Der 31. Januar 2008 könnte vielleicht bald in die Geschichte eingehen. An diesem Tag schrieb Steven A. Ballmer, CEO von Microsoft, einen Brief an Jerry Yang, CEO von Yahoo. Darin ging es nicht um einen Termin für einen Business-Lunch oder eine Produkte-Demo, es war eine offizielle Offerte zur Übernahme in der Höhe von 44,6 Milliarden Dollar (siehe auch Seite 8). Ein Schritt, der nicht überraschend kam, aber schneller als erwartet. Microsoft muss seine Marktposition gegenüber Google verbessern. Ob das alleine gelingen wird, wage ich zu bezweifeln. Der Rückstand in der Online-Suche und im boomenden Internet-Werbemarkt ist aktuell recht gross. Wieso also nicht jemanden übernehmen, mit dem man zusammen auf einen Schlag die Lücke markant kleiner machen könnte?
Heute erwirtschaftet Microsoft 61 Prozent seines Umsatzes mit dem Verkauf von Desktop- und Büro-Software. Wieso sollte man also unbedingt Milliarden in den Internet-Werbemarkt investieren? Erstens ist das ein Milliarden-Geschäft. Zweitens zeigt ein Trend in die Richtung von Online-Office-Tools à la Google Apps. Die finanzieren sich grösstenteils oder ausschliesslich durch Online-Werbung. Bei den bekannten Einnahmequellen von Microsoft ist also demnächst ein empfindlicher Rückgang möglich. Das wird bestimmt nicht morgen sein, aber vielleicht schon übermorgen. Man ist jedenfalls in Zugzwang.
Doch wie viel ist Yahoo wert? Mitte 2007 war
Microsoft, laut unbestätigten Gerüchten, bereit 50 Milliarden für Yahoo hinzublättern. Nun waren es noch 44,6 Milliarden. Das Angebot lag am 1. Februar rund 62 Prozent über dem Yahoo-Börsenkurs. Zu wenig finden die Yahoo-Chefs. In Redmond hat man (vorerst) verlauten lassen, dass man am aktuellen Angebot festhält. Ich denke, das ist ein guter Entscheid. Schliesslich sollte man erst noch abwarten, was die Aktionäre zum Angebot meinen. Eventuell könnte man ja durch eine feindliche Übernahme ein paar schöne Dollars sparen. Und sonst muss man halt die gut gefüllte «Kriegskasse» noch ein bisschen weiter öffnen. Es könnte sich lohnen.
Ich habe aber trotz allem auch ein paar Bedenken gegenüber der Übernahme. Sie geschieht nämlich nicht von heute auf morgen. Neben längerfristigen finanziellen Konsequenzen gilt es in kurzer Zeit zwei Unternehmen zu einem werden zu lassen. Grosse Tech-Zusammenschlüsse sind aber, wie die AOL-Time-Warner- oder die HP/Compaq-Fusion zeigten, keine einfache Sache. Die Firmenkulturen sind in der Regel verschieden. Hier treffen sich der eher nüchterne Software-Hersteller Microsoft und das bunte, offene
Yahoo, was sich schon durch das «!» im offiziellen Logo ausdrückt. Droht also ein Abgang der wichtigsten Ressourcen, der besten Mitarbeiter? Microsoft möchte das durch «bedeutende» Sonderprämien verhindern. Allerdings sind bereits ein paar Yahoo-Manager auf der Flucht: Bradley Horowitz beispielsweise, Chef von Yahoos Advanced Technology Division, wechselte Mitte letzter Woche zu
Google.
Das Unternehmen, das man eigentlich mit der Fusion angreifen möchte, könnte also zum lachenden Dritten werden. In den ein bis zwei Jahren der Integration, so lange dauert eine Fusion dieser Grösse laut Experten ungefähr, könnte man dem neuen Gross-Konkurrenten zudem weiter entschwinden. Denn wir wissen nur zu gut, dass die Zeit, insbesondere im IT-Sektor, nicht stillsteht, sondern rennt ...
(mv)