3-Megapixel-Digicams

Die Wahl der richtigen Digitalkamera fällt auch in der exklusiven 3-Megapixel-Klasse nicht leicht. InfoWeek stellt alle verfügbaren Modelle vor und gibt Hinweise zur Evaluation.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2000/44

     

Die Welt fotografiert zunehmend digital. Noch vor kurzem genügte die Bildqualität digitaler Standbildkameras nur für Web-Präsentationen oder den schnellen Blick ins Onscreen-Fotoalbum; spätestens seit der Marktreife der 2-Megapixel-Kameras stellen auch anspruchsvolle Amateure immer mehr auf Digitalfotografie um.



Das Angebot an Digitalkameras ist inzwischen total unübersichtlich. Die kürzliche Marktübersicht eines Fachmagazins präsentierte über hundert Modelle. Unsere Kaufberatung konzentriert sich auf Kameras, die mit einem CCD-Sensor ausgestattet sind, der mindestens drei Megapixel Auflösung bietet. Bis auf drei Ausnahmen, darunter die vom Hersteller als Vier-Megapixel-Modell positionierte Olympus E-10 (effektive Auflösung 3,7 Millionen Pixel), bieten alle Kameras der 3-Megapixel-Klasse die einheitliche CCD-Auflösung von 2048x1536 Pixel. Laut Herstellerangaben sind mit drei Megapixel hochwertige Ausdrucke der geschossenen Fotos bis 25 x 37,5 cm möglich.




Mit dieser Auswahl wollen wir keineswegs zum Ausdruck bringen, dass eine Zwei-Megapixel-Kamera nicht ebenso gute Resultate bringen kann wie die höherauflösenden Modelle. Neben der CCD-Auflösung spielen bei der Auswahl einer Kamera zahlreiche Faktoren wie Bildqualität, Handlichkeit und Benutzerfreundlichkeit eine Rolle.



Sämtliche Hersteller bieten neben den hier präsentierten Geräten weitere Modelle mit 1 und 2 Megapixel an. Bemerkenswert sind unter anderem die Finepix-Kameras von Fuji Film, die mit einem speziell konstruierten "Super CCD" mit achteckigen Sensorzellen laut Hersteller quasi 4,3 Megapixel bieten; die Serie enthält zudem das fast schon kuriose Modell 40i mit integriertem MP3-Player. Positiv aufgefallen ist uns auch die neue Photosmart C912 von HP, eine 2,24-Megapixel-Kamera mit Dreifachzoom und Spiegelreflexoptik, die auch im optischen Sucher stets das effektive Bild zeigt - Test siehe InfoWeek 42/2000.



Was wir ebenfalls weggelassen haben: die sogenannten Profi-Kameras, die auf einem herkömmlichen Spiegelreflexgehäuse aufbauen, mit Wechselobjektiven arbeiten und mindestens sechs- bis siebentausend Franken kosten. Solche Modelle gibt es von Fuji, Canon, Nikon und Kodak.


Hauptsache Bild

Die Auswahl des Motivs und die Bildkomposition nimmt einem keine Kamera ab, aber die erreichbare Bildqualität ist ein bestimmender Faktor bei der Kamerawahl. Neben der Güte des CCD-Sensors, der das einfallende Licht in ein digitales Rasterbild umwandelt, sowie der Verarbeitung des Bildes in der Kameraelektronik sind auch herkömmliche fotografische Parameter wie Optik und Kameramechanik für die Bildqualität ausschlaggebend: Ein lichtstarkes Objektiv (Zahlenwerte unter "Lichtstärke" möglichst gering) und eine grosse Bandbreite bei den Verschlusszeiten erhöhen die Flexibilität in extremen Lichtverhältnissen. Ebenfalls nützlich: Optionen wie Spot-Belichtungsmessung, manuelle Blende, Verschlusszeit sowie Scharfeinstellung.



Sämtliche Kameras verfügen über einen eingebauten Blitz. Er genügt mit Reichweiten bis etwa 3 Meter für Basisaufgaben wie einfache Portraits, versagt aber bei höheren Anforderungen wie der Ausleuchtung ganzer Räume, entfernter Objekte oder komplexer Studiosituationen. Etwa die Hälfte der vorgestellten Kameras bietet dazu einen Anschluss für externe Blitzgeräte; Olympus wie auch Sony für die DCS-S70 offerieren zu ihren Kameras speziell abgestimmte Zusatzblitzgeräte.




Die meisten Kameras können neben Standbildern auch kurze Filmsequenzen mit rund 10 Bildern pro Sekunde aufnehmen, die im AVI- oder Quicktime-Format gespeichert werden. Bei der Filmaufnahme reduziert sich die Auflösung auf 640x480 Pixel. Einige Modelle enthalten auch ein Mikrofon zur Tonaufnahme oder sogar einen integrierten Lautsprecher. Über das Mikrofon lassen sich auch Standbilder mit Anmerkungen versehen.




Zoomobjektiv ist Standard

Optik mit fixer Brennweite gibt es in der 3-Megapixel-Klasse ebensowenig wie Wechselobjektive. Üblich ist ein Dreifach-Zoomobjektiv mit Brennweiten vom leichten Weitwinkel- bis zum leichten Telebereich, entsprechend 35 bis 105 mm bei Kleinbildkameras. Die Yashica Micro Elite 3000 geht nur von 38 bis 76 mm. Auch das Panasonic-Modell bietet bloss Zweifachzoom, ebenso die Kodak DC4800, die mit 28 bis 84 mm jedoch für Weitwinkelaufnahmen interessant ist. Für Tele-Enthusiasten eignet sich besonders die Camedia E10 von Olympus, die bis 140 mm zoomt. Wer kleine Objekte im Detail aufnehmen will, fährt mit den Ricoh-Modellen gut, die im Makromodus mit einem Mindestabstand von nur einem Zentimeter auskommen.



Statt kompletter auswechselbarer Objektive haben einige Hersteller Vorsatzlinsen im Programm, die den Brennweitenbereich nach unten oder oben erweitern. Neben Canon, Kodak und Olympus fällt hier ein Hersteller ganz besonders auf: Mit einem Weitwinkel-, einem Fisheye- und zwei Tele-Konvertern bietet Nikon die grösste Auswahl an Brennweiten für die kreative Fotografie. Besonders lobenswert ist zudem, dass für alle Modelle seit der vor zwei Jahren erschienenen Coolpix 900 die gleichen Adapterlinsen verwendet werden können.




Mit der optischen Brennweite des Objektivs nicht zu verwechseln ist die digitale Zoomfunktion, die in fast allen Digitalkameras implementiert ist. Dabei wird schlicht und einfach ein grösserer oder kleinerer Ausschnitt des vom CCD generierten Rasterbildes ausgeschnitten und per Software auf die volle Pixelauflösung extrapoliert. Die Folge: Man hat zwar einen vermeintlich grösseren Zoombereich, aber die Bildqualität leidet - mehr Information, als sie der CCD-Chip liefert, können auch die besten Bildbearbeitungsalgorithmen nicht generieren. In der Tabelle ist deshalb ausschliesslich die effektive Objektivbrennweite zu finden. Aus dem gleichen Grund verzichten wir auf die Nennung extrapolierter oder durch Doppelbelichtung erhöhter CCD-Auflösungen, wie sie zum Beispiel die Ricoh RDC-7 mit dem "Pro-Mode" bietet.




Nie genug Speicher

Je höher die Auflösung, desto mehr Platz braucht jedes einzelne Bild. Die internen 4- oder 8-Megabyte-Speicher der ersten Digikameras könnten im unkomprimierten Zustand nicht einmal ein einziges 3-Megapixel-Bild aufnehmen. Meistens werden die Bilder aber sowieso komprimiert; nur die wenigsten Kameras lassen die Speicherung der originalen "Raw"-Bilddaten überhaupt zu. Eine davon ist die Kodak DC4800: Ein unkomprimiertes Bild in Höchstauflösung ist gegen 9 Megabyte gross; daneben stehen zwei JPEG-Kompressionsstufen mit 960 beziehungsweise 480 Kilobyte zur Verfügung. Mit stärkerer Kompression vermehren sich leider auch Unschärfen, Halos und Verpixelungen, die durch die JPEG-Algorithmen entstehen. Die Auflösung allein sagt also gar nichts über die Bildqualität aus: Ein unkomprimiert in einer niedrigeren Auflösung aufgenommenes Bild sieht oft besser aus als ein stark komprimiertes in Höchstauflösung.





Speicherstandards

Die gängigsten Speichermedien für Digitalbilder sind SmartMedia- und CompactFlash-Karten (CF), erhältlich in Grössen von 8 bis 300 (CF Typ II) beziehungsweise 128 MB (SmartMedia). Achtung: Die wenigsten Kameras unterstützen alle Grössen; Smartmedia-Karten sind meist nur bis zu einem Fassungsvermögen von 64 MB möglich, und auch die 300-MB-CF-Karte dürfte nicht in allen Geräten funktionieren. Die "Multimedia Card" der Panasonic-Kamera gleicht einer SIM-Karte und ist bis 64 MB erhältlich. Sony setzt - wie könnte es anders sein - in den neuesten Kameramodellen voll auf seinen proprietären Memory-Stick.



Die vielseitigsten Möglichkeiten bietet derzeit CompactFlash. In diesem Format sind nicht nur die grössten Solid-State-Kapazitäten erhältlich; diverse Kameras akzeptieren neben Flash-Speicherkarten auch das Microdrive von IBM, eine klitzekleine Harddisk im CF-Format mit Kapazitäten von 340 Megabyte oder einem Gigabyte - Platz genug auch für die umfangreichste Fotosession.




Als geradezu sensationell darf in diesem Zusammenhang das Angebot von Casio bezeichnet werden: Die QV-3000EX ist beim Schweizer Distributor Fortima mit 1590 Franken eines der günstigsten 3-Megapixel-Modelle und bietet Features wie Spot-Belichtungsmessung und komplett manuelle Steuerung von Blende und Verschlusszeit; im Preis ist ausser einer 8-Megabyte-CF-Karte auch ein 340-Megabyte-Microdrive inbegriffen, das separat halb so teuer wie das ganze Kamerapaket wäre.




Bildbearbeitung am PC

Die digitalen Bilder bearbeitet man im allgemeinen auf dem Computer. Dazu sind zwei Voraussetzungen nötig: Die Bilder müssen von der Kamera auf den PC gelangen, und zur Bearbeitung muss eine geeignete Software bereitstehen. Eine oft nötige Massnahme ist die Anpassung von Schwarz- und Weisspunkt in den verschiedenen Helligkeitsbereichen des Bildes, mit der sich auch aus scheinbar hoffnungslos belichteten Aufnahmen oft noch viel herausholen lässt ("Adjust Levels"-Funktion in Photoshop). Ebenfalls häufig anzutreffen: Farbstiche, die durch Unterschiede in den drei Farbfiltern des CCD entstehen und in jedem Bildbearbeitungsprogramm leicht korrigiert werden können.



Für die Übertragung der Bilder sind alle aktuellen Modelle mit einer USB-Schnittstelle ausgestattet. Einzige Ausnahme: Die Yashica-Kamera kommt stattdessen mit einem Kartenleser für CF-Karten, der seinerseits per USB mit dem PC verbunden wird. Je nach Modell sind die in der Kamera gespeicherten Bilder über einen TWAIN-Treiber, eine speziell angepasste Grafiksoftware oder direkt zugänglich. Die Ricoh RDC-i700 zum Beispiel kommt mit einem Explorer-Plug-in, mit dem der Kameraspeicher für den PC wie ein Disklaufwerk aussieht. Die Speicherkarten lassen sich auch aus der Kamera entnehmen und mit einem Kartenleser auslesen; am besten ist ein Kombimodell für CF und SmartMedia. Für Notebook-Anwender gibt es zudem PC-Card-Adapter. In der Tabelle haben wir unter Zubehör solche Standard-Add-ons übrigens nicht erwähnt; zum Zug kommen dort ausschliesslich spezielle, herstellerspezifische Teile.




Die mitgelieferten Bildbearbeitungsprogramme sind ausser der LE-Version von Photoshop, die der Canon Powershot G1 beiliegt, nicht dem professionellen Segment zuzuordnen. Für Amateurzwecke reichen sie jedoch allemal. Einige Kameras kommen gar bloss mit Treibersoftware. Profis, die ihre Fotos seriös bearbeiten wollen, müssen also zusätzliche Software kaufen, und das ist eigentlich gar nicht so schlimm: Der Webdesigner hat ohnehin andere Ansprüche als der Gestalter von Hochglanzkatalogen. Neben einer guten Bildbearbeitung sollte auch ein Programm zum Katalogisieren und Betrachten der Bilder nicht vergessen werden - die Sammlung wird sonst rasch unübersichtlich. Empfehlenswert sind die günstigen Pakete ACDSee und ThumbsPlus.




PC-unabhängiger Einsatz

Wer seine Bilder einfach im Grossformat ansehen möchte, ist auch ohne PC mit dem bei allen Modellen vorhandenen Videoausgang bestens bedient. Er lässt sich über das mitgelieferte Kabel mit einem Fernseher oder Videomonitor verbinden; praktisch alle Kameras unterstützen sowohl NTSC als auch PAL.



Auch der Ausdruck von Bildern ist ohne PC möglich. Spezielle Fotodrucker wie die PhotoSmart-Familie von HP haben Steckplätze für CompactFlash- und SmartMedia-Karten. Sofern die Kamera nicht ein exotisches proprietäres Bildformat verwendet, sondern die Daten JPEG-komprimiert im DCF-Standardformat ablegt, kann der Drucker die Bilder problemlos auslesen. Als erstes wird dann ein Indexprint gedruckt, aus dem man dann die gewünschten Bilder für den Grossformatdruck auswählt. Etwas im Nachteil sind Benutzer von Kameras mit unüblichen Speichermedien. Sony-User zum Beispiel sind beim PC-losen Bilderdruck auf den Sony-eigenen Drucker DPP-SV55 mit Memory-Stick-Slot beschränkt.




Die eigenwilligste Kamera in unserer Übersicht kommt von Ricoh. Der Hersteller bezeichnet sein Modell RDC-i700 denn auch nicht als Digitalkamera, sondern als "Image Capturing Device". Das Gerät ist mit einem vergleichsweise grossen, berührungsempfindlichen LCD-Monitor ausgestattet, über den man die integrierte Software steuert: Neben einer rudimentären Bildbearbeitung und einem Filesystem zum Ablegen der Bilder in frei definierbaren Ordnern enthält die i700 Software zur Datenübermittlung via Remote Access und Internet (E-Mail, FTP), einen HTML-3.2-fähigen Web-Browser und eine Funktion namens Job-Navi, mit der sich auf Basis zuvor erstellter Seitenvorlagen die erfassten Bilder samt zugehörigen Texten aufs Web publizieren lassen. Die dazu nötige Internetverbindung kommt über den PC-Card-Slot mit einer optionalen Modemkarte oder drahtlos mit dem Nokia Cardphone zustande. Die umfassenden Funktionen bezahlt man allerdings mit einem erklecklichen Preis: Mit 2690 Franken ist der Ricoh-Tausendsassa nach der 4-Megapixel-Kamera von Olympus das zweitteuerste Modell.




Fazit

Die Wahl einer Digitalkamera fällt nicht leicht. Das "einzig richtige Modell" gibt es nicht; je nach Benutzer sind unterschiedliche Features gefragt. Es fängt schon mit Äusserlichkeiten an: Eine 250 Gramm leichte, kompakt gebaute Minikamera wie die Sony DSC-P1 nimmt man eher zu Schnappschüssen mit als den Ein-Kilo-Brocken E10 von Olympus - aber der glänzt dafür mit Spiegelreflextechnik und studiotauglichen 4 Megapixel.



Ein wichtiger Gesichtspunkt ist ausserdem die Stromversorgung: Alle Batterien oder Akkus halten in jeder Kamera grundsätzlich zuwenig lang. Bei Modellen mit Nichtstandard-Akku sollte man immer mindestens eine zweiten voll geladenen Ersatzakku dabei haben. Für den mobilen Einsatz am besten sind die Modelle, die wahlweise AA-Batterien oder Akkus der gleichen Grösse akzeptieren: Strom kriegt man dann an jedem Kiosk.




Am allerwichtigsten ist zweifellos die Bildqualität. Auch dafür gibt es keine objektiven Messgrössen. Ausserdem ist eine Kamera, die besonders gute Aussenaufnahmen schiesst, nicht unbedingt auch für Studioportraits geeignet: In der Digitalfotografie kann man nicht einfach einen anderen Film einlegen, wenn die Lichtempfindlichkeit nicht reicht oder die Bilder zu körnig ausfallen - der CCD und die Bildverarbeitungsalgorithmen sind fix in der Kamera eingebaut.



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