Editorial

Note ungenügend für das Jahr der Informatik


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/21

     

Das Jahr neigt sich dem Ende zu, und damit auch das offizielle Jahr der Informatik. Unter dem Titel «Informatica08» hatte das Patronatskomitee der Verbände ICT Switzerland und Swico sowie der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften sich zum Ziel gesetzt, die Informatik in der Schweiz zu fördern. Zum einen sollte das Interesse der Jugendlichen und insbesondere der jungen Frauen an der Informatik als Berufsfeld geweckt werden. Das Mauerblümchendasein der IT sollte zum anderen endlich ein Ende finden, indem man einer breiten Öffentlichkeit die zentrale Bedeutung der Informatik für die künftige Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft bewusst macht.



Was hat da die Initiative, die in Verbänden und bei IT-Unternehmen einen enormen Aufwand verursachte, tatsächlich gebracht? Die Initianten zogen anlässlich der Abschlussveranstaltung, bei der Bundesrätin Doris Leuthard höchstpersönlich anwesend war, ein positives Bild. Die beiden zentralen Anliegen seien weitgehend erreicht worden. Sind sie das tatsächlich?
Zugegeben, mit den Veranstaltungen konnte das Interesse der Jugendlichen an der Disziplin wieder etwas geweckt werden. Auch die Zahl der Studienanfänger konnte gesteigert werden. Doch der Aufwand, den die Informatica08-Veranstalter, die Hochschulen und Lehrmeistervereinigungen dafür getrieben haben, steht in keinem Verhältnis zum Ertrag. Die ETH konnte überdies mehrheitlich das Interesse ausländischer Studenten für den Master-Lehrgang wecken. Hier spielt, entsprechend den allgemeinen Rekrutierungstrends in der IT, die Schweiz ihren Standortvorteil aus. Ob die Absolventen aus dem Ausland dereinst in der Schweiz gehalten werden können, ist allerdings ungewiss. Darüber hinaus ist noch nicht klar, ob sich der Grossandrang von rund 10’000 Besuchern am Tag der Informatik, davon mehrheitlich Schüler, auch tatsächlich in den ­nächsten Jahren in der Wahl einer entsprechenden Ausbildung (Lehre, Studium) auswirken wird.




Carl August Zehnder, eremitierter Professor für Informatik an der ETH, sagte denn auch zur Neuen Zürcher Zeitung, dass das Image der Branche trotz des grossen Aufwandes nicht wesentlich verbessert hätte werden können. Zehnder meint gar, dass es kein weiteres Jahr der Informatik brauche, der Aufwand sei «gewaltig». Ich gehe mit Zehnder einig: Das zweite Ziel, einer breiten Bevölkerung die Bedeutung der Informatik bewusst zu machen, haben die Initianten verfehlt. Ich behaupte, dass ausser der IT-Branche, den IT-Medien und gegebenenfalls einigen Verantwortlichen in IT-Abteilungen von Unternehmen, kaum jemand von der Initiative Kenntnis genommen
hat. Die Informatica08-Verantwortlichen haben es gerade einmal geschafft, zwei Medienpartner aus den IT-Fachmedien für sich zu begeistern. Man darf spekulieren, wie gross der Effort war, bei der Tagespresse oder dem Fernsehen Aufmerksamkeit zu erreichen. Der Pressespiegel auf der Informatica08-Website ist denn auch entsprechend einseitig auf IT-Medien beschränkt.



Oder kennen Sie jemanden im Freundeskreis, der irgendwas vom Jahr der Informatik mitbekommen hat? Ich nicht. Doris Leuthard bezeichnete das Jahr der Informatik als «dringenden Weckruf für die Schweiz». Den Weckruf hat man verschlafen. Entsprechend auch die Aufmerksamkeit der Bevölkerung, die nötig wäre, um den Nachwuchs für IT zu motivieren.




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