Geschäftsprozesse seien bloss Überwachungswerkzeuge und behinderten die Arbeit, heisst es oft – und nicht selten zu Recht. Geschäftsprozesse sind ein Qualitätsmanagement-Instrument, doch bei der Qualität des Einsatzes dieses Instruments hapert es oft. Sie sollten kontinuierlich weiterentwickelt werden, um von technischen Innovationen im Workflow-Management zu profitieren.
Derzeit ist absehbar, dass in Zukunft flexible Prozesse in Branchen mit hohem Wettbewerbsdruck eine kritische Rolle spielen werden. Die technischen Voraussetzungen dafür sind gegeben, doch die kulturellen fehlen meist. Um flexible Prozesse effektiv nutzen zu können, muss vorgängig eine flexible, Qualitätsmanagement-fokussierte Prozesskultur etabliert werden. Das bedarf verschiedenster Massnahmen: Eine zentrale – sozusagen kulturell besonders wertvolle – Massnahme ist die Nutzung von Business Rules zur Kodierung jener Eigenschaften eines Prozesses, die sich kurzfristig ändern können.
Business Rules stellen veränderbare Parameter eines ansonsten fix definierten Prozesses dar. Sie ermöglichen es, kleinere Änderungen sehr schnell und kostengünstig zu implementieren, indem man die entsprechenden Regeln adaptiert.
Prozesse könnten sogar ausschliesslich durch Business Rules definiert werden. Doch der Regelsalat dabei wäre hoch. Darum ist die Grundidee des Einsatzes von Business Rules, den veränderbaren Teil der Geschäftsprozesslogik eines Prozesses zu identifizieren und dann so zu implementieren, dass er über eine Business-Rules-Schnittstelle einfach adaptiert werden kann. Hierbei wird die komplexe «echte» Implementierung hinter der Schnittstelle verborgen.
Business Rules bieten damit eine auf das Notwendige eingeschränkte, aber kostengünstige und einfach handhabbare Flexibilität. Sie schaffen zudem eine abstrakte Sicht auf Geschäftsprozesse, die es auch ermöglicht, unterschiedliche Prozesse im Kollektiv zu managen und bei Bedarf an veränderte Geschäfts-, Sicherheits- und Risikomanagement-Strategien anzupassen.
Wenn die Regeln aller Prozesse auf einer einheitlichen Governance-Ontologie basieren, können Änderungen der Governance-Regeln sogar automatisch auf alle Einzelprozesse durchgeschaltet werden. Ihr eigentlicher Wert besteht aber in der Schaffung eines konzeptionellen Alignments durch eine gemeinsame, abstrakte Regelmenge. Diese zwingt zur Reflexion, inwieweit die Prozesse tatsächlich der Governance entsprechen, respektive lässt sie sehr schnell erkennen, wenn die Governance-Regeln blutleer und ohne Relevanz für das prozessbasierte Geschäft formuliert wurden. Darüber hinaus können Kontrollen formuliert werden, die die Summe aller Prozessinstanzen betreffen oder das Zusammenwirken der Instanzen unterschiedlicher Prozesse betreffen.
Kurzfristig schaffen Business Rules also mehr Flexibilität. Sie bieten die Möglichkeit, die Organisationskultur flexibler Prozesse lokal einzuführen. Mittelfristig eröffnen sie aber weiter die Option, ein Policy-basiertes IT-Management zusammen mit Governance-orientierten Checks-and-Balances einzuführen, um das Zusammenspiel oder Zusammenwirken der Prozesse zu verbessern. Für flexible Unternehmen in flexiblen Märkten wird dies besonders notwendig sein, um ihr Risiko im Griff zu behalten.