Parkplatzgarantie dank Web-Services und Bluetooth

Zwei Informatiker der Universität Zürich haben eine State-of-the-Art-Lösung gegen Parkplatzprobleme und Suchverkehr entwickelt.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/12

     

Am Anfang stand die Idee, dem zunehmenden CO2-Ausstoss zu begegnen, schildert Oberassistent Dr. Thomas Hodel, Mitglied der Forschungsgruppe Datenbanktechnologie am Institut für Informatik der Uni Zürich, die Hauptmotivation des Projekts "Parking Space Optimization Service", kurz PSOS.



Laut Studien ist die sattsam bekannte Parkplatzsuche verantwortlich für bis zu 30 Prozent des innerstädtischen Autoverkehrs zu Stosszeiten. Demgegenüber stehen viele Parkhäuser, Firmenparkings und Einzelparkplätze zu manchen Zeiten leer, weil die Interessenten schlicht nicht wissen, wo zu suchen wäre - oder die Anbieter den Aufwand scheuen, ihre Parkplätze einem weiteren Publikum zur Verfügung zu stellen. Auch Parkleitsysteme mit elektronischen Anzeigetafeln, die in letzter Zeit vielerorts eingerichtet wurden, helfen da nur bedingt - sie berücksichtigen nur wenige "offizielle" Parkgelegenheiten.


Umweltschutz per IT-Lösung

Die Grundidee des PSOS-Projekts: Ein Reservationssystem, das via Web und Mobilfunk zugänglich ist, ermöglicht die Parkplatzreservation im voraus. Damit entfällt der Suchverkehr völlig - der Automobilist weiss genau, wo er zum gewünschten Zeitpunkt für die gewünschte Dauer eine Parkgelegenheit zur Verfügung hat. Die Kosten sind von Anfang an bekannt; die Bezahlung erfolgt nicht zwingend am Automaten vor Ort, sondern bequem per Kreditkarte oder Monatsrechnung.



Solche Reservationsmöglichkeiten entsprechen einem echten Bedürfnis, wie Prof. Klaus Dittrich, der Leiter der Forschungsgruppe, bemerkt: "Ich bin genau so ein Typ: Wenn ich losfahre, möchte ich mich darauf verlassen können, dass ich am Zielort auch tatsächlich einen Parkplatz habe. Die Idee, dass sich so ein Reservationssystem auch wirtschaftlich lohnen könnte, ist im übrigen nicht auf unserem Mist gewachsen. Die Firma Allmobile, einer der Konsortiumsteilnehmer, beschäftigt sich seit 20 Jahren mit Carpooling und meint, dass vergleichbare Systeme auch beim Parking funktionieren."




Dies gilt nicht zuletzt, weil auch die Anbieter die Auslastung ihres Parkraums vermehrt optimieren wollen. Mit elektronischen Reservationssystemen wird die Parkplatzvermietung zudem für neue Anbieter wie Firmen (Parkhaus nachts und am Wochenende bisher wenig genutzt) oder Private (Parkplatz tagsüber nicht benötigt) interessant.




Ein durch und durch internationales Projekt

Die Umgebung, in der das PSOS-System entstand, ist typisch für heutige Forschungsprojekte - so etwas lässt sich nicht als "One-Stop-Show"umsetzen. An der Konzeption, Realisierung und Kommerzialisierung sind insgesamt neun Partner aus fünf Ländern beteiligt.



Dazu gehören neben der Zürcher Forschungsgruppe, von der die Web-Applikation und die Pooling-Software stammen, auch die Universität Alicante (Spanien; Mobile-Development), die Firmen Allmobile (Zürich, Carpooling- und Parking-Dienstleistungen), Interparking (betreibt Parkhäuser in ganz Europa), Mobistar (E-Payment) und Fidal (juristische Beratung) sowie Ericsson als Lieferant der Mobilfunk-Infrastruktur.




Passend zur Zahl der Partner dauerte es eine ganze Weile von der Idee bis zum funktionierenden Prototypen. Hodel: "Wir haben über ein Jahr an den Spezifikationen gearbeitet und Prototypen gebaut, aber nichts Definitives realisiert. Dann musste aber die Applikation in kurzer Zeit realisiert werden - mein Kollege Dr. Suo Cong und ich haben das ganze System innerhalb eines Monats entwickelt und dann noch zwei Monate lang getestet und verbessert - insgesamt waren es drei Monate Entwicklungsarbeit durch zwei Personen."




Datenbankgrundlage essentiell

Die schnelle Umsetzung, so Hodel weiter, war nur auf einer von Anfang an reibungslos funktionierenden Basis überhaupt möglich. "Die gängigen Plattformen wie Oracle, DB2, SQL Server, aber auch Open-Source-Lösungen wie MySQL und so weiter waren mir bereits bekannt. Wir haben auch einen Prototypen mit der objektorientierten Datenbank Fastobjects gebaut, dabei aber sehr rasch gesehen: Der Aufwand ist mit einem herkömmlichen Produkt enorm - es dauert lange, bis eine Installation mit allen Komponenten anstandslos läuft, und auch während der Projektdauer gäbe es dauernd Probleme, die verschiedenen Server zu koordinieren."



Dazu fehlte schlicht die Zeit. Der Entscheid fiel letztlich zugunsten der Plattform Caché aus, einer Weiterentwicklung des im medizinischen Umfeld entstandenen MUMPS, die der Datenbank-Forschungsgruppe vom Hersteller Intersystems schon seit langem ans Herz gelegt wurde. Dittrich: "Wenn man einen Datenbanklehrstuhl hat, kriegt man ständig alle möglichen Produkte angeboten. Der Einsatz macht aber nur bei einem konkreten Projekt Sinn - die Caché-Leute musste ich zwei Jahre lang vertrösten, bis mit PSOS endlich ein geeignetes Projekt kam. Caché wird als postrelationale Datenbank verkauft, mit der man je nach Wunsch relational oder objektorientiert arbeiten kann. Das mag zwar nicht die reine Lehre sein, bewährt sich von der Praktikabilität her aber sehr."




Thomas Hodel betont neben der Geschwindigkeit und Flexibilität vor allem die Vollständigkeit der Caché-Plattform: "In diesem Produkt ist alles enthalten: Webserver, Datenbank, Applikations-Server, Web-Services... wir mussten also nicht jeweils eine Woche lang versuchen, die einzelnen Komponenten zum Zusammenspiel zu bewegen. Die Installation war in zehn Minuten erledigt; danach konnten wir uns auf die eigentliche Aufgabe konzentrieren."




Zwei Web-Services als Herzstück

Ein universell einsetzbares Parking-Reservationssystem involviert mindestens drei Parteien: den Parkplatz-Konsumenten, den Parking-Anbieter und das eigentliche Reservations- und Poolingsystem als Schaltzentrale. Die PSOS-Architektur basiert für den Zugriff durch den Endanwender auf Web-, SMS- und WAP-Servern.



In Zürich wurden die zentralen Teile entwickelt, ebenso der SMS-Server, über den die Reservationsbestätigungen optional aufs Handy des Parking-Benutzers geschickt werden, nicht aber der WAP-Server - das überliess man laut Hodel dem Team in Alicante, das sich sehr für die mobilen Geräte interessierte. "Uns fehlte das entsprechende Fachwissen, zudem glaube ich persönlich nicht an die Zukunft von WAP."




Die Kommunikation zwischen dem zentralen System und der IT der Parking-Anbieter erfolgt über eine äusserst schlank gehaltene Web-Service-Schnittstelle: Die Hauptaufgabe erledigen zwei Web-Services für Reservation und Suche. Ausser der Integration mit den PSOS-Web-Services muss an der IT des Parking-Anbieters nichts geändert werden. Auch im PSOS selbst genügt die Angabe der URL, unter der die Web-Services beim Parking-Provider erreichbar sind.



Die administrativen Dienste, mit denen der Parking-Provider sein individuelles Umfeld wie mögliche Zahlungsarten und verfügbarer Parkraum bis hin zum einzelnen Parkplatz konfigurieren kann, werden über ein reines Web-Interface bedient, dessen serverseitige Komponenten auf dem PSOS-Webserver liegen.



Der Teufel steckt allerdings gerade im Zusammenspiel der Web-Services, wie Hodel ausführt: "Theoretisch funktioniert das alles wunderbar; wir waren sogar erstaunt, wie schnell sich ein Web Service in wenigen Stunden entwickeln lässt. In der Praxis gab es danach aber viele Schwierigkeiten: Sobald auf der anderen Seite ein anderes Produkt zum Einsatz kommt als das, auf dem die Services entwickelt wurden, fangen die Probleme an."




Kommerzialisierung auf gutem Weg

Das PSOS ist derzeit als Prototyp auf dem Web zu besichtigen: Unter www.p24u.net kann man sich anmelden und die Funktionalität austesten. Ein Parkhaus in Brüssel arbeitet bereits operativ mit dem System; es wird durch den Konsortiumsteilnehmer Interparking betrieben, der PSOS auch in weiteren Parkings einführen will.



In der Schweiz ist Allmobile im Gespräch mit verschiedenen Interessenten, darunter der Stadt Zürich. Hier diskutiert man, ob das gesamte Parking des "neuen" Stadtteils Züri-West via PSOS verwaltet werden soll. Auch die SBB sind interessiert: Die P&R-Plätze an Bahnhöfen gelten als notorisch überbelegt - wer nicht schon frühmorgens eintrifft, hat kaum Chancen auf einen Platz. Ein Reservationssystem könnte helfen, die Situation zu entschärfen.




Für die Zukunft sieht Thomas Hodel noch weitergehende Anwendungen - prinzipiell lässt sich das System für jede Art von Buchung nutzen. Mögliche Szenarien wären die Reservation eines Kinobilletts samt passendem Parkplatz oder eine Reise von Zürich nach Berlin, wo vom Parking am Hauptbahnhof über das Zugticket und den ICE-Zuschlag bis zur Automiete an der Spree alle Reservationen automatisch zusammengestellt und zentral abgewickelt werden.



Die Kommerzialisierung überlassen die Forscher von der Uni bewusst der Privatwirtschaft, so Professor Dittrich: "Anders als zum Beispiel in der BSE-Forschung, wo das Team der Universität ein Testverfahren entwickelt hat und nun durch das Spin-Off-Venture Prionics vermarktet, waren beim PSOS-Projekt von Anfang auch kommerzielle Unternehmen beteiligt. Wir als Universität haben deshalb keinen direkten finanziellen Gewinn, dennoch profitieren wir gleich doppelt: Erstens gewinnen wir neue Erkenntnisse und kommen technologisch weiter, zweitens können wir dank solchen Projekten über das vom Kanton bewilligte Kontingent hinaus zusätzliche Mitarbeiter einstellen, die daneben auch für die Betreuung der Studenten zur Verfügung stehen."




So profitiert der Autofahrer vom PSOS

Schluss mit der Parkplatzsuche - das ist das hehre Ziel des PSOS-Projekts. Und so funktioniert das System:



1. Die Basis für das Parking-Paradies bildet das sogenannte Pooling: Die Anbieter reservieren einen Teil ihres Parkraums zur exklusiven Nutzung durch PSOS-Teilnehmer. Diese Plätze werden in der zentralen PSOS-Datenbank erfasst.



2. Der parkplatzsuchende Autofahrer greift via Web oder WAP auf die
Datenbank zu. Das System erlaubt die Parkplatzsuche nach Parkhaus, Point-of-Interest (wichtige Gebäude, Sehenswürdigkeiten, Verkehrsknotenpunkte) oder genauer Adresse - die verfügbaren Plätze werden in diesem Fall mit GIS-Unterstützung auf einer Karte angezeigt. Auch die Reservation mit genauer Zeit- und Datumsangabe erfolgt über das Web/WAP-Frontend. Die vorgenommenen Reservationen lassen sich jederzeit in einem anschaulichen Reservationskalender kontrollieren.



3. Nachdem die Buchung durch die IT-Systeme des Anbieters gutgeheissen wurde, sendet PSOS dem User eine Bestätigung samt Reservations-ID und Zugangscode. Die Garantie der Reservation obliegt dem Anbieter: Er sorgt dafür, dass der gewünschte Platz zum Zeitpunkt der Reservation wirklich frei ist - zum Beispiel durch physische Abgrenzung der PSOS-Plätze mit einer separaten Schranke.



4. Am Zielort angelangt, erhält der Autofahrer durch Eingabe des Zugangsocdes Zutritt zum Parkplatz. Mit einem Bluetooth-Handy lässt sich der Code drahtlos zum Schrankensytem übertragen; sonst muss er von Hand eingegeben werden.



5. Die Kosten für den Parkplatz werden dem Benutzer beim Verlassen des Parkings belastet. Die Zahlungsart - direkte Belastung der im Benutzerprofil angegebenen Kreditkarte, Monatsrechnung oder andere Verfahren - ist je nach Parking-Anbieter unterschiedlich. Der Gang zum Zahlautomaten und die Suche nach Kleingeld werden in den meisten Fällen überflüssig.




PSOS-SystemarchitekturPSOS-Systemarchitektur

Der Parking Space Optimization Service PSOS stellt Dienste für Parkplatzanbieter, Automobilisten und die zentrale Administration des gepoolten Parkraums zur Verfügung. Im Zentrum steht der Caché-basierte Datenbankserver, der alle Angaben zu den Parkplätzen, Teilnehmern und Reservationen aufnimmt. Als Anwenderschnittstelle dienen Webserver (für Abfragen, Parkplatzsuche und Reservationen), SMS- und WAP-Server (für Mobilzugriff und Versand von Reservations-ID und Zugangscode). Mit den IT-Systemem der Anbieter kommuniziert PSOS im wesentlichen über zwei Web-Services. Die Administration, den Abruf von Reports und Statistiken erledigen auch die Anbieter über ein Web-Frontend.





Interview: EU-Forschungsprojekte und die Schweiz

Man hört gelegentlich von Nachteilen für die Schweizer Hochschulen, wenn es um die Beteiligung an EU-Forschungsprojekten geht. Davon spürt der Leiter der Forschungsgruppe, die das PSOS entwickelt hat, kaum etwas. InfoWeek hat Professor Klaus Dittrich zum Thema befragt.



Welche Probleme stellen sich einer Schweizer Forschungsgruppe beim Mitmachen in EU-Projekten entgegen?


Als ich 1989 an die Uni Zürich kam, ging es am Anfang etwas harzig. Ich hatte ein in Deutschland bereits angefangenes Projekt mitgebracht und wollte es hier fortführen. Die Finanzierung war damals nur mit einigen Tricks über die heutige KTI möglich, die eigentlich für die Mittelstandsförderung da wäre. Sie hat den Teil übernommen, den die EU nun nicht mehr bezahlte, weil das Projekt in der Schweiz weitergeführt wurde. Heute finanziert das Bundesamt für Bildung und Wissenschaft grundsätzlich Schweizer Beteiligungen an EU-Projekten. Wenn wir also in einem Konsortium sind, das auf EU-Ebene bewilligt wird, erhalten wir mehr oder minder automatisch auch in der Schweiz den Zuspruch und werden mit denselben Summen bezahlt, die die EU zur Verfügung stellen würde.



Wird sich mit den Bilateralen daran etwas ändern?

Wenn die bilateralen Abkommen so laufen wie geplant, wird die Schweiz pauschal Geld nach Brüssel sprechen und wir können dort Projekte genau wie EU-Teams beantragen. Grosse Vorteile bringt uns das aber nicht: Wir haben es momentan fast leichter, als wenn wir Anträge direkt bei der EU stellen müssten, weil die Schweizer Bürokratie wesentlich effizienter arbeitet. Das vorletzte Projekt zum Beispiel wurde bereits drei Wochen nach der Einreichung bewilligt - eigentlich erwarteten wir zu diesem Zeitpunkt erst einen Zwischenbericht. In Brüssel läuft ein Bewilligungsverfahren niemals mit dieser Geschwindigkeit.



Abgesehen vom Finanziellen: Stehen Schweizer Forscher irgendwie im Abseits?

Nein, wir sehen da keine Probleme. Innerhalb des PSOS-Konsortiums haben wir überhaupt nicht gemerkt, dass wir "nicht in Europa" sind. Die Atmosphäre war stets sehr angenehm und produktiv.
Es kommt auf die Fachkompetenz an - egal ob aus EU-Europa oder der Schweiz.



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