Als Microsoft vor knapp einem Monat bekanntgab, dass das kommende Betriebssystem ganz simpel und einfach Windows 7 heissen wird, war man sich noch nicht bewusst, dass neben dem Namen auch das Produkt selbst keine Revolution darstellt. Ich ahnte es aber spätestens, nachdem Steve Ballmer verlauten liess, Windows 7 soll wie Vista sein, nur viel besser. Doch die definitive Gewissheit erlangte ich erst anlässlich der Professional Developers Conference (PDC) Ende Oktober. Dort lernte ich auch die eigentliche Revolution im Microsoft-Land, Windows Azure, kennen, über die wir auf Seite 11 und Peter Monadjemi in seiner Kolumne auf Seite 43 näher eingehen.
Zurück zur sanften Renovation:Windows 7 basiert definitiv auf dem selben Kern wie Vista, ist also kein von Grund auf neuentwickeltes Betriebssystem. Und man kann es sogar ganz gut mit seinem Vorgänger verwechseln: Es hält sich das hartnäckige Gerücht, dass die ersten Entwickler, die während der PDC im Hands-On-Lab an einem PC mit dem nagelneuen Windows 7 arbeiteten, das neue OS erst bemerkten, als Fotografen vorbei kamen, um den Desktop zu fotografieren.
Wie ist eine solche Verwechslung möglich? Microsoft brachte es leider nicht fertig, eine Pre-Beta mit dem markantesten und auf den ersten Blick ersichtlichen Unterschied zu Vista auszustatten, der neuen Taskbar. Sie ist der Hauptbestandteil der gross angepriesenen, einfacheren Bedienbarkeit. Und sie erinnert mich vom Look and Feel her sehr stark ans Dock, womit Apple seine Applikationen organisiert. Apple nimmt Microsoft zurzeit mit seinen innovativen Produkten einige Marktanteile weg, wieso also nicht, was sich bei Apple bewährt hat, in das eigene, neue Betriebssystem integrieren?
Es gibt noch eine weitere Parallele zwischen Windows 7 und Apples OS X: Die mit Windows Vista eingeführte Sidebar verschwindet nämlich und wird durch separat aufrufbare Gadgets, die in einer Galerie gesammelt werden, ersetzt. Kennt man doch, nur nennt Apple diese Art von Tools Widgets.
A propos
Apple: Seit der Lancierung des iPhone, für dessen Benutzung während der PDC man übrigens einigen Hohn und Spott erntete, heisst es bei jedem neuen Handy nur noch Touch, Touch und nochmals Touch. Sorry, natürlich Multi-Touch! Micosoft liess sich auch hier von Apple inspirieren und spendiert Windows 7 eine umfassende Multi-Touch-Bedienbarkeit. Gehört die Zukunft den Fingern? Die nahe Zukunft bestimmt noch nicht, es fehlt schlicht die Hardware dazu. Aber vielleicht braucht es ja erst einmal ein funktionierendes Betriebssystem, das die Hardware-Hersteller dann auf den Plan ruft.
Der erste Blick auf Windows 7 zeigt also viele Veränderungen an der Oberfläche zur einfacheren Bedienbarkeit.
Aber auch der Wunsch nach einem schnelleren und schlankeren Betriebssystem verhallt nicht einfach so im Raum. Wie ich in ersten Tests feststellen konnte, läuft bereits die Pre-Beta sehr flüssig, schnell und stabil. Ob sie allerdings so schlank ist, dass sie wie an der PDC gezeigt, auch auf einem Netbook mit 1-GHz-Prozessor und 1 GB RAM läuft? Scheinbar schon, wenn ich Steven Sinofsky, dem Windows-7-Chef-Entwickler, Glauben schenken soll. Aber eigentlich ist das ja keine Überraschung und kein Wunschkonzert: Windows 7 muss auf den Netbooks laufen, wenn es Vista schon nicht vernünftig tut, und man den Markt nicht Linux überlassen will. Denn die Mini-Notebooks (siehe auch unseren grossen Test ab Seite 16) sind aktuell die PCs, deren Verkaufszahlen explodieren.
(mv)