Server zum Aldi-Preis
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/02
Während in der Schweiz der Markt für Root- und Managed-Server ein Schattendasein fristet, ist das Thema in Deutschland omnipräsent. So werben die Anbieter nicht nur auf mehrseitigen Anzeigen um die Kunden, sondern probieren sich auch mit fast schon ruinösen Angeboten gegenseitig die Kundschaft abzuluchsen und ein möglichst grosses Stück vom Gesamtmarkt zu besetzen. Für die Kunden hat dies fast nur Vorteile: Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist dank der grossen Volumen im Vergleich zur Schweiz nicht nur deutlich besser, teilweise kann man sogar Markenserver von Herstellern wie Dell oder Apple anmieten. Auch der Support stimmt bei den meisten Anbietern. Warum also nicht Sack und Pack zusammenraffen und virtuell nach Deutschland umziehen?
Doch der Umzug nach Deutschland ist nicht ganz so einfach. Vor allem die grossen Anbieter sind an Kunden aus der Schweiz nicht interessiert. Zu dieser Gruppe gehören vor allem die Deutsche Telekom, die es nicht einmal für nötig hielt, auf unsere Anfragen zu reagieren, sowie Strato und 1&1. Bei 1&1 verwies man uns immerhin auf die Tochterfirma Schlund + Partner, die auf Premium-Kunden spezialisiert ist und sogar persönliche Ansprechpartner anbietet – mit Premium-Preisen, versteht sich. Bei etlichen kleineren Anbietern (siehe Tabellen) gibt man sich da aber weltoffener und verweist sogar auf einige Dutzend bis Tausend Schweizer Bestandskunden.
Erhoben haben wir Angebote für Root- und Managed-Server, die im Preisbereich von 65 Euro pro Monat, also rund 100 Franken, liegen. Anbieter ohne Angebot in dieser Region sind entsprechend mit dem nächstgünstigen oder
-teuren Produkt vertreten. Neben den reinen Ausstattungsmerkmalen spielt bei den Managed-Servern vor allem die Bereitschaft der Anbieter, Software auf Wunsch zu aktualisieren oder zu installieren, die wohl grösste Rolle bei der Auswahl. Denn nichts ist ärgerlicher, als wenn eine bestimmte Applikation nicht genutzt werden kann, weil deren Installationsvoraussetzungen nicht gegeben sind. Bei den Root-Servern gilt es, neben der Ausstattung auch auf ein Backup und das Vorhandensein eines Notfallsystems und/oder einer seriellen Konsole zu achten, mit deren Hilfe ein nicht mehr funktionsfähiges System repariert oder neu installiert werden kann.
Vor dem Gang ins Ausland wird oft vor rechtlichen Risiken gewarnt – teilweise zu Recht. Allerdings sind manche Schreckensszenarien auch unbegründet. Wir haben mit dem Berliner Rechtsanwalt Michael Seidlitz (www.ms-recht.de) darüber gesprochen, worauf Auszugswillige vorbereitet sein müssen.
InfoWeek: Der virtuelle Auszug nach Deutschland ist wegen der tiefen Preise und der besseren Ausstattung der Angebote attraktiv. Allerdings schrecken Bedenken, dass man dann unter die Rechtsprechung des Gastlandes fällt, viele Interessenten ab. Wie begründet ist diese Sorge?
Michael Seidlitz: Ob eine auf einem deutschen Server liegende Webpräsenz eines in der Schweiz ansässigen Unternehmens dem deutschen Recht unterfällt, hängt von verschiedenen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten ab. Dass in Deutschland gehostete Webpräsenzen ausländischer Unternehmen z.B. auch deutschen Strafrechtsvorschriften entsprechen müssen, dürfte nicht weiter verwunderlich sein. Denn schliesslich muss auch jeder Gast, der sich im Urlaub in der Schweiz aufhält, sich an die dortigen Gesetze und Verkehrsvorschriften halten. Aufgrund zahlreicher internationaler Verträge gilt dies in der Regel auch für die Beachtung von Urheber-, Marken- und Patentrechten sowie sonstigen gewerblichen Schutzrechten.
Im Bereich des
E-Commerce- und Wettbewerbsrechts ist die Sachlage nicht so eindeutig. Zwar gilt prinzipiell das «Herkunftslandprinzip», das besagt, dass Dienstanbieter von Tele- und Mediendiensten grundsätzlich nur die Gesetze ihres Niederlassungsortes einhalten müssen, allerdings gibt es hiervon zahlreiche Ausnahmen.
Wie sehen diese aus?
Der wichtigste Fall: Der Abschluss von Verträgen mit deutschen Verbrauchern.
Anbieter von Tele- und Mediendiensten, die im Ausland ansässig sind, unterliegen ebenfalls den Anforderungen des deutschen Rechts und müssen damit deutsche E-Commerce- und Wettbewerbsvorschriften einhalten, wenn sie Waren oder Dienstleistungen im Wege des Fernabsatzes an deutsche Verbraucher vertreiben.
Bedeutet dies auch, dass man schon auf einem Server in der Schweiz, wenn man Waren oder Dienstleistungen für deutsche Kunden anbietet, den deutschen
E-Commerce- und Wettbewerbsvorschriften entsprechen muss?
Ja, so ist es. Also immer, wenn der Absatz auf den deutschen Markt abzielt und sich an deutsche Verbraucher richtet, müssen auch deutsche Normen eingehalten werden.
Macht es einen Unterschied, ob
die Waren oder Dienstleistungen natürlichen oder juristischen Personen angeboten werden?
Das massgebliche Kriterium ist nicht die Unterscheidung zwischen «natürlicher» oder «juristischer Person», sondern zwischen «Verbraucher» (natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu privaten Zwecken abschliesst) und «Unternehmer» (natürliche oder juristische Person, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt). Die dem Verbraucherschutz dienenden Vorschriften des Fernabsatzrechts gelten daher nur für den B2C-Bereich. Das B2B-Geschäft ist davon somit nicht betroffen.
Ändert die verwendete Länder-Domain etwas an dieser Einschätzung?
Nein, die Wahl der Top-Level-Domain hat hierauf rechtlich keinen Einfluss.
Gibt es Pflichtinhalte für eine Webseite, wenn sie sich an deutsche Verbraucher richtet?
Das Teledienstegesetz (TDG) und der Mediendienste-Staatsvertrag (MDStV) fordern eine Anbieterkennzeichnung, die «leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar» sein muss. Einen groben Überblick darüber, welche Angaben das Impressum enthalten muss – z.B. auch Registerdaten eines ausländischen Registers – und welche, insbesondere verbraucherschützenden, Vorschriften sonst noch einzuhalten sind, kann man dem Kasten «Weitere Informationen» auf Seite 35 entnehmen.
Mit welchen Konsequenzen muss man bei Nichteinhaltung der Vorschriften rechnen?
Verstösse gegen die Anbieterkennzeichnungspflicht können mit Geldbussen bis zu 50’000.– Euro geahndet werden. Ausserdem drohen kostenpflichtige Abmahnungen durch Verbraucherschutzverbände und Mitbewerber.
Ist der Beizug eines Anwalts zur Kontrolle der Konformität der Webseiten zu empfehlen?
Jeder Unternehmer sollte grundsätzlich, bevor er in einer fremden Rechtsordnung geschäftlich tätig wird, sich von mit dem lokalen Recht vertrauten Personen beraten lassen, um unliebsame und teure Überraschungen zu vermeiden.
Bleibt nur abschliessend anzumerken, dass die bisherigen Regelungen des TDG, MDStV und des Teledienstedatenschutzgesetzes in einem neuen Telemediengesetz zusammengefasst werden sollen, von dem derzeit aber erst ein Entwurf existiert.
Managed Server von deutschen Providern mit Linux und/oder Windows