Eine Stelle per E-Mail

Online-Bewerbungen werden immer beliebter. Bei vielen IT-Firmen verzichtet man inzwischen ganz auf die traditionelle Bewerbungsmappe.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/16

     

Es herrscht Flaute auf dem Arbeitsmarkt. Die Jobsuche entpuppt sich immer mehr als quälend langer Weg. Nicht selten müssen 50 und mehr Bewerbungen verschickt werden, um ein passendes Vertragsangebot zu bekommen. Jede Versendung einer Bewerbungsmappe kostet aber Geld für Kopien, Umschlag, Foto und Briefmarke - vor allem aber auch viel Zeit. Viel schneller und kostengünstiger ist eine Bewerbung per E-Mail. Inzwischen wünschen sich auch immer mehr Firmen elektronische Unterlagen von ihren künftigen Mitarbeitern.


Nicht jedermanns Sache

Die Jobsuche über das Netz hat heute einen festen Platz beim Stellensuchen. Interessierte durchstöbern neben den Tageszeitungen Online-Jobbörsen nach Angeboten, informieren sich auf den Homepages der Unternehmen über die potentiellen Arbeitgeber und bewerben sich gleich online.



Sich per E-Mail zu bewerben geht schnell und einfach, senkt aber auch die Hemmschwelle. Die Folge: Bei den Personalverantwortlichen trudeln mehr Stellengesuche ein als früher. Viele HR-Manager freut diese Entwicklung. So auch Susan Graenicher Jung von Unisys: "Rund 80 Prozent aller Bewerbungen gehen bei uns mittlerweile auf elektronischem Weg ein. Dies ist deutlich mehr als noch vor ein bis zwei Jahren."




Auch bei Oki überwiegt die elektronische Form der Bewerbung. 90 Prozent sind es rund. "Wir legen speziellen Wert auf elektronische Bewerbungen. Wenn ein Kandidat dann zu einem Vorstellungstermin eingeladen wird, bitten wir ihn aber, die gedruckten, detaillierten Unterlagen mitzubringen", führt Geschäftsführer Walter Briccos aus.



Überhaupt keine Unterlagen aus Papier nimmt IBM mehr entgegen. Wer bei Big Blue arbeiten möchte, muss sich online bewerben. Die Stellensuchenden müssen das auf der Website verfügbare Template mit Fragen über Ausbildung, Erfahrungen und Interessen ausfüllen sowie einen Lebenslauf anfügen.



Aber nicht alle HR-Manager sind glücklich über Bewerbungen in E-Mail-Form. So sieht Caroline Jegle, Personalverantwortliche von Sage Sesam, mehr Nach- als Vorteile bei der Bearbeitung von elektronischen Anfragen. "Damit ich die Unterlagen ansehen und weiterleiten kann, mache ich mir einen Ausdruck. Ich muss mich also selber bemühen, dass wir die Unterlagen sauber zur Verfügung haben", erklärt sie ihre Abneigung gegenüber E-Mail-Bewerbungen. Das erklärt auch, warum beim Hersteller für betriebswirtschaftliche Software nur 20 Prozent der Stellengesuche per Mail eingehen.




Zuwenig Beachtung

Laut einer Untersuchung der Unternehmensberatung Mummert und Partner verschwinden denn auch vier von fünf E-Mail-Bewerbungen im virtuellen Papierkorb. Dies liegt nicht nur an dem bei manchem HR-Manager unbeliebten Medium. Vielfach sind die elektronischen Unterlagen auch lieblos und sichtbar auf die Schnelle verfasst. Andere schleppen mehrere MByte-grosse Dateinanhänge mit sich herum und bringen damit jedes Postfach zum Bersten. Klar, dass das kaum einen Personalchef freut. Bei Unisys gibt man an, den konventionellen und den Online-Bewerbungen gleich viel Bedeutung beizumessen, sofern sie professionell abgefasst sind. Bei einem offensichtlichen Massenversand ist das Interesse entsprechend geringer. Allerdings würden auch diese Anfragen beantwortet.



Hildegard Naef, Human Resources Manager bei Acer, gibt auch an, elektronischen Bewerbungen im Prinzip die gleiche Beachtung zu schenken wie konventionellen. Ihre Erfahrung zeigt jedoch, dass man eine herkömmliche Mappe öfter zur Hand nehme, so dass sie dadurch einen nachhaltigeren Eindruck hinterlasse.




Bei Druckerhersteller Oki schenkt man E-Mail-Bewerbungen höhere Beachtung. Walter Briccos erklärt: "Wir arbeiten in der IT. Da ist für mich die elektronische Form der Bewerbung fast ein Must als Affinität zur Branche."



Grundsätzlich gilt die Regel: Firmen, die auch Online-Bewerbungen akzeptieren, erwähnen dies meist explizit in ihren Stellenanzeigen (Aufforderung, E-Mail-Adresse). Wenn nichts vermerkt ist, sollte man den konventionellen Weg einschlagen.




Auf beiden Seiten Kosten sparen

Die Unternehmensberatung Mummert und Partner kommt zum Schluss, dass durch das digitale Bewerbermanagement die Ausgaben der Personalsuche um rund 50 Prozent gesenkt werden können. Für Firmen hat der elektronische Weg viele Vorteile parat. Er ist kostengünstig, schnell und flexibel. Die Kommunikationswege mit dem einzelnen Bewerber werden ebenso vereinfacht wie diejenigen innerhalb des Unternehmens.



Das gilt allerdings nur, wenn der gesamte Bewerbungsprozess konsequent digitalisiert ist. Wird erst einmal ausgedruckt und dann auf dem Papierweg weiterverfahren, bringt das keine Arbeitserleichterung, im Gegenteil. Dies bestätigt auch Susan Jung Graenicher: "Ein wesentlicher Vorteil ist der geringere administrative Aufwand. Hingegen ist der persönliche Eindruck nicht unbedingt anhaltend und die Erinnerung an die Bewerbung schwindet schnell. Ausserdem müssen die Unterlagen aus Datenschutzgründen gelöscht werden."




Bei Apple sieht man den wichtigsten Vorteil in der Zeitersparnis beim Erhalt, bei der internen Weiterleitung und bei der Beantwortung. Oki-Geschäftsleiter Walter Briccos sieht die Nachteile beim eingeschränkten optischen Eindruck, da eventuell spezielle Mappen und Dokumente nicht vorhanden sind. Dazu komme das Risiko der Datensicherheit, beziehungsweise die verminderte Vertraulichkeit einer Bewerbung über E-Mail, so Briccos.




Online bewerben, aber richtig

Die alten Grundregeln der Postbewerbung gelten auch im Internet. Dazu gibt es einige medienspezifische Punkte, die es zu beachten gilt:




• Ist der Ansprechpartner nicht genannt, bleibt nur der Griff zum Hörer. Bewerbungen auf info@Adressen sind sinnlos.




• Viele Unternehmen haben Angst vor Computer-Viren. Deshalb sollten Attachements nur in allgemein gebräuchlichen Dateiformaten mitgesendet werden. Wer seiner Bewerbung Lebenslauf und Zeugnisse beifügen möchten, greift am besten auf das Word- oder PDF-Format zurück.




• Serien-E-Mails sind genauso schlimm wie Serienbriefe. Jede Bewerbung muss individuell auf ein Inserat hin formuliert sein, um Erfolg zu haben. Auch Lebensläufe sollten je nach gesuchtem Job-Profil angepasst werden.




• In die Betreffzeile gehören kurze prägnante Schlagwörter für den Adressaten.




• Die E-Mail-Bewerbung soll gut strukturiert, möglichst aussagekräftig, aber mit kurzem Text sein.




• Falls die Firma ein Bewerbungsformular zur Verfügung stellt, sollte dieses unbedingt genutzt werden.




• Auf keinen Fall Vergessen: Die E-Mail-/Online-Bewerbung verschafft dem Gegenüber den ersten, entscheidenden Eindruck. Auf Grund der Anonymität muss man sich deshalb mehr Mühe geben.




• Buchtip: Praxismappe für die perfekte Internet-Bewerbung; Eichborn-Verlag; ISBN: 3-8218-1569-8



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