An der CES in Las Vegas (siehe Seite 12) hatte William Henry Gates III seinen letzten grossen Auftritt. Nach über 30 Jahren an der Spitze von Microsoft nimmt er im Sommer seinen Hut und wird sich wohltätigen Zwecken widmen. Obwohl Bill Gates mit seinem 7-Dollar-Haarschnitt (seine eigenen Worte) und der zu kleinen Brille nicht über das Charisma eines Steve Jobs verfügt und bei seinen Keynotes und Vorhersagen öfters einmal falsch lag (Windows Uhr, explodierender E-Book-Markt, Tablet PCs), ist er doch eine der bedeutendsten Figuren und Visionäre der IT. Ihm verdanken wir massgeblich den Durchbruch des PC und den Computer, wie wir ihn heute kennen.
Sein Unternehmen Microsoft hat er nicht nur zum grössten Softwarehersteller gemacht. Die Produkte Microsofts, insbesondere das Betriebssystem Windows, sind allgegenwärtig. Sie finden sich nicht nur auf dem PC, sondern unter anderem auch auf Mobiltelefonen, Geldautomaten und Kriegsschiffen. Seine Geschäftspraktiken (Vendor Lock-in, schamloses Kopieren von Ideen und Konzepten, Ausnutzung des Quasi-Monopols) haben ihm aber nicht nur Freunde gemacht. So giftelten die Konkurrenten nicht nur verbal gegen Microsoft, sondern zogen das Unternehmen regelmässig vor den Kadi. Gates hatte das Ruder aber immer fest in der Hand und überstand alle Angriffe – während so mancher Konkurrent in den Abgrund gerissen wurde.
Allerdings hinterlässt Gates auch viele Baustellen. Microsoft ist nach wie vor abhängig von Windows und Office – und in beiden Sparten kriselt es. Immer mehr Anwender hinterfragen die Upgrades und suchen Alternativen. Vista wird widerwillig bis gar nicht angenommen und ob dies mit zukünftigen Versionen besser wird, ist fraglich. Denn Microsoft gelingt es immer weniger, revolutionäre Features zu realisieren. Das beste Beispiel ist das gescheiterte WinFS. Die Kartellprozesse sind noch lange nicht ausgestanden (siehe Seite 8) und der Aufbau weiterer Standbeine kommt nicht recht voran. Im Internet liegt Microsoft meilenweit hinter
Google. Bei den Consumer Electronics reiht sich Flop an Flop: Weder Zune noch UMPCs oder einer der unzähligen Musik-Shops konnten die Anwender überzeugen. Halbwegs erfolgreich ist einzig die Xbox – und das nur mit Subventionen in Milliardenhöhe. Selbst technologisch scheint Microsoft Mühe zu haben, auf das richtige Pferd zu setzen. Jüngstes Beispiel ist die von Microsoft präferierte HD-DVD, die gegenüber Blu-ray wohl das Nachsehen haben wird (siehe Seite 12). All dies widerspiegelt auch der Aktienkurs: Während beispielsweise Google oder
Apple ihren Wert in den letzten fünf Jahren vervielfachten, stagniert der Redmonder Riese.
Microsoft fit für die Zukunft zu machen ist nun die Aufgabe von Gates‘ Nachfolgern – allen voran von Steve Ballmer, der bereits seit 2000 für das Tagesgeschäft zuständig ist. Ob dies Ballmer, Ray Ozzie und Craig Mundie gelingt, ist allerdings fraglich. Sie alle sind im Vergleich zu Gates eher blass und konnten, obwohl bereits seit etlichen Jahren in leitenden Positionen, die von Gates hinterlassene Lücke nicht füllen. Aber sie haben noch Zeit. Denn Microsoft geht es nach wie vor glänzend – Bill sei Dank.