Lange verkörperte Microsoft mit seinem Software-Monopol das Böse, während Google für das Gute stand. In letzter Zeit werden aber vermehrt kritische Stimmen laut, vor allem von Seiten der Datenschützer, die erste Zweifel an dieser Darstellung aufkommen lassen. Mit seinem eigenen Browser Chrome hat Google nun selbst dazu beigetragen, dass das altbekannte Weltbild weiter ins Wanken gerät.
Die Begeisterung für Chrome war anfangs so gross, dass der Google-Browser in nur 24 Stunden einen Marktanteil von drei Prozent erreichte – zumindest gemäss den Zahlen des US-Webanalyse-Spezialisten Clicky, der dazu die Daten von 45’000 Webseiten auswertete. Doch ebenso rasch, wie die Jubelschreie laut wurden, verstummten sie wieder. Einen ersten Dämpfer versetzten dem Browser Sicherheitslücken, die nur kurz nach seiner Lancierung auftauchten.
Doch was Chrome und vor allem auch Googles Image weit mehr geschadet haben dürfte, sind die Nutzungsbestimmungen. Google sammelt nämlich fleissig die Daten der Anwender. Und auch die Rechte an ihren Inhalten traten die Nutzer in der ursprünglichen Fassung der Bestimmungen an Google ab. Als die Protestrufe immer lauter wurden, krebste Google schliesslich zurück und änderte die absurden
Nutzungsbestimmungen. Die Urheberrechte bleiben nun beim Urheber, so wie es sich gehört.
Was aber in der ganzen Diskussion um Datenschutz und Sicherheitslücken beinahe untergeht, sind die wahren Absichten von Google. CEO Eric Schmidt gibt sich zwar gerne als Underdog, der mit Chrome einzig versucht, den übermächtigen Rivalen Microsoft in Schach zu halten. Der Software-Gigant versuche nämlich, so ist Schmidt überzeugt, das Internet mit unterschiedlichen Diensten in tausende Teile zu zersplittern. Google wolle diese «Balkanisierung» des Internets verhindern.
Wer genauer hinschaut, merkt aber bald, dass dies nur die halbe Wahrheit ist. Unter dem Deckmantel von Cloud Computing will Google alle Services und Applikationen auf eine virtuelle Basis verlagern, Anwendungen sind einfach zu haben und dies zu Spottpreisen oder gar kostenlos. Microsoft mit seinem Lizenzmodell dürfte über diese Entwicklung wenig erfreut sein. Mit Chrome will Google also den Erzfeind loswerden und füllt eine der wenigen Lücken in seinem Aufstieg zum alleinigen Beherrscher des Internets.
Dabei ist Googles Aufwärtsdrang keineswegs mit Microsofts altem Monopol zu vergleichen, wo Konkurrenz aggressiv bekämpft wurde und Anwender überhöhte Preise bezahlen mussten. Googles Machthunger geht viel weiter, es geht um die Beherrschung des Informationsflusses, bedroht also nicht nur die Wirtschaft, sondern auch Politik, Kultur und das Private. Microsoft verkaufte seine Pakete und machte sich so breit. Diese Möglichkeit fehlt
Google, weshalb der Suchmaschinen-
gigant nun versucht, sich durch die Hintertüre einzuschmuggeln. Dies würde eigentlich ganz gut funktionieren, wenn Google nicht die eigenen Fehler in die Quere kommen würden. Bislang tolerieren die Anwender dieses Verhalten. Die Frage ist, wie lange der Suchmaschinenprimus seine wahren Absichten noch als Verteidigungsstrategie gegen das vermeintlich Böse tarnen kann.
(abr)