärt ist etwa, wo und wie die Unmenge von Produktcodes und der dazugehörigen aktuellen Daten verarbeitet und gespeichert werden sollen; rechnet man noch den möglichen Berg an historischen Informationen zum Produkt dazu, die nach dem Willen vieler Hersteller ebenfalls gesammelt werden sollen, wird die Situation noch prekärer.
Ungelöst sind schliesslich auch verschiedene eher ideologische Probleme. So muss das gesamte RFID-System bezahlt werden, wobei unklar ist, wer welchen Teil der Kosten übernehmen soll, wenn die Supply Chain über das eigene Unternehmen hinausgeht (was eigentlich immer der Fall ist). Auch die unterschiedlichen Interessen der an einer Lieferkette beteiligten Firmen spielen hier eine erschwerende Rolle.
Zahlreiche offene Fragen betreffen den Verbraucherschutz: Welche Daten werden überhaupt gesammelt, und was passiert mit ihnen? Wer übernimmt die Verantwortung dafür? Eine unabhängige, global tätige Stelle für die Sammlung, Verwaltung und Speicherung der Informationen, wie sie dem Auto-ID-Center vorschwebt, müsste ebenfalls zuerst geschaffen und etabliert werden; nicht zuletzt müsste diese Stelle sowohl das Vertrauen der Hersteller als auch der verschiedenen Zwischenstufen bis hin zum Enduser geniessen.
Und nicht zu unterschätzen ist schliesslich das Problem, dass RFID bisher vor allem bei kleinen Spezialfirmen ein Thema ist, die zwar bereits einiges an Know-how besitzen, aber mangels Marktmacht nicht grossräumig umsetzen können. Kommt dazu, dass es derzeit noch kaum konkrete Lösungen gibt, die meisten RFID-Projekte befinden sich seit Jahren im Teststadium.
Angesichts der vielen Fragen, die vor einer flächendeckenden Einführung der RFID-Technik noch beantwortet werden müssen, wirkt der derzeitige Hype doch einigermassen übertrieben.
Nichtsdestotrotz: Die RFID-Zukunft wirkt attraktiv, und zwar sowohl für Unternehmen als auch für Endanwender. Schon heute gibt es massenhaft Szenarien, wie die Identifikationstechnik per Funk eingesetzt werden könnte, und fast täglich kommen neue potentielle Anwendungsgebiete dazu.
Im Vordergrund stehen dabei natürlich die Logistikanwendungen, wo sich beispielsweise mit RFID komplette Lieferwege überwachen liessen. Es könnte überprüft werden, ob etwa verderbliche Waren auf der gesamten Verteilstrecke stets gekühlt wurden. Die Lagerhaltung von der Ordnung bis hin zum Inventar liesse sich deutlich vereinfachen, wenn RFID-Chips an den Produkten ihren Standort und die verfügbare Menge automatisch und berührungslos an einen zentralen Server übermitteln könnten. Ähnliches gilt für die Verwaltung von (leeren und vollen) Gefässen und Gebinden von der Kartonschachtel über die Palette bis hin zum Container, Lastwagen oder Frachtschiff. Schon alltäglicher sind dagegen die Organisation des Bestands und der Ausleihe in einer Bibliothek oder der Aufbau einer verursachergerechten Kostenrechnung bei der Müllentsorgung durch RFID-Tags an Mülltonnen, die ihr Gewicht und den Besitzer an einen Reader am Lastwagen melden und so eine Zuordnung ermöglichen.
Ein grosses Interesse erzeugt die RFID-Technik auch in der Versicherungsbranche. Durch in Produkten eingearbeitete Tags liessen sich nämlich nicht nur Ladendiebstähle effektiv verhindern, sondern auch Diebstähle im grösseren Stil: Lastwagenüberfälle etwa, wie sie ab und zu vorkommen, würden kaum mehr Sinn machen, wenn die Ware jederzeit verfolgbar und für Hehler dadurch uninteressant wäre. Auch das Ausschlachten gestohlener Autos, das seit dem Durchbruch der Wegfahrsperre in Mode gekommen ist, könnte durch die Identifikation und Rückverfolgbarkeit der durch RFID gekennzeichneten Teile wirkungsvoll eingeschränkt werden. Es liesse sich mit RFID aber auch überwachen, dass Werkzeuge, beispielsweise Messer in einer Metzgerei, ordnungsgemäss gepflegt oder Maschinen nur von Arbeitern mit entsprechender Schutzkleidung und Ausbildung bedient werden.
Weitere Einsatzbereiche finden sich bei der Zugangskontrolle beispielsweise zu Firmen oder Bereichen mit eingeschränktem Zutritt. RFID könnte aber auch bei Messen die Eingangskontrolle übernehmen, und dies würde der Messeleitung sogar weitere Möglichkeiten eröffnen: So könnte beispielsweise mit Hotspots oder Readern an Infoständen herausgefunden werden, welche Informationen die Besucher am meisten interessieren oder wie sich die Besucherströme durch die Hallen bewegen, was wiederum zu optimierten Hallenplänen führen könnte. Ähnlich kann ein Supermarkt durch RFID-Tags in den Einkaufswagen ausmachen, wie viele Kunden sich im Laden bewegen, und aufgrund dieser Daten eine entsprechende Zahl Kassen öffnen. Auch die Warenpräsentation und -anordnung in Läden könnte sich durch die genaue Kenntnis der Kundenströme ändern.
RFID-Tags lassen sich unter anderem aber auch für automatische Zahlungssysteme, Rückruf-Aktionen von fehlerhaften Produkten, Wareninformationssysteme, Verhinderung von Fälschungen oder die Prävention von Schmuggel einsetzen - und die Liste liesse sich fast beliebig erweitern.
Während sich RFID-Tags in der Industrie zweifelsohne schon bald durchsetzen werden, ist es noch keineswegs sicher, dass ihnen auch im Alltagsleben ein Erfolg bevorsteht (auch wenn alle Analysten davon ausgehen). Derzeit gibt es noch zahlreiche Vorbehalte bei den Verbrauchern, die erst einmal aus der Welt geschafft werden müssen.
Das grösste Problem ist dabei der Datenschutz. Sind erst einmal sämtliche Produkte mit RFID-Tags ausgestattet, sehen Kundenbindungskarten wie Cumulus von Migros und SuperCard von Coop, die bereits bei der Einführung der Spionage verdächtigt wurden, ziemlich altbacken aus. In der rosaroten Funkzukunft eröffnen sich den Handelsketten komplett neue, weit über alles bisher dagewesene hinausgehende Möglichkeiten der Sammlung von Kundendaten: So gut wie die Grossverteiler dereinst dürfte nicht einmal Tante Emma in ihrem Quartierladen seinerzeit ihre Kundschaft gekannt haben. In künftigen Kundenprofilen wird nicht mehr nur gespeichert, was man kauft, sondern auch jede Ware, die man in die Hand nimmt oder anprobiert. Aber dies muss ja nicht unbedingt zum Nachteil des Kunden sein.
Die RFID-Industrie versucht die zahlreichen Bedenken wenigstens teilweise zu zerstreuen, indem sie betont, dass sich sämtliche Informationen, die auf RFID-Tags gespeichert sind, beispielsweise bei der Übergabe des Produkts an den Kunden oder an der Kasse auf einen Schlag löschen lassen. Für die Kundenprofile spielt das keine Rolle, die sind dann bereits gespeichert, aber immerhin gibt diese Massnahme dem Käufer die Gewissheit, dass er nicht zuhause auch noch überwacht wird.
Doch damit nicht genug: Einige Datenschutz-Aktivisten sprechen sogar von einer lückenlosen Überwachung jedes einzelnen, die durch überall eingebaute RFID-Tags möglich werden soll. Dies klingt allerdings sehr nach Horrorszenario der Anti-RFID-Lobby, denn mal abgesehen davon, dass die Funkreichweite dafür meist zu kurz ist und ziemlich unklar bleibt, wie die Regierungen (oder wer auch immer) diese Daten speichern und auswerten sollen; viel einfacher liesse sich die Überwachung mit dem allgegenwärtigen Handy realisieren, und darüber regt sich keiner auf. Kommt dazu, dass Radiowellen störanfällig sind: Mit einem kleinen Sender könnte man sich jederzeit unsichtbar machen.
Wirklich problematisch sind dagegen die Möglichkeiten, die sich Arbeitgebern eröffnen. So lassen sich RFID-Tags, die in Arbeitskleider integriert sind, beispielsweise zur Arbeitszeitkontrolle nutzen - es liesse sich nicht nur überprüfen, wer wann kommt und geht, sondern auch wieviel Arbeitszeit er auf der Toilette verbringt oder wann jemand sich in bestimmten Räumen oder bei gewissen Personen aufgehalten hat. Natürlich könnte auch hier ein Störsender Abhilfe schaffen, aber möglicherweise konstruiert der Arbeitgeber schon aus der blossen Anwendung eines Senders einen Kündigungsgrund.
Zu den Ängsten der Endverbraucher trägt ironischerweise auch die Industrie selber ihr Scherflein bei. Der RFID-Lobby sind diese Bedenken nämlich durchaus bewusst, allerdings reagiert man darauf nicht etwa mit Aufklärung, sondern vielmehr mit Totschweigen und gezielter Desinformation. So ist etwa zum Datenschutz-Problem auf der eigentlich sehr informativen Website des Auto-ID-Centers keine Zeile zu finden. Und ausgerechnet beim ungenügend geschützten Server des Auto-ID-Center ist es der Verbraucherschutz-Organisation Caspian gelungen, einige vertrauliche Dokumente über künftige Strategien der RFID-Lobby herunterzuladen. Den Papieren zufolge müsse man die RFID-Opposition neutralisieren, indem man laufend positive Anwendungsbeispiele präsentiere. Ausserdem sollen die Risiken der RFID-Tags durch gezielte Desinformation und Verharmlosung verschleiert werden, indem dafür etwa Namen wie "Green-Tag" oder "Barcode II" benutzt würden.
Ob diesen Strategien Erfolg beschieden ist, wird sich zeigen. Derzeit sieht es nicht danach aus, im Gegenteil: Caspian fragt öffentlich, ob man einer Organisation sensible Verbraucherdaten anvertrauen könne, die nicht mal in der Lage sei, ihren eigenen Webserver zu sichern. Und zahlreiche Unternehmen wie WalMart, Benetton oder Gillette, die konkrete Versuche mit der Kennzeichnung von Produkten durch RFID-Tags vorgenommen haben, sind mittlerweile wieder von ihren Vorhaben abgekommen - der öffentliche Widerstand durch Verbraucherschützer und Presse hat den Konzernen wahre PR-Desaster beschert.
Die in der Schweiz bisher umgesetzten RFID-Projekte haben keine grossen
Wellen in der Öffentlichkeit geschlagen, was wohl daran liegt, dass sich damit kaum eine unerwünschte Überwachung verknüpfen lässt oder dass die Projekte unternehmensintern sind. So beispielsweise das RFID-Projekt der Schweizerischen Bundesbahnen.
RFID auf Schienen: Die SBB nutzen ein auf RFID basierendes System bereits seit 1994, um damit ihr Rollmaterial zu inventarisieren, zu verwalten und letztlich besser auszulasten. In einem ersten Schritt wurden dazu 1200 Lokomotiven mit wiederbeschreibbaren RFID-Tags versehen und 50 Lesegeräte installiert, mit deren Hilfe der Standort der Züge automatisch kontrolliert werden konnte. Ab 1996 wurden 4800 Passagierwagen ausgerüstet und 230 weitere Lesegeräte bei Bahnhöfen und wichtigen Streckenabschnitten installiert. Die Lesegeräte laden ihre Daten direkt auf den Zentralrechner in Bern hoch; dieser wiederum schickt relevante Informationen über die Zug-Zirkulation an die PCs in den Bahnhöfen.
Zu den geplanten und teils schon realisierten Anwendungen des AVI (Automatic Vehicle Identification) genannten Systems gehört auch die Koppelung der RFID-Tags mit Sensoren etwa an den Rädern oder automatischen Waagen, was eine Echtzeit-Überwachung des Zustands des Rollmaterials erlauben würde. Die Daten könnten auch im RFID-Tag der Wagen gespeichert werden und so jederzeit ihre Wartungsgeschichte preisgeben. Die SBB rechnen damit, mit RFID ihr Rollmaterial besser auslasten zu können, und wollen dank automatischer Inventur und Echtzeit-Überwachung viel Zeit und Kosten sparen.
Funkvernetzte Bibliothek in Winterthur: Zeit und damit Beratungskapazität für die Bibliothekarinnen gewinnen auch die Stadtbibliothek Winterthur und ihre Aussenstellen mit ihrem jüngst installierten RFID-System. Als erste Schweizer Bibliotheken haben die Winterthurer Institute bereits letztes Jahr damit begonnen, ihre Medien mit RFID-Tags auszurüsten und spezielle Selbstverbuchungsstationen und Rückgabeautomaten einzurichten. Damit schlägt die Bibliothek gleich mehrere Fliegen auf einen Schlag: Einerseits reduzieren sich dadurch, dass sich die Kunden selber bedienen können, die Schlangen vor den Ausleihschaltern, was den Angestellten mehr Zeit für Beratung gibt, andererseits lässt sich durch eine Schleuse am Ausgang auch der Mediendiebstahl effizient verhindern.
Logistik oder Diebstahlprävention?
Laut Guardian hat die britische Supermarktkette Tesco Packungen mit Rasierklingen von Gillette mit RFID-Tags versehen. Das System hat jeden Kunden fotografiert, der eine gekennzeichnete Packung in die Hand nahm. Weitere Fotos wurden an der Kasse gemacht und von einer Sicherheitsmannschaft mit den ersten Fotos verglichen. Laut Tesco ging es bei dem Versuch um Logistik, nichtsdestotrotz wurde aufgrund der Überwachung aber mindestens ein vermeintlicher Ladendieb der Polizei übergeben.
Das Glas, das nie leer wird
Mitsubishi hat einen RFID-Tag in ein Trinkglas eingebaut, der feststellt, wenn das Glas langsam leer wird. Das System "alarmiert" darauf automatisch den Kellner, der ein volles Glas bringen kann.
RFID-Tags im Waschsalon
Texas Instruments hat einen RFID-Tag für Textilien entwickelt, der die chemische Reinigung in einer Wäscherei übersteht. Der Chip könnte beispielsweise Waschanleitungen enthalten und soll ein Kleidungsstück eindeutig identifizierbar machen. Damit würden Verwechslungen ausgeschlossen und erst noch die Wartezeit verkürzt.
Kochrezept für die Mikrowelle
In der Verpackung von Junk-Food für die Mikrowelle könnten nicht nur Informationen über die zum Auftauen und Erhitzen nötige Zeit und Energie integriert sein, sondern auch Menü- und Serviervorschläge, die sich über das Gerätedisplay anzeigen liessen.
Filmtrailer vom Plakat auf den PDA
Die britische Firma Hypertag hat Filmplakate in London mit RFID-ähnlichen Tags ausgestattet, die Nutzern von PDAs oder Smartphones per Infrarot Weblinks auf die Geräte schicken. Der User kann damit auf weitere Informationen zugreifen. Mögliche Einsatzbereiche für die Technik finden sich auch in Museen, bei Sightseeing-Touren oder auf Bahnhöfen und Flughäfen.
RFID verhindert Terror
Nach dem Willen von WalMart und anderen Warenhäusern in Amerika soll RFID als Antiterror-Technologie gesehen werden. Die Technik erlaube die lückenlose Überwachung von Produkten und verunmögliche so Terror-Anschläge oder Erpressungsversuche durch vergiftete Lebensmittel. WalMart, dessen RFID-Versuche an Protesten gescheitert sind, möchte der Technik so zum Durchbruch verhelfen.
Intelligente Teppiche
Der deutsche Teppich-Hersteller Vorwerk will zusammen mit Infineon intelligente Teppiche entwickeln. Die Bodenbeläge verfügen über Sensoren und können damit als Bewegungs- oder Feuermelder dienen oder Klima- und Alarmanlagen steuern. Mit Leuchtdioden versehen, werden sie sogar zu Wegweisern oder Werbeträgern.
Fälschungssicherheit für den Euro
Die Europäische Zentralbank (EZB) möchte die Euronoten fälschungssicher machen und verhandelt dazu mit Hitachi. Bei mit RFID ausgerüsteten Scheinen liesse sich die Echtheit schnell nachweisen. Ausserdem könnten Fälle von Geldwäscherei nachvollzogen werden. Ein Hindernis für die Umsetzung sind derzeit noch die zu hohen Kosten.
Elektronischer Tierpass
Mit RFID-Chips in Ohrmarken für Schlachttiere hat Infineon mit dem deutschen Bundesland Schleswig-Holstein Erfahrungen gesammelt. Auf den Tags werden Daten wie Geburtstag, Herkunft, Befütterung und Impfungen verschlüsselt gespeichert, was einen lückenlosen und fälschungssicheren Herkunftsnachweis der Tiere ermöglicht. Ähnliche Systeme für Rinder sind auch in Argentinien im Einsatz.
RFID beschleunigt Flugverkehr
Durch den Ersatz der herkömmlichen Barcodes an Koffern durch RFID-Tags will die amerikanische Flugaufsichtsbehörde bis zu 30 Prozent der Zeit für das Umladen des Fluggepäcks sparen. Auch Verspätungen durch nicht identifiziertes Gepäck oder solches von verspäteten Passagieren sollen dank RFID minimiert werden. Per Funk könnten die fraglichen Koffer sofort im korrekten Container aufgespürt werden, es müsste nicht mehr das gesamte Gepäck aus- und wieder eingeladen werden.
RFID verhindert Alkohol-Klau
Bis zu 15'000 Franken im Monat gehen Barbesitzern durch die Lappen, weil das Personal ausgeschenkte Drinks nicht verrechnet. Die kalifornische Beverage Metrics will diese Betrügereien mit Sensor-Funkchips verhindern. Das in den Bars des Las-Vegas-Tempels Venetian installierte System lokalisiert jede Schnapsflasche und kann über einen Bewegungssensor die ausgeschenkte Alkoholmenge errechnen. Durch die parallele Videoüberwachung der Kasse wird sichergestellt, dass der Drink auch korrekt verrechnet wurde.