Editorial

Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/21

     

Vertrauen ist das Wort der Stunde. Wir brauchen wieder mehr Vertrauen in die Finanzmärkte, predigen die Bankenvertreter und Staatsführer. Die USA vertrauen Barack Obama, dass er das Land geeint aus der Krise führen kann. Vertrauen ist aber nicht bloss Zeitgeist. Vertrauen ist seit jeher die Grundlage jeder menschlichen Beziehung. Gesetze, moralische und ethische Werte, Strafenandrohungen oder Verträge können zwar Grenzen setzen und einen Rahmen geben. Absolute Sicherheit, dass alles so ablaufen wird, wie es abgesprochen wurde, bieten sie nicht. Dies gilt insbesondere für komplexe Geschäftsbeziehungen, die über das blosse Kaufen einer Ware hinausgehen.



Wenn Sie etwa einen Outsourcing-Partner wählen, können Sie zwar umfangreiche Vertragswerke ausarbeiten und ordenerweise detaillierte SLA (Service Level ­Agreement) definieren. Im Krisenfall nützen diese Ihnen aber – seien wir ehrlich – reichlich wenig. Zwar können Sie allenfalls die Zahlungen für die Dienste zurückfordern. Eine Haftung für den geschäftlichen Schaden, den Sie durch einen Ausfall oder eine schwere Fehlfunktion Ihrer Informatik erleiden, wird aber kein Outsourcer übernehmen. Eine solche Versicherung käme schlicht viel zu teuer zu stehen. Es bleibt Ihnen also nicht viel anderes übrig, als Ihrem Outsourcing-Partner zu vertrauen.




Tragisch ist dies allerdings nicht, denn das Vertrauen ist gegenseitig notwendig. Auch der Outsourcer muss Ihnen vertrauen, dass Sie ihm etwa richtige Angaben zu Ihrer IT-Infrastruktur und der Nutzung machen, auf Grund derer er seine Preise berechnet. Zudem können Sie davon ausgehen, dass der Anbieter ein grosses Interesse an einer längerfristigen Partnerschaft hat. Er investiert in der Startphase in die Einpassung Ihrer Informatik in seine Abläufe und in das Verständnis Ihrer Geschäftsprozesse. Diese Anfangsinvestitionen rechnen sich für ihn erst über die Zeit. Wenn er Sie absichtlich übervorteilt, riskiert er, den Auftrag und damit auch seinen Startaufwand zu verlieren.



Für Sie heisst dies, dass Sie im Vertrag besser die genauen Zuständigkeiten klären, statt viel Zeit in die Absicherung durch Exit-Klauseln und Entschädigungsformalitäten zu stecken. Die Floskel «Ein Vertrag ist zum Vertragen da» gilt für das IT-Outsourcing in ganz besonderem Mass. Dafür reichen im KMU-Normalfall wenige Dutzend Seiten. Legen Sie Ihre gegenseitigen Pflichten in einer verständlichen Sprache fest, damit möglichst wenige Missverständnisse aufkommen. Schliesslich wird es im Outsourcing-Alltag immer wieder Einzelheiten zu besprechen geben, die nicht vorhersehbar und darum auch nicht vertraglich zu regeln sind. Eine gemeinsame Sprache ist dafür – neben dem gegenseitigen Vertrauen – eine der wichtigsten Voraussetzungen.



Vertrauen ist aber vor allem auch ein gutes Kriterium, wenn es darum geht, den geeigneten Outsourcing-Partner zu finden – vielleicht sogar das beste überhaupt. Vertrauen beruht auf emotionaler Intelligenz und diese ist dem rein rationalen Abwägen von Fakten in den meisten Fällen überlegen. Ihr Unterbewusstsein zieht viel mehr bewusste und unbewusste Erfahrungen in sein Urteil mit ein, als einer rationalen Analyse zur Verfügung stehen. Haben Sie Vertrauen in Ihr Vertrauen! Es ist intelligenter als die meisten hochdotierten Experten.




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