Computergestützte Zusammenarbeit
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/07
Allein das nicht ganz aktuelle und trotz anderweitigem Anspruch auch nicht vollständige «Comprehensive Web Collaboration Software Directory» unter capterra.com führt 127 Produkte für die Web-gestützte Zusammenarbeit im virtuellen Team auf. Es gibt wohl kaum eine Softwarekategorie mit derart unterschiedlichen Produkten: «Collaboration Tools», «Web Collaboration Software», «Virtual Team Rooms», «Groupware», «Project Workspaces» und diverse andere Oberbegriffe fassen vom Instant-Messaging-Client bis zur umfangreichen multifunktionalen Programmsuite Software mit teils völlig inkongruenten Feature-Sets zusammen.
Das Hauptargument der Anbieter solcher Lösungen: Dank ihrer Software soll die Zusammenarbeit im Team effizienter, einfacher, angenehmer werden. Im Fokus stehen dabei projektbezogen zusammengestellte Arbeitsgruppen, deren Mitglieder ihre Aktivitäten nicht notwendigerweise am selben Ort, zur selben Zeit und im selben Unternehmen entfalten. Die Kollaborativsoftware unterstützt diese Art von Teamwork mit verschiedenen Mechanismen, die je nach Produkt in unterschiedlicher Kombination implementiert sind: Zwar gleichen sich auf der einen Seite die generellen Möglichkeiten vieler Lösungen, andererseits gibt es aber kein einziges Feature, das ausnahmslos in sämtlichen Produkten enthalten ist.
Eine konsistente Marktübersicht lässt sich aufgrund der riesigen Anzahl Produkte praktisch unmöglich zusammenstellen. Wir konzentrieren uns im folgenden auf multifunktionale Lösungen, die mindestens zwei Kernfunktionen erfüllen:
- Projektbezogene Arbeitsräume: Dokumente, Nachrichten, Kontaktinformationen, Termine, Anmerkungen und alle anderen elektronisch erfassbaren Mittel, die für die Zusammenarbeit benötigt werden, lassen sich in einem virtuellen Workspace verwalten, der für die jeweiligen Projektmitarbeiter jederzeit zugänglich ist. Die ausgefuchsteren Systeme lassen rollenbasierte und individuell festgelegte Zugriffsrechte bis zur Ebene einzelner Dokumente zu, die einfacheren Produkte granulieren die Zugriffsrechte bloss pro User und Projekt. Nicht am Projekt beteiligte Personen, die nicht von einem Projektmitglied freigeschaltet werden, haben keinen Zugriff auf die Inhalte. Ebenfalls essentiell: Ein projektbezogener Arbeitsraum muss zumindest rudimentäre Projektmanagement-Funktionen wie Termin- und Aufgabenverwaltung bieten.
- Unterstützung für asynchrone Kommunikation: Kollaborativsoftware kann durchaus Kommunikationsmittel für gleichzeitig anwesende Teammitglieder anbieten. Dazu gehören Instant Messaging, Text- und Audio-Chats, Whiteboards zur synchronen Arbeit an Dokumenten, Screen Sharing und Remote Control, Telefon- und Videokonferenzen. Besonders für die angezielten virtuellen Teams, die nicht nur räumlich, sondern typischerweise auch zeitlich getrennt arbeiten, sind Funktionen für die asynchrone Zusammenarbeit jedoch mindestens so wichtig. Die Einbindung von E-Mail oder ein integriertes äquivalentes Messaging-System, Diskussionsforen und Online-Umfragen unterstützen die Teamarbeit auch, wenn die Teammitglieder nicht gleichzeitig online sind. Bei vielen Lösungen steht zudem eine thematisch organisierbare Dokumentenablage mit Suchfunktion, Versionierung und Check-in/out-Mechanismus im Zentrum der Funktionalität.
Der Online-Anbieter 37signals ist eine der bekanntesten «Web-2.0-Firmen». Basecamp ist als Projektmanagement-Anwendung konzipiert und bietet neben File-Sharing, Messaging, Aufgabenlisten und Diskussionsforen eine recht gute Projektverwaltung mit Projektübersicht (aber ohne die klassischen Gantt-Charts), Milestones und iCalendar-Schnittstelle zur Synchronisation mit kompatiblen Calendaring-Systemen wie Mozilla Calendar und Apples iCal. Mit der Time-Tracking-Funktion erfassen die einzelnen Projektmitarbeiter ihren Arbeitsaufwand; die erfassten Aufwände lassen sich als CSV-Tabelle exportieren. Basecamp-Abonnenten erhalten überdies Zugang zu einem anderen Dienst von 37signals: «Writeboard» erlaubt die gemeinsame Web-basierte Arbeit an Textdokumenten und bietet Versionierung, Rollback und Vergleichsfunktionen.
Die Grundidee des Schweizer Herstellers Adarvo: Die für ein Projekt benötigten Dokumente sollten nicht nach dem physischen Standort auf der Harddisk, sondern thematisch gegliedert zugänglich sein. Rund um dieses Konzept bietet Themeware komplette Groupware-Funktionalität; eine Projektverwaltung mit Milestones fehlt allerdings. Durch Integration der Screen-Conferencing-Lösung von Netviewer ermöglicht Themeware auch Konferenzen in Echtzeit. Der Java-basierte Client läuft auf Windows und Mac OS X, ausserdem ist eine Version für BlackBerry-PDAs erhältlich. Neben dem abonnierbaren Online-Service bietet Adarvo den Themeware-Server auch zur unternehmensinternen Installation an.
Ebenfalls aus der Schweiz stammt der «heimliche Groove-Nachfolger», der zudem nicht nur unter Windows läuft und sich kostenlos nutzen lässt: Die Java-Anwendung Workplace konzentriert sich auf die klassischen Groupware-Funktionen sowie Instant Messaging und erlaubt die Einrichtung beliebig vieler projektspezifischer Arbeitsbereiche, kommt aber ohne zentralen Server aus. Alle Daten werden nach dem Peer-to-Peer-Prinzip auf den PCs der Projektteilnehmer gehalten. Neue Teilnehmer lädt man über eine Invite-Funktion per E-Mail zum Herunterladen der Anwendung und zur Anmeldung am jeweiligen Projekt-Workspace ein.
Der Webdienst des gleichnamigen US-Anbieters ist der Spezialfall in unserer Übersicht: Als einziges Produkt bietet Conceptshare nicht die übliche Groupware-Funktionalität mit Kalender, Kontaktverwaltung und Konsorten. Der Dienst hat vielmehr eine einzige, genau definierte Funktion: Ein oder mehrere Designer stellen grafische Entwürfe in den Workspace, die dann von den anderen Teilnehmern kommentiert und mit Text- und Grafikanmerkungen versehen werden. Conceptshare unterstützt dabei sowohl asynchrone als auch synchrone Kommunikation: Sind die Teilnehmer gleichzeitig online, werden die Annotationen in Echtzeit nachgeführt und es steht ein Text-Chat zur Verfügung. Das mehrstufige Preismodell lässt bei den teuersten Varianten Business und Enterprise das Branding der Workspaces mit eigenem Logo zu und erlaubt den Import von Dateien im DWG-Format.
Das EMC-Produkt eRoom entstammt der zugekauften Enterprise-Content-Management-Sparte Documentum; EMC hat die Software auf den KMU-Bedarf angepasst und offeriert sie zu recht günstigem Preis. Die Projektmanagement-Funktionalität ist ausgereifter als bei manchen anderen KMU-gängigen Kollaborativprodukten. eRoom bietet zum Beispiel eine projektübergreifende Sicht auf Aufgaben und Events, die in verschiedenen Arbeitsräumen angelegt wurden. Auch der in eRoom integrierte Workflow-Mechanismus mit mehrstufigen Genehmigungsabläufen für Dokumente fehlt bei den anderen KMU-Lösungen.
Wie Microsoft bietet auch IBM in seiner «Express»-Produktelinie mehrere für KMU geeignete Kollaborationslösungen. Dazu gehören die KMU-Variante von Lotus Domino (Lotus Domino Collaboration Express) mit voller Groupware-Funktionalität und die Workplace Services Express, eine neuere Collaboration- und Document-Management-Lösung mit Schnittstellen zu Lotus Notes und Microsoft Exchange. Für unsere Übersicht hat die Schweizer IBM-Niederlassung ein anderes Produkt ausgewählt: Die Express-Ausgabe des Websphere Portal Server ermöglicht auf relativ preisgünstiger Basis den Aufbau eines Intranet-Portals mit Einbindung externer Lösungen für Dokumentenmanagement und Directory-Dienste und Portlets für Calendaring, Aufgabenverwaltung und Diskussionsforen.
Die PHP/SQL-Datenbank-basierte Open-Source-Suite PHProjekt steht stellvertretend für eine ganze Reihe von freien Groupware- und Projektmanagement-Systemen wie Opengroupware, dotProject, Tutos oder Moregroupware. PHProjekt bietet ziemlich vollständige Groupware-Funktionen unter einer einigermassen geniessbaren Oberfläche, was auf vergleichbare Open-Source-Lösungen nicht immer uneingeschränkt zutrifft. Die Projektmanagement-Features sind brauchbar, PHProjekt bietet unter anderem Milestones, Gantt-Charts und ausgereiftes Calendaring. Das naturgemäss kostenlose Produkt lässt sich bei jedem ordentlichen Webhoster installieren; einzige Voraussetzungen sind Support für PHP und eine SQL-Datenbank wie mySQL.
Microsoft kümmert sich seit längerem um die Zusammenarbeitsbedürfnisse seiner Kunden: Die Sharepoint Services und der Sharepoint Server sind seit der 2003er Generation Bestandteil von Microsofts Collaboration-Konzept. Neben dem stark ausgebauten Sharepoint Server 2007 und den ebenfalls erweiterten im Betriebssystem integrierten Sharepoint Services bieten die Redmonder auch eine weiterentwickelte Version der vom gleichnamigen Unternehmen übernommenen Peer-to-Peer-Lösung Groove Virtual Office an. Hervorstechendstes Merkmal ist die sehr enge Integration mit anderen Office-Komponenten wie Sharepoint Server und InfoPath. Office Groove 2007 ist separat erhältlich, aber auch in der Ultimate- und Enterprise-Ausgabe von Office 2007 enthalten. Zur Verwaltung einer grossen Groove-Population dient der optionale Groove Server. Wie die Ur-Version läuft auch die Microsoft-Variante von Groove ausschliesslich auf Windows-Systemen.
Der Produktname steht für «Basic Support for Cooperative Work», die Software wird von einem Spin-off-Unternehmen des deutschen Fraunhofer-Instituts für angewandte Informationstechnik vermarktet. In der neuesten Version geht die Funktionalität des Shared-Workspace-Systems weit über «Basic»-Features hinaus: Das Produkt unterstützt zum Beispiel Online-Umfragen, bietet Zugang über PDAs und Smartphones und ermöglicht es, per E-Mail-Link externen Benutzern temporär Zugriff auf projektinterne Dokumente zu gestatten.
Dieses Erzeugnis eines Start-up-Unternehmens von Absolventen der bekannten Berkeley-Universität ist der zweite Exot in unserer Tabelle: Wie Conceptshare basiert der Webclient auf Flash. Im Gegensatz zu Conceptshare bietet Vyew jedoch etwas vollständigere Groupware-Funktionen, so ist zum Beispiel eine Dokumentenablage integriert. Ausgereifte Calendaring- und Kontaktverwaltungsfunktionen fehlen allerdings, denn im Zentrum steht eine ausgewachsene Whiteboard-Anwendung, mit der die Teilnehmer simultan an einem Grafik- und Textdokument arbeiten können. Vyew erlaubt ausserdem Desktop-Sharing und bietet eine Screenshot-Funktion sowie einen Text-Chat mit automatischer Sicherung der Messages. Auch sämtliche Änderungen in den Dokumenten werden persistent gesichert. Statt projektbezogener Arbeitsräume setzt Vyew auf sogenannte «Vyewbooks», mit denen sich verschiedene erstellte Seiten thematisch zusammenfassen lassen; ein User kann je nach dem gewählten Abonnement beliebig viele Vyewbooks erstellen. Über eine Plug-in-Schnittstelle lassen sich zusätzliche Funktionen implementieren.
Der gehostete Groupware-Dienst von Webex bietet neben den üblichen Funktionen wie Dokumenten-, Kontakt-, Termin- und Aufgabenmanagement, Mitteilungen, Diskussionsforen und Umfragen auch einige ungewöhnliche Features. Mit der Funktion «Spesenabrechnung» lassen sich die Auslagen individuell durch die Mitarbeiter erfassen, zentral verwalten und in Form übersichtlicher, genehmigungstauglicher Spesenberichte ausdrucken. Sehr interessant ist der Datenbank-Manager, mit dem man ohne Programmierung eigene übers Web abrufbare Datenbanken inklusive Berechnungsfeldern, Suchfunktion und Reports erstellt. Die Hosting-Preise richten sich nach der Anzahl Teilnehmer und dem benötigten Speicherplatz.
Eine Besonderheit der Kollaborativlösung von Zimbra: Die Serverseite der Web-basierten Groupware-Lösung läuft nicht unter Windows, sondern auf Linux- und Mac-OS-X-Systemen. Auf dem Client macht Zimbra ausgiebigen Gebrauch von AJAX; der Zimbra-Webclient gilt geradezu als Musterbeispiel einer AJAXifizierten Webanwendung. Neu bietet Zimbra auch den ebenfalls AJAX-basierten Offline-Client «Zimbra Desktop» an, der momentan in einer Betaversion für Windows, Mac OS X und Linux erhältlich ist. Der Mobilclient «Zimbra Mobile» unterstützt Push-Mail und Synchronisation ohne Zusatzsoftware auf Windows-Mobile-Geräten, BlackBerrys und Smartphones aus Nokias E-Serie. Funktional entspricht Zimbra einer klassischen Groupware-Lösung mit Messaging im Zentrum. Über sogenannte Zimlets lassen sich externe Informationsquellen anbinden und Mashups erstellen. Die Zimbra Collaboration Suite ist als Open-Source-Lösung oder in zwei kostenpflichtigen Network Editions erhältlich – Suche in Attachments, Synchronisation und verschiedene Skalierbarkeits- und Hochverfügbarkeitsfeatures sind in der Open-Source-Variante nicht enthalten.
Software für die Zusammenarbeit im Team: Eine Auswahl von zwölf Lösungen
In der Studie «Managing Virtual Projects, a Benchmark Study of Collaboration Tools» definierten Autoren rund um Professor Bernhard Katzy vom Center for Technology and Innovation Management der Uni München schon vor einigen Jahren einen konzeptuellen Rahmen fürs Management virtueller Projekte. Eine wichtige Beobachtung: Projekte, die das typische Einsatzgebiet von Kollaborativsoftware darstellen, sind meist zeitlich beschränkt und nutzen Ressourcen aus verteilten Standorten und Organisationen. Die Studie nennt drei Bereiche, die von IT-Unterstützung profitieren können: Überbrücken zeitlicher und örtlicher Hindernisse, Ersetzen spezifischer, für Einzelfälle entwickelter Prozesse und Aufgaben durch generalisierte und automatisierte Mechanismen sowie die Erfassung und Nutzung des Wissens, das sich in der Organisation ansammelt. Eine geeignete Kollaborativlösung sollte demnach neben den üblichen Routineaufgaben wie Projektplanung, Zuteilung von Ressourcen, Überwachen von Milestones und Reporting auch nicht routinemässige Aktivitäten wie Austausch von Ideen, Aushandeln der Vorgehensweise, Konfliktlösung und Fällen von Entscheidungen unterstützen. Dies gilt, so die Studie, in allen vier Phasen eines Projekts: Zusammenstellen von Projektteam und Ressourcen (Initiation), detaillierte Projektplanung mit Budgetierung, Aufsetzen und Delegieren der einzelnen Aufgaben (Configuration), Umsetzung (Operation) und Projektabschluss (Completion). Die Studie stellt fest, dass die meisten Routineaufgaben durch die gängige Kollaborativsoftware gut unterstützt werden. Oft kommen dabei auch entsprechende Lösungen zum Einsatz. Ebenso oft werden jedoch auch für diese Routineaufgaben herkömmliche Kommunikationsmittel genutzt, allen voran E-Mail. Bei nicht routinemässigen Aufgaben, besonders Brainstorming und Entscheidungsfindung, wird meist ein Meeting mit persönlicher Anwesenheit aller Teilnehmer oder allenfalls eine Telefonkonferenz einberufen. Nur selten werden dazu die Audio- und Video-Conferencing- sowie Whiteboard-Funktionen einer Kollaborativsoftware genutzt. Das war vor einigen Jahren so und hat sich in der Zwischenzeit in den meisten Unternehmen nicht signifikant geändert.
(ubi)