So geht's: Online-Rechnungen mit Yellowbill
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/07
Online-Banking ist schön, aber nur zum Teil: Nach wie vor quellen die realen Briefkästen mindestens im Monatsrhythmus über vor lauter Rechnungen, die auf konventionellem Postweg verschickt werden. Eigentlich unnötig: Wenn man schon elektronisch bezahlt, könnte doch auch die Rechnungsstellung online statt auf Papier erfolgen. Die Rede ist dabei nicht von einer automatischen Abbuchung wie beim eher unbeliebten LSV oder Debit Direct, bei dem falsche Rechnungen erst nach der Belastung beanstandet werden können, sondern von einer regelrechten Rechnung, bei der das Konto erst durch die explizite Bezahlung per Mausklick tangiert wird.
Was im B2B-Verkehr schon eher die Regel ist, hält bei Hinz und Kunz - bisher vor allem mangels entsprechender Angebote - nur zögerlich Einzug: Electronic Bill Presentment and Payment, kurz EBPP. Im Idealfall kommt bei einem EBPP-Ablauf überhaupt kein Papier ins Spiel: Die Rechnungsdaten gelangen rein elektronisch vom Rechnungssteller über verschiedene Zwischenstationen zum Endkunden.
Im Unterschied zum klassischen Online-Banking müssen zur Bezahlung der Rechnung keine ellenlangen Referenznummern eingetippt oder mit einem sündteuren Belegleser eingescannt werden: Zur Bezahlung genügt ein Minimum an Mausaktivität. Die B2C-EBPP-Pionierin PostFinance spricht vom "Bezahlen mit drei Mausklicks" - die gewünschte Rechnung wird aus der Liste ausgewählt (Klick 1), die Bezahlung wird ausgelöst (Klick 2) und nach der Kontrolle des nun erscheinenden Belegs bestätigt (Klick 3). Der Hauptvorteil für den Kunden dürfte in diesem einfachen Ablauf liegen. Ausserdem muss er keine Rechnungen mehr ablegen und keine Couverts entsorgen. Zusätzliche Gebühren für die Online-Zahlung fallen auf Kundenseite nicht an.
Den Rahmen für den Yellowbill-Prozess bildet das bestehende Yellownet-Portal der Post. Als Voraussetzung muss der Kunde folglich über ein Gelbes Konto verfügen und den Yellownet-Service aktiv
nutzen: Nur wer regelmässig sein Konto online kontrolliert, kriegt
überhaupt mit, dass eine Rechnung eingegangen ist.
Illustration: Das E-Billing-Netzwerk der Post
Auf der Seite der Banken ist für den elektronischen Zahlungsverkehr die Firma Telekurs samt Töchtern zuständig. Das EBPP-Unternehmen heisst Paynet und ist noch nicht ganz soweit wie die Post: Ein B2B-Billingdienst namens Billingservices (www.billingservices.ch) ist zwar bereits produktiv, bedient aber ausschliesslich Geschäftskunden.
Paynet, die selbst nur die Consolidator-Rolle übernimmt, arbeitet gegenwärtig fieberhaft an Abkommen mit verschiedenen Finanzinstituten, die gegenüber ihren Kunden als CSP auftreten wollen. Bisher haben die Bank Coop, die Migros Bank sowie diverse Kantonal- und Regionalbanken zugesagt; mit den Grossbanken UBS und CS steht man kurz vor dem Abschluss. Elektronische Rechnungen für E-Banking-Kunden wird es jedoch bei den genannten Banken frühestens Ende 2003 geben - die Post liegt zeitlich eindeutig vorne.
Alex Josty, Mediensprecher der PostFinance, sieht reelle Chancen für eine breite Akzeptanz von Yellowbill: "Beim Online-Banking ist PostFinance vor den beiden Grossbanken die Nummer eins: Zur Zeit haben wir 400'000 Kunden, die über 600'000 Konti elektronisch bewirtschaften; jeden Monat kommen rund 7000 neue Nutzer hinzu."
Die Realität sieht allerdings noch nicht so rosig aus - wie bei allen neuen Methoden im Zahlungsverkehr wird es eine ganze Weile dauern, bis sich Yellowbill etabliert. Zur Erinnerung: Auch die EC-Karte brauchte Jahre und kam erst so richtig in Schuss, als die Banken die Kunden mit Schaltergebühren zunehmend Richtung Bancomat drängten. Andere Projekte wie Cash sind gar völlig gescheitert. In den ersten sechs Monaten seit Einführung verzeichnet zum Beispiel die Krankenversicherung KBV gerade mal 350 Yellowbill-Kunden. Damit hat man zwar das Ziel erreicht, angesichts der Gesamtzahl von 120'000 Kunden erscheint die Zahl dann aber doch eher schmürzelig.
Auf der Biller-Seite hat PostFinance vorerst "Rechnungssteller mit grossem Rechnungsvolumen und einem hohen Anteil privater Kundschaft" als Zielgruppe, in zweiter Linie auch Online-Shops, die schon bisher den Warenkorb von Yellowworld nutzten. Grundsätzlich, so betont Josty, steht die Dienstleistung aber allen interessierten Firmen offen.
Zu dem runden Dutzend Unternehmen, die Yellowbill ihren Kunden bereits anbieten, gehören Telcos (Swisscom Fixnet, Orange), Verkehrsanbieter (SBB, Mobility), der Kreditkartenverarbeiter Corner Banca, das Hilfswerk Helvetas und die Krankenkasse KBV. Die Liste zeigt, dass Yellowbill nicht in erster Linie als Konkurrenz zur Kreditkarte im Online-Shopping positioniert ist, sondern als Alternative zur herkömmlichen Papierrechnung. Ein Grund dafür: Im Gegensatz zum positiven Resultat einer Kreditkartenprüfung bringt der Versand einer Electronic Bill nicht automatisch Geld aufs Konto des Rechnungsstellers. Josty: "Auch eine elektronische Rechnung ist immer noch eine Rechnung und bietet demzufolge keine Zahlungsgarantie."
Der Fokus auf Grosskunden hat vor allem einen Grund: "In einer ersten Phase gehen wir Rechnungssteller mit einer sehr hohen Kundenzahl wie Swisscom und Orange an, die dem System zum Durchbruch verhelfen sollen - die Hebelwirkung ist hier am grössten." Josty merkt dazu an, dass die aktuellen Kunden ein Volumen von jährlich über 60 Millionen Rechnungen repräsentieren. Interessenten mit geringerem Rechnungsvolumen sind ebenfalls schon jetzt willkommen, werden aber derzeit nicht aktiv bearbeitet.
Merkmale von EBPP im B2C-Umfeld
Bei der Yellowbill-Implementation geniesst der Rechnungssteller viel Flexibilität. Nur drei Grundvoraussetzungen müssen erfüllt sein, die allesamt auf der Zahlungsausgangsseite greifen:
Der Biller muss den Einzahlungsschein mit Referenznummer (ESR) einsetzen.
Die für den Zahlungsverkehr notwendigen Rechnungsdaten müssen elektronisch zur Verfügung stehen.
In der Debitorensoftware muss den Yellowbill-Rechnungen durch Einfügen des Merkmals "e-Bill" - analog zu Merkmalen wie "Debit Direct" oder "LSV" - ein eigener Rechnungslauf zugewiesen werden.
Auf der Eingangsseite ändert sich mit Yellowbill gar nichts: Die Gutschriftsdaten kommen genau gleich wie schon die bisherigen ESR-Daten zum Biller. Yellowbill setzt als "virtueller oranger Einzahlungsschein" hier völlig auf die bestehenden Prozesse auf.
Auch sonst erlaubt die Anbindung alle denkbaren Varianten. So können die Daten wahlweise durch den Biller selbst, durch einen externen BSP oder durch PostFinance aufbereitet und ins erforderliche XML-Format gebracht werden. Die Übermittlung der Rechnungen kann einzeln in Echtzeit oder periodisch im Batch-Verfahren erfolgen. Und die Webseite, die dem Rechnungsempfänger anstelle der Papierrechnung präsentiert wird, kann auf dem Webserver des Billers, bei einem Billing-Service-Provider oder bei Yellowbill untergebracht sein.
Illustration: Der Yellowbill-Datenfluss im Detail
Es gibt bisher keine ERP-Software, die mit einer fixfertigen Yellowbill-Schnittstelle aufwartet. Die Einführung, die laut PostFinance-Angaben zwischen ein und drei Monate dauert, bringt in jedem Fall einen gewissen Entwicklungsaufwand mit sich: Neben den betriebsorganisatorischen Abläufen müssen auch die technischen Schnittstellen zwischen der Geschäftssoftware des Billers und dem IPEC-Billingsystem der PostFinance im Detail ausgearbeitet werden. Dies ist wohl ein weiterer Grund, weshalb Yellowbill bisher nur in grösseren Projekten zum Zug kommt. "PostFinance denkt, dass sich eine Integration lohnt, wenn ein Biller pro Jahr etwa 100'000 Rechnungen ausstellt."
Wenn Yellowbill den Durchbruch geschafft hat, will man auch kleinere Kunden gewinnen. Der angepeilte Zeitraum: Im Herbst 2003/Frühjahr 2004 ist eine Info-Veranstaltung für Softwareentwickler geplant, die dann ihre Produkte auf die Erfordernisse von Yellowbill anpassen können. Ab Mitte 2004 dürften also auch KMU-gängige ERP-Systeme über integrierten E-Billing-Support verfügen, zumal dann auch Payserv verstärkt im B2C-Segment aktiv wird.
Da bislang jedes Yellowbill-Projekt per individueller Verhandlung mit dem jeweiligen Biller zustande kommt, hält sich PostFinance in punkto Kosten bedeckt. Immerhin merkt der Mediensprecher an, dass dem Biller Gebühren auf Transaktionsbasis anfallen; im Durchschnitt sei der Preis für eine Yellowbill-Transaktion etwa halb so hoch wie für eine Kreditkartenabrechnung.
Die elektronische Ausstellung und Bezahlung von Rechnungen (EBPP, Electronic Bill Presentment and Payment) bedingt ein reibungslos verzahntes Netzwerk verschiedener Partner - beteiligt sind neben dem Aussteller und Empfänger der Rechnungen meist eine zentrale Konsolidierungsstelle und ein Finanzinstitut.
Biller: So heisst der Aussteller der Rechnungen im Jargon.
Billing Service Provider (BSP): Schnittstelle zwischen Biller und Consolidator, zuständig für die Aufbereitung der Rechnungsdaten ins korrekte Format und für die Übermittlung an den Consolidator; oft übernimmt der BSP auch die Präsentation der Rechnungsdetails im Web, Druckservices für nicht elektronisch übermittelbare Rechnungen und weitere Dienste. Der BSP ist optional; oft kommunizieren die Biller direkt mit den Systemen beim Consolidator, oder der Consolidator tritt gleichzeitig als BSP auf.
Consolidator: Dieses Herzstück jedes EBPP-Netzwerks fasst die Rechnungen aller angeschlossenen Biller und BSP zusammen, liefert sie an den entsprechenden CSP aus und kann auch Zahlungsaufträge an die angeschlossenen PSP weiterleiten.
Payment Service Provider (PSP): Diese Rolle kann nur von Finanzinstituten übernommen werden: Banken oder PostFinance führen in dieser Funktion die auf die ausgestellten Rechnungen folgenden Zahlungen aus.
Customer Service Provider (CSP): Zuständig für die Präsentation der vom Consolidator erhaltenen elektronischen Rechnungen - entweder via Online-Portal oder EDI-Dokument - an die Rechnungsempfänger. Die einzelnen Rollen können von verschiedenen Unternehmen und Organisationen oder aber kombiniert wahrgenommen werden. Im Fall von Yellowbill übernimmt die PostFinance den Grossteil der Aufgaben: Sie ist gleichzeitig BSP, Consolidator, CSP (via Yellowworld-Portal) und PSP (via Gelbes Konto). Paynet offeriert selbst in erster Linie Consolidator-Funktionen und setzt damit hauptsächlich auf den Netzwerkgedanken, der aber auch von der Post betont wird: Auch bei Yellowbill ist die Übernahme von BSP-, CSP- und PSP-Aufgaben durch externe Quellen möglich.
KVB-Kunden sind privilegiert: Die Winterthurer KBV, im Schweizer Gesundheitswesen ein mittelgrosser Versicherungesanbieter, gibt als erste und derzeit noch einzige Krankenversicherung die Möglichkeit, Rechnungen via Yellowbill zu bezahlen. Wir haben den CIO Thomas Müller zur Einführung der neuen Zahlungsoption befragt.
Herr Mülller, wie ist die KBV auf Yellowbill gekommen?
Die PostFinance ist aktiv auf uns zugekommen - wir haben dann relativ rasch zugesagt, da wir schon lange nach einer entsprechenden Lösung gesucht hatten. Die Idee war ursprünglich, dass Kunden, die bisher den Direkteinzug via LSV oder Debit Direct gewählt hatten, zu Yellowbill wechseln, weil sie damit mehr Kontrolle über die Zahlungen erhalten. In der Praxis sieht es aber anders aus: Die meisten Yellowbill-Kunden haben vorher normal übers gelbe Konto gezahlt; nur 2 Prozent sind ehemalige Debit-Direct-Nutzer.
Wie steht Yellowbill im Vergleich mit den anderen Zahlungsarten da?
Wir stehen natürlich erst am Anfang - Yellowbill wurde im August 2002 eingeführt und wird bis heute von 350 Kunden genutzt. Unser erstes Ziel waren 100 Kunden bis Ende 2002 - das haben wir erreicht. Bis Ende dieses Jahres möchten wir 1000 Kunden, die Yellowbill nutzen, und wir sind auf gutem Weg dahin. Mit dem geplanten Wachstum ist der ROI nach etwa zwei Jahren erreicht. Angesichts ihrer insgesamt 120'000 Kunden scheint die Yellowbill-Quote denn doch etwas gering. Man darf nicht vergessen, dass auch andere Zahlungsverfahren wie die EC-Karte nur sehr langsame Akzeptanz fanden. Das LSV zum Beispiel nutzen heute, nach jahrelangen Marketing-Anstrengungen, 30 Prozent der Kunden. Für uns als mittelgrosse Krankenkasse ist die Einführung auch eine Marketing-Investition: Wir sind die erste Krankenversicherung mit Yellowbill-Option; das hat uns einiges an Publizität verschafft.
Wie sind sie bei der Einführung vorgegangen?
Nach den Vorgesprächen wurden die Schnittstellenspezifikationen in zwei Sitzungen zwischen den Technikern von PostFinance und KBV definiert und parallel dazu die betriebsorganisatorischen Abläufe erarbeitet. Nach dreieinhalb Monaten folgten erste Testrechnungen; nach vier Monaten ging Yellowbill in Produktion. Zur Gesamtdauer ist zu bemerken, dass die Einführung parallel zu anderen Projekten lief. Yellowbill ist eines der wenigen IT-Projekte, die innerhalb des geplanten Zeitrahmens abgewickelt werden konnten.
Gab es Probleme bei der Verbindung Ihrer Software mit Yellowbill?
Wir haben zwar keine Standardsoftware im Einsatz, sondern eine mit eigenentwickelten Zusätzen erweiterte Lösung namens MHCS, die sonst nur von HMO-Praxen eingesetzt wird. Dennoch war das einzige Problem die grafische Gestaltung der Online-Rechnung, die dem Kunden präsentiert wird: Sauber dargestellte Logos sind im Web offenbar keine Selbstverständlichkeit. Mit der XML-Schnittstelle ging alles reibungslos, obwohl XML für uns eine relativ neue Technologie darstellte, die wir zuvor in einem anderen Bereich erst einmal eingesetzt hatten. Das Yellowbill-Projekt war für uns auch eine Bestätigung, dass wir XML im Griff haben und gewinnbringend einsetzen können.
Wie werden die Daten zwischen KBV und Yellowbill übermittelt?
Die Rechnungsdaten werden in MHCS generiert; die E-Bills dann im Lauf der üblichen monatlichen Fakturierung via verschlüsselte Verbindung übermittelt. Der Transfer geschieht also nicht realtime, sondern in vorgeplanten Intervallen.
Wie sieht die EBPP-Lanschaft in Zukunft aus - nach der Post mit Yellowbill wollen ja auch die Banken mit Paynet eine Lösung anbieten ...
Wie bei LSV und Debit Direct sehe ich hier ein duales System. Auch beim E-Billing wird es langfristig zwei Lösungen geben: Beide Anbieter sind so gross, dass wir sie unterstützen werden. Damit sich E-Billing durchsetzt, braucht es aber noch einiges an Aufklärungsarbeit, wie verschiedene Kundenkontakte zeigen. Wir müssen klarmachen, dass EBPP nicht nur uns das Ausstellen der Rechnungen erleichtert, sondern auch dem Kunden Vorteile bringt.