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Editorial

Service Pack auf Irrwegen


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/06

     

Es ist interessant, wie unterschiedlich die Softwarehersteller bei der Einführung neuer Produkte vorgehen. Da wäre zum Beispiel die Jobs-Company: Zwar wurden die meisten Leopard-Neuerungen schon über ein Jahr vor dem Release verkündet, die Software selbst gab es fürs breite Publikum aber erst in der definitiven Version. Betas oder gar Alphas waren, natürlich gegen Unterzeichnung eines knüppelharten Non-Disclosure-Agreement, exklusiv den Teilnehmern von Apples Developer-Programm vorbehalten. Ähnlich zugeknöpft gibt sich der Hersteller auch bei anderen Produkten – kurz: Über die Erzeugnisse aus Cupertino erfährt man grundsätzlich erst dann etwas, wenn sie schon fast im Laden stehen.



Ganz anders sieht es bei Microsoft aus. Vom Administrationstool bis zur neuen Windows-Version bringen die Redmonder von nahezu sämtlichen Produkten schon Monate oder sogar Jahre vor der geplanten Verfügbarkeit – die nota bene nur selten mit dem tatsächlichen Releasetermin koinzidiert – allerlei halböffentliche und öffentliche Betas, Developer Previews, Community Technology Previews und Release-Kandidaten heraus. Manchmal dürfen alle Interessenten die aktuelle Testversion herunterladen, manchmal ist die Zahl der Downloads beschränkt, und des Öfteren gilt ein MSDN- oder Technet-Abo als Voraussetzung zum Download.




Die Usanzen des Software-Riesen sind einerseits erfreulich, erhalten doch interessierte Anwender und Entwickler schon früh einen Einblick in die Softwarezukunft. Auf der anderen Seite dürfte die Versionsflut und vor allem die Tatsache, dass «Beta» manchmal eher «Alpha» heissen sollte und bis hin zum Releasekandidaten oft noch wichtige Features nachgereicht werden, auf den Systemen und in den Gehirnen der Downloader für einige Verwirrung sorgen.



Den Vogel hat Microsoft aber mit dem Service Pack 1 zu Windows Vista abgeschossen, oder besser: Man ist noch immer am Schiessen. Die Rede ist hier nicht von der Testphase, sondern vom verschlungenen Weg des Service Pack seit der Freigabe des ersten Release-Kandidaten Mitte Dezember 2007. Dieser stand zum allgemeinen Download im Netz, Mitte Januar folgte dann eine weitere Ausgabe, diesmal nur für 15’00 ausgewählte Tester. Am 4. Februar dann die frohe Botschaft: Der RTM-Status ist erreicht! Gleichzeitig wurde aber verkündet, die Software werde wegen Inkompatibilität mit einigen Treibern erst später freigegeben – aber Moment: Um solche Probleme abzuklären, hat es doch eine monatelange Testphase gegeben?!



Nachdem dann Mitte Februar wenigstens Technet- und MSDN-Abonnenten in den Genuss des fertigen SP1 kamen, steht der Standalone-Installer seit dem 18. März für alle Interessenten bereit. Mit der automatischen Verteilung via Windows Update, so wurde jedenfalls behauptet, werde jedoch erst im April begonnen. Auf Systemen, die nicht an Treiberinkompatibilitäten leiden, wird der Update jetzt allerdings doch schon über Windows Update angeboten – aber nicht automatisch, sondern nur auf ausdrücklichen Wunsch installiert. Noch Fragen?



Es ist fast schon unglaublich, dass ausgerechnet ein öffentlichkeitsträchtiges Update für ein Produkt, das ohnehin in der Kritik steht, derart unkoordiniert auf den Markt geworfen wird. Beim Gedanken an die zuständigen Leute drängt sich meinem geistigen Auge jedenfalls immer das gleiche Bild auf: Ein wirrer Haufen aufgescheuchter Hühner.

(ubi)


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