Auf den ersten Blick sind alle billig

Die Anzahl der SIP-Provider wächst stetig. Ihre Tarife sind verlockend günstig und damit auch für KMU ganz interessant.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/18

     

VoIP-Telefonie-Anbieter gibt es mittlerweile sehr viele. Ihre Technologien basieren grösstenteils auf dem SIP-Protokoll, das heute praktisch Standard ist. Im einleitenden Artikel dieses Schwerpunktes haben Sie erfahren, was SIP ist und wie es funktioniert. Wo gibt es nun aber SIP-Provider? Wir haben vom Internet-Provider unabhängige Anbieter gesucht und gefunden. 15 sind es an der Zahl, die wir Ihnen in dieser Marktübersicht präsentieren. Das VoIP-Angebot der Cablecom stellen wir in einem separaten Kasten auf Seite 35 vor. Unser Hauptaugenmerk des Vergleichs richten wir auf die preislichen Unterschiede der einzelnen Angebote.


Festnetztarife zum Teil 50 Prozent tiefer

Die neue Telefonie-Technik soll deutlich billiger sein als der aktuelle Standard von Swisscom, Sunrise oder anderen herkömmlichen Anbietern. Diese bieten übrigens ebenfalls VoIP-Lösungen an, tarifmässig unterscheiden sie sich aber nur unwesentlich von den Standard-Angeboten.


Bei Festnetzgesprächen bezahlt man bei einem SIP-Provider in der Regel weniger als die Hälfte als bei der Swisscom. Kostet ein Gespräch bei Swisscom im Normaltarif ins Schweizer Festnetz 8 Rappen pro Minute, zahlt man bei den günstigsten VoIP-Angeboten von Blackpoint und dynamic-phone.ch nur 2,5 Rappen. Auch Netstream, in unserer Marktübersicht mit 3,92 Rappen/Minute der teuerste, liegt noch deutlich darunter.


Swisscom muss nicht immer Swisscom sein

Vergleiche bei Anrufen ins Schweizer Handy-Netz sind, aufgrund der verschiedenen Anbieter, nicht einfach. Zu beachten gilt es hier zudem, dass die Anrufe via SIP-Provider sehr oft nicht nach Vertragsstatus abgerechnet werden können, sondern einzig nach der Vorwahl. Ist man also beispielsweise Orange-Kunde, hat aber seine 079-Vorwahl behalten, gilt man als Swisscom-User. Zu den Tarifen:

Anrufe ins Mobilnetz der Swisscom sind die billigsten, gefolgt von Orange und Sunrise. Spitzenreiter bei Anrufen in Mobilnetze ist dynamic-phone.ch: Hier kosten Gespräche zu Swisscom-Kunden 25 Rappen in der Minute und sind damit ganze 14 Rappen günstiger als bei der Swisscom selbst. Anrufe auf Orange- und Sunrise-Handys kosten 32 Rappen. Hier punktet Sunrise: Sie hat mit 31 Rappen auf ihr eigenes Netz den günstigeren Tarif.


Top-Angebote bei Anrufen ins Ausland

Extrem billig soll’s mit VoIP bei Anrufen ins Ausland werden. Bei einem Blick auf die Tarife fällt einem da ganz besonders auf, dass sie ins amerikanische Fest- sowie Handynetz sehr tief sind. Bei den meisten SIP-Providern zahlt man für alle Arten von Anrufen in die USA nur zwischen 4 und 5 Rappen pro Minute. Im Vergleich dazu: Bei Sunrise zahlt man dafür 10 Rappen, bei der Swisscom 12 Rappen ins Festnetz und 52 aufs Handy. Bei einem Anruf auf ein US-Handy kann man also im Schnitt fast einen halben Franken gegenüber der Swisscom sparen – pro Minute.



Bei Anrufen in Länder Westeuropas sind die Unterschiede im Festnetz nicht ganz so markant. Während man bei Swisscom und Sunrise für ein Gespräch ab 12 respektive 10 Rappen pro Minute verrechnet bekommt, beginnt bei Netstream das Angebot bei 3,2 Rappen. Viele andere Anbieter bieten eine Pauschale für alle westeuropäischen Länder von 4,9 Rappen an. Ticinocom ist mit 3 Rappen sehr günstig, allerdings nur bei Anrufen in unsere Nachbarländer. Bei Telefonaten ins europäische Handynetz sind die Tarife sehr unterschiedlich. Im Durchschnitt zahlt man jedoch um die 39 Rappen und liegt damit nur knapp unter den Werten von Swisscom und Sunrise.


Der Schein kann trügen

Sind die SIP-Provider also alle billiger als Swisscom und Sunrise? Um sich ein umfassendes Bild darüber zu machen, muss man unbedingt noch drei weitere Faktoren mit einbeziehen. Dazu gehören die Grundgebühren, wobei hier ein Vergleich kompliziert ist. Einige Anbieter haben eine fixe Grundgebühr, kombiniert mit monatlichen Kosten pro Telefonnummer, andere wiederum ein Komplettpaket, und wieder andere bieten Abos mit fix darin enthaltenen Gratis-Gesprächsminuten an.


Klarer wird’s da schon beim zweiten wichtigen Punkt, den Verbindungsaufbaugebühren, die pro Gespräch erhoben werden. Diese sind, im besten Fall, wie bei der Swisscom gleich null (Netstream, Swiss IP Com) und betragen im Maximum 7,9 Rappen. Einige Anbieter erhöhen ihre Gebühren bei Verbindungen auf Mobilnetze. Dazu gehört auch Sunrise: Dort verlangt man bei Anrufen aufs Schweizer Mobilnetz 10 Rappen als Verbindungspauschale, womit man deutlich teurer ist als alle VoIP-Anbieter.



Einen Einfluss auf die totalen Telefonkosten hat auch die Abrechnungsmethode. Die Swisscom rechnet zwar sekundengenau ab, jedoch in 10-Rappen-Schritten. Ihr Konkurrent Sunrise rechnet sekunden- und rappengenau ab. Wie sieht’s bei den SIP-Providern aus? Hier gibt’s grosse Unterschiede: Green.ch, E-fon, INSphone, Netstream und Ticinocom rechnen wie Sunrise im Sekundentakt ab. Damit sind sie in der Regel billiger als ihre Konkurrenten, die alle mit dem Minutentakt arbeiten.


Zwei Benutzer-Szenarien

Da der Vergleich der einzelnen Anbieter nicht ganz so einfach ist und es viel zu beachten gibt, haben wir in der Marktübersicht zusätzlich zwei Zeilen eingefügt, wo zwei Tarifszenarien für Musterfirmen mit jeweils 20 Angestellten berechnet wurden. Sie sollen in kompakter Form zeigen, wer effektiv am günstigsten ist. Die Annahmen für das KMU-Telefonieverhalten haben wir vom Internet-Vergleichsdienst Comparis erhalten. Sie haben uns zwei KMU-Profilvorschläge gemacht, die uns als Berechnungsgrundlage dienten. Diese Profile basieren nicht auf statistischen Daten. Es sind Angaben, wie eine Firma telefonieren kann, sie enthalten aber keine Durchschnittswerte. Je nach Geschäftstätigkeit können natürlich wesentlich mehr oder wesentlich weniger Telefongespräche geführt werden.


Beim ersten Profil handelt es sich um ein Unternehmen, das eine eher geringe Nutzung des Telefons hat (die genauen Angaben finden Sie in der Tabelle). Das Resultat unserer eigenen Berechnungen: Auf Platz eins liegt NetVoip von Netstream (54.75 Franken), dicht gefolgt von Swiss IP Com (56.25 Franken, ohne Taktangabe) und dynamic-phone.ch (65.95 Franken). Der Anbieter dynamic-phone.ch schafft den Sprung aufs Podest trotz Minutentaktung. Das ist möglich dank den billigsten Tarifen ins Schweizer Fest- und Handynetz. Positiv ins Gewicht fallen bei allen Top-3 vor allem die nicht vorhandenen oder sehr tiefen Verbindungsaufbaugebühren.



Anmerkung: In unsere Berechnungen nicht mit eingefIossen sind die monatlichen Grundkosten, Gratisminuten oder Volumenrabatte. Es ist ein reiner Gesprächsvergleich. Zusätzliche Kosten wie zum Beispiel Minutentaktung und Verbindungsaufbaugebühren wurden berücksichtigt. Dabei wurde mit einer Durchschnittsdauer für Anrufe gerechnet, die sich an der offiziellen BAKOM-Fernmelde-Statistik 2006 orientiert. Tarifmässig am teuersten ist demnach das VoIP-Angebot des Trios i-voice.ch, Phonestar und Sipcall.ch (alle 112.40 Franken). Damit sind sie auch teurer als die Swisscom (83.90 Franken) und Sunrise (105.75 Franken, ohne
den üblichen Volumenrabatt von
2 Prozent gerechnet).


Profil zwei ist ein Unternehmen, in dem sehr viel telefoniert wird. Hier präsentiert sich das Ergebnis fast genau so wie beim KMU mit wenig Telefonie-Aufkommen: Netstream (1841.70 Franken) vor Swiss IP Com (1939.80 Franken) liegen deutlich vorne. Auf dem dritten Platz folgt wie erwartet dynamic-phone.ch (2173.10 Franken), gefolgt von Ticinocom (2311.55 Franken) und E-fon (2372.15 Franken). Schlusslicht sind auch hier i-voice.ch, Phonestar und Sipcall.ch (alle 3595.80 Franken). Insgesamt sind beim Vieltelefonierer-KMU sieben Anbieter teurer als die Swisscom (2684.05 Franken). Das Sunrise-Angebot ist ohne Volumenrabatt im Vergleich recht teuer (3393.05 Franken). Rechnet man aber die 12,5 Prozent Volumenrabatt ab, landet man mit rund 2968 Franken im Mittelfeld.


Fazit

Nicht alle VoIP-Lösungen sind also wirklich billiger als die bestehenden, ein paar jedoch deutlich. Aber Achtung: Auch ein wirklich günstiger Tarif garantiert noch lange keine optimale Gesprächsqualität. Zudem gibt es neben den Kosten noch viele andere wichtige Kriterien, warum man sich für eine VoIP-Lösung entscheiden sollte (siehe auch den einleitenden Artikel, «VoIP im Business»). Mehrere Offerten und eine genaue Evaluation sind deshalb unbedingt Pflicht.


Korrigendum: Es sind doch alle günstiger





SIP-Provider für KMU im Überblick


VoIP-Angebot der Cablecom

Auch die Cablecom bietet eine VoIP-Lösung für KMU an. Allerdings kann man den grossen Kabelnetzbetreiber nicht ganz mit den meist kleinen SIP-Providern in unserer Marktübersicht vergleichen. Eines der Cablecom-Angebote nennt sich connect PBX over IP (Traditional PBX over SIP), ein kompletter Ersatz für die herkömmlichen Telefonanschlüsse (BRI – Basisratenanschluss), wobei die bestehende Infrastruktur weiterhin genutzt werden kann. Das Angebot gibt’s ab inklusive 10 Rufnummern (2 BRI) und ist beliebig erweiterbar. Die Einrichtungsgebühr beträgt 250 Franken, die monatlichen Fixkosten belaufen sich auf 19.80 Franken. Abgerechnet wird im Sekundentakt, eine Verbindungsaufbaugebühr gibt’s nicht. Auch mit den Cablecom-Tarifen haben wir unsere Benutzer-Szenarien (siehe Tabelle) durchgerechnet: Mit 59.95 respektive 2000.15 Franken landet das Angebot in der Spitzengruppe.

(mv)


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