Intranet ab vierzig Dollar pro Monat

Build or rent? Intranet-Hosting genügt funktional den Ansprüchen vieler KMU, hat aber deutliche Grenzen und Einschränkungen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/05

     

Intranet - viel zu teuer!" Das Argument vieler Kleinunternehmen hat etwas für sich: Hardware, Software, Entwicklung und Unterhalt eines firmeneigenen Intranet-Portals bringen erheblichen Kosten- und Arbeitsaufwand mit sich. Sowohl die reinen Lizenzpreise für den Sharepoint Portal Server von Microsoft (über 5000 Dollar für 5 Clients) als auch die Angebote von Consulting-Unternehmen für die Entwicklung einer einfachen Intranet-Lösung (Beispiel: statisches Portal für 20 User ab 5000 Franken, dynamische Variante ab 15'000) zeigen, dass die interne Firmenkommunikation preislich kein Pappenstiel ist. Ein Betrieb mit fünf, zehn oder zwanzig Mitarbeitern überlegt sich gründlich, ob man nicht doch lieber bei der gedruckten Weisung und beim Anschlagbrett im Pausenraum bleibt.


Gratis-Intranet ein Flop

"Intranet - viel zu teuer: falsch!" So argumentieren verschiedene Provider, die standardisierte Intranet-Lösungen im ASP-Verfahren anbieten. Die Mainplayer der Hosted-Intranet-Szene heissen Intranets.com und Microsoft bCentral; dazu kommt Terra Lycos, wo die Intranets.com-Lösung mit identischen Features und Preisen unter dem Label "Premium Communities" zu haben ist.



Am Anfang war das Angebot von Intranets.com, eine der Marken von Idealab.com, die unter anderem auch für den gescheiterten Online-Shop eToys verantwortlich war, völlig gratis. Der Service sollte sich durch Bannerwerbung finanzieren. Das hat aber nicht geklappt. Weder arbeiteten die angemeldeten Benutzer gerne mit den werbeinfizierten Seiten, noch vermochten die Werbeeinnahmen die Kosten zu decken. Bei der Benutzerakzeptanz dürfte auch das Motto "gratis ist nichts wert" eine Rolle gespielt haben.





Kostenpflicht funktioniert

Im Frühjahr 2001 schwenkte man deshalb auf ein Businessmodell mit optionalen kostenpflichtigen Premium Services um. Heute existiert nur noch die bezahlte Variante: Bis zu fünf User können das gehostete Intranet-Portal, das sich laut Anbieter in drei Minuten aufsetzen lässt, für knapp 50 Dollar pro Monat nutzen. Neben Standardfunktionen wie Kontakte, Kalender, Instant Messaging und Document Sharing umfasst das Angebot auch Features wie Spesen- und Leistungsabrechnung, Inventarverwaltung sowie die Möglichkeit, frei konfigurierbare Datenbanken einzurichten. Von den rund 400'000 Teilnehmern des Gratis-Angebots haben sich bisher immerhin 140'000 für den Paid-Service entschieden; Intranets.com bezeichnet sich als weltweite Nummer eins im Providing von Online-Kollaborationslösungen. Die Zahlen sind auf den ersten Blick beeindruckend, im Verhältnis zum potentiellen Gesamtmarkt aber doch eher gering.



Mit der seit Juni 2001 erhältlichen Hosting-Variante der Sharepoint Team Services erwächst Intranets.com Konkurrenz. Microsoft bietet in etwa die gleichen Dienstleistungen an, die im Rahmen der bCentral-Site neben anderen Produkten CRM, E-Mail-Marketing, Bannerwerbung und E-Commerce erhältlich sind und auch von diversen Hosting-Partnern offeriert werden. Die Sharepoint Team Services mit Sharing, Routing und Workflow für Dokumente, mit Diskussionsboards, Kalender, Kontaktdatenbank und Online-Umfragetools kosten pro Monat 40 Dollar für 10 User.





Intranet-Grundfunktionen

Was darf man von einem Hosted-Intranet erwarten? Intranets.com und Microsoft bieten in ihrem Mietpaket einen vergleichbaren Satz von Grundfunktionen:




Document Sharing: Dokumente aller Art können auf dem Server gespeichert und den Teilnehmern je nach Berechtigung mit Lese- oder Schreibzugriff zugänglich gemacht werden. Die Microsoft-Lösung bietet zusätzlich Versionskontrolle und regelbasierte Workflow-Optionen; bei Intranets.com gibt es einen einfachen Check-In/Out-Mechanismus.





Agenden: Allgemein zugängliche und private Agenden erlauben die Verwaltung von persönlichen und Gruppenterminen; die involvierten Mitarbeiter erhalten zum gewünschten Zeitpunkt automatisch einen Reminder per E-Mail.




Aktivitäten: To-do-Listen, deren einzelne Punkte sich beliebigen Teilnehmern zuordnen lassen. Auch hier werden die betroffenen User auf Wunsch per Mail benachrichtigt. Die Tasks können zudem verschiedenen Projekten zugeordnet werden - einfache Projektverwaltung inklusive.




Online-Diskussionen: Gedanken- und Informationsaustausch im Stil der bekannten Online-Foren. Der Zugriff lässt sich pro Thema auf bestimmte User eingrenzen, so dass neben allgemeinen auch Gruppen- und Zweierdiskussionen möglich sind.




Kontakte: Adressdatenbank mit simplen CRM-Möglichkeiten; bei Intranets.com beispielsweise umfasst jeder Eintrag eine Kontakt-History - allerdings nur, wenn alle Telefongespräche, Meetings und Korrespondenzen explizit in der Kontaktdatenbank definiert werden.




Ankündigungen: Firmennews und andere Neuigkeiten werden direkt auf der Einstiegsseite angezeigt.




Online-Polls: Umfragen an alle oder selektierte Teilnehmer mit beschränkter oder offener Dauer und laufender Anzeige der Resultate. Dabei sollte garantiert sein, dass jeder Teilnehmer nur einmal abstimmen kann.




Datenbanken: Mit dem integrierten Database Manager von Intranets.com lassen sich einfache Datenbanken erstellen und verwalten. Auf dieser Basis funktionieren auch die mitgelieferten Anwendungen Issue Tracker/Helpdesk, Knowledge Base, Time Sheets und Asset Management. Möglich sind sogar einfache relationale Joins sowie die Integration von Daten auf den übrigen Applikationen wie Kontakte und Kalender.




What's New: Neuigkeiten wie seit dem letzten Login hinzugekommene Dokumente, User und Diskussionsbeiträge werden automatisch auf der Einstiegsseite angezeigt.



Sämtliche Funktionen sind gemäss der Natur eines Intranet von jedem Webbrowser aus zugänglich - mit Ausnahmen. Der Rich-Text-Editor, mit dem Announcements und andere Textbeiträge redigiert werden, funktioniert ausschliesslich unter Windows - Mac- und Linux-User bleiben aussen vor und können den Content bloss ansehen.


Pro und Contra Intranet-Hosting

Die Anbieter gehosteter Intranets preisen ihre Produkte in den höchsten Tönen. Intranets.com führt in einem White Paper sechs Gründe an, die gegen den Eigenbau und für die Hosting-Variante sprechen:




Kosten: Ein konventionelles, selbst betriebenes Intranet ist mit Anschaffungskosten von mindestens 15'000 Dollar verbunden; die Unterhaltskosten sind nicht im Voraus zu bestimmen. Dem gegenüber steht die fixe Abonnementsgebühr der Hosting-Lösung, die auch Maintenance, Upgrades und Backup abdeckt.





Zeit: Während firmeneigene Intranet-Projekte durchschnittlich eine Entwicklungszeit von 6 bis 9 Monaten beanspruchen und oftmals gar nicht zu Ende gebracht werden, ist der Setup eines Hosted-Intranet in drei Minuten erledigt.




Manpower: Interne Intranets belegen für Entwicklung und Betrieb mehrere IT-Mitarbeiter und lenken vom Kerngeschäft ab. Mit einer Hosted-Lösung bleiben die internen Ressourcen frei.




Maintenance: Unterhalt, Backup und Überwachung liegen voll in der Verantwortung des Betreibers - rund um die Uhr das ganze Jahr lang. Firmen ohne eigene IT-Abteilung sind hier überfordert und überlassen die Maintenance besser einem Hoster.




Support: Auch das beste Intranet muss gut dokumentiert sein; die User brauchen Hilfe und Schulung. Eine Hosted-Lösung enthält ein umfassendes Hilfesystem; darüber hinaus steht rund um die Uhr der Kundenservice mit Direktdialog und schneller Antwortzeit zur Verfügung.




Integration: Oft werden beim konventionellen Intranet bestehende Anwendungen irgendwie zusammengewürfelt. Ein Hosted-Intranet besteht aus einer integrierten Suite von Anwendungen mit einheitlicher Oberfläche.



Soweit die Worte der Anbieter. Bekanntermassen ist jedoch nicht alles Gold, was glänzt - und das gilt auch für die Intranets aus der Dose. Der Haupteinwand: Wie bei allen ASP-Lösungen gibt man mit dem Hosting der Applikationen, vor allem aber der erfassten Informationen, die Kontrolle aus der Hand. Die Anbieter bemühen sich zwar mit dem Hinweis auf bestens geschützte Data Center und vertrauenswürdigstes Personal, das Intranet-Hosting als absolut sichere, dem firmeneigenen Server ebenbürtige Variante zu positionieren. Dennoch stellen sich verschiedene Fragen, die man bei der Evaluation erwägen sollte:




• Wie vertraulich sind die Informationen? Einem Verein stellen sich andere Sicherheitsanforderungen als einem High-Tech-Unternehmen, das die aktuellen Forschungsprojekte auf dem Intranet diskutiert.




• Wie zuverlässig ist das Internet? Die Hosting-Server stehen in den USA und sind nur zugänglich, wenn die Internetverbindung reibungslos funktioniert. Bei Staus oder Ausfall des Anschlusses steht das Intranet nicht zur Verfügung.




• Wie sicher ist die Verbindung? Genügt die simple HTTP-Sicherheit, oder braucht es mehr Security? In diesem Zusammenhang befremdet es sehr, dass Intranets.com die eigentlich selbstverständliche Verschlüsselung des Datenverkehrs via SSL nur gegen eine happige Zusatzgebühr von 300 Dollar pro Jahr leistet. Wer diese Option nicht bucht, kommt bloss über eine ungesicherte Verbindung ans Intranet und muss sich mit dem unzulänglichen Schutz per Passwort und User-ID begnügen. Security auf VPN-Niveau gibt es nicht.




• Wie umfangreich ist das Intranet? Die Anbieter selbst positionieren ihre Lösungen für kleinere Unternehmen ab 5 bis 10 Mitarbeiter; Intranets.com setzt die Obergrenze bei 1000 Teilnehmern. Dann steigen die Gebühren allerdings auf ansehnliche 3000 Dollar pro Monat - und damit lässt sich auch ein eigener Intranet-Server betreiben. Ähnliches gilt für den Speicherplatz: In der Grundversion sind 100 Megabyte inbegriffen; danach wird es mit jährlich 60 Dollar für 25 MB, 200 Dollar für 100 MB oder 1000 Dollar für ein Gigabyte recht teuer. Noch eingeschränkter sieht es bei Microsoft aus: Die bCentral Sharepoint Team Services gibt es ausschliesslich für 10 User; eine Erweiterung der Anzahl Benutzer und die Option auf mehr Diskplatz werden erst für die "near future" in Aussicht gestellt.




• Wie wichtig ist die Sprache? Intranets.com und bCentral sind US-basierte Angebote mit englischer Benutzeroberfläche, die teilweise sogar Mühe mit Umlauten haben. Wer auf sauberes Deutsch oder Französisch angewiesen ist, kommt mit beiden Plattformen nicht weit. Die US-Basis wirkt sich auch auf die Zahlungsmodalitäten aus; Kunden ausserhalb der USA können ohne happige Scheckgebühren nur per Kreditkarte zahlen.




• Welche Bedeutung hat die Corporate Identity? Die Gestaltung eines Hosted-Intranet lässt sich zwar in Grenzen anpassen: Man hat die Wahl zwischen verschiedenen Farbschemata und kann das eigene Firmenlogo und eine selbsterfundene Begrüssung auf der Einstiegsseite plazieren. Etwas weiter geht der Microsoft-Service, der auf Frontpage-fähigen Servern betrieben wird: Hier lassen sich die Seiten mit dem Frontpage-Editor etwas individueller umgestalten. Eine vollständig individuelle Gestaltung ist aber genauso wenig möglich wie bei Intranets.com.


Kein Enterprise-Portal

Ein weiterer Punkt: Wie eng muss das Intranet mit dem Rest der Unternehmens-IT integriert werden? Sowohl Intranets.com als auch bCentral Sharepoint zeigen deutliche Grenzen bei Gestaltung und Funktionalität. Zwar lassen sich die Elemente der im Portalstil aufgebauten Einstiegsseite verschieben; das Erscheinungsbild der einzelnen Objekte - im Jargon der Portalhersteller "Portlets" oder "Gadgets" genannt - ist jedoch fix.



Dies gilt ebenso für die Auswahl der angebotenen Portlets: Im Gegensatz zu einem ausgewachsenen Enterprise-Portal lassen sich zusätzliche Unternehmensanwendungen nicht direkt ins Intranet integrieren, sondern nur per Link aufrufen. Eine Anwendung muss dazu bereits über ein Web-Interface verfügen; Komponenten wie den Portlet-basierten Zugang zu ERP-Anwendungen gibt es bei den Hosted-Intranets nicht.





Gratis-Angebote unbrauchbar

Neben dem auf KMU zugeschnittenen kostenpflichtigen Intranet-Hosting zählt das Web nach wie vor auch diverse kostenlose Dienste mit ähnlichen Funktionen. Dazu gehören zum Beispiel die Yahoo Groups, die MSN Communities oder die Clubs von Lycos. Wir meinen, dass die Gratis-Dienste für Business-Zwecke nicht geeignet sind:




• Die Gratis-Communities sind, ausser einem Text und einem Bild auf der Einstiegsseite, überhaupt nicht anpassbar. Der Benutzer ist vollumfänglich auf die vorgegebene Gestaltung beschränkt.





• Groups und Clubs sind voll mit teilweise äusserst störender Werbung - Banner, Popups und Interstitials sind die permanente Regel.




• Das gesamte Erscheinungsbild inklusive der Instruktionen und Texte auf den Seiten sind auf Privatanwender zugeschnitten.




• Das Umfeld ist wenig businesslike: Die Mehrzahl der bereits existierenden Communities befasst sich mit Themen zwischen Hobby und Pornografie - für die meisten geschäftlichen Anwender nicht die beste Adresse.




Übersicht: Hosted Intranets im Vergleich



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