Gastspiel auf der Chefetage

Wenn es im Unternehmen brennt, kann oft ein Interim-Manager helfen. Doch es gibt auch Vorbehalte gegen die Chefs auf Zeit.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/12

     

Stellen Sie sich vor: Ihr Unternehmen steht vor stressigen Zeiten, vor grossen Veränderungen oder muss eine Krise durchstehen. Wenn Sie sich etwas wünschen dürften, dann wären es fünf Köpfe und zehn Hände, um die Aufgaben an der Unternehmensspitze zu bewältigen.



Eine andere Situation, auf die kaum jemand vorbereitet ist, ist eine schwere Krankheit oder gar ein Todesfall im oberen Management. Plötzlich fehlt Manpower, die fest eingeplant war. Zwar mag der Krisenfall im Management, der sich durch plötzliches Ausscheiden eines Chefs ergeben kann, gemäss vorbereiteter Checkliste angegangen werden. Aber es zeigt sich, dass Vorstellung und Wirklichkeit oft weit auseinanderliegen.




Eine Möglichkeit, solche schwere Zeiten zu überbrücken, ist, sich kurzfristig einen Interim-Manager ins Haus zu holen.


Kurzeinsatz als Manager

Interim-Manager springen in Unternehmen kurzfristig und befristet ein, um plötzlich auftretende Personalvakanzen auszufüllen, bei Nachfolgeproblemen einen geregelten Übergang sicherzustellen oder um mit ihrem Wissen in Schieflage geratene Unternehmen zu sanieren und neu zu organisieren.



Hinzu kommt zunehmend die Verantwortung für einzelne Projekte, für die innerhalb des Unternehmens kein entsprechendes Wissen verfügbar ist - eine häufige Folge des Personalabbaus. Beispiele sind der Aufbau einer bestimmten Abteilung oder einer Auslandsgesellschaft, die Begleitung von Übernahmen und Fusionen sowie die Vorbereitung von Börsengängen.




Typische Situationen, in denen ein Interim-Manager zu Rate gezogen wird, sind auch die Überbrückung von Vakanzen oder während der Einführung einer neuen IT-Struktur, bei der Neugründung eines Unternehmensbereichs oder anlässlich der Moderation eines Generationenwechsels an der Führungsspitze. Am häufigsten aber greifen Unternehmen während Krisensituationen auf externes Know-how zurück und holen sich einen Sanierungsexperten.



Ernst Zwahlen (52) kennt das Management auf Zeit von beiden Seiten. Seinen ersten Kontakt mit Interim-Personal in Kaderfunktion hatte er als Leiter von Ascom Business Systems 1998/99. "Damals mussten wir die Produktion restrukturieren, um den wachsenden Anforderungen gerecht zu werden. Es mussten kurzfristig der Produktions- und der Logistikleiter durch Interim-Manager ersetzt werden. Später hatten wir bei Ascom des öfteren Kaderleute auf Zeit und waren immer sehr zufrieden mit dieser externen Lösung."



Bei Ascom hat der Elektro-Ingenieur gute Erfahrung mit dieser Art von Personalvermittlung gemacht. Heute übernimmt er selber Einsätze im Auftrag der Firma "aim ad interim Management", die sich auf die Vermittlung von Fach- und Führungskräften spezialisiert hat.



Zwahlen lässt sich hauptsächlich im technischen Sektor vermitteln, wo er seine langjährige Erfahrung und sein Wissen im Telekombereich anwenden kann. Auch von der Arbeitnehmerseite her sieht der Manager bis heute überwiegend Vorteile im Management ad interim. Für ihn sind lediglich zu kurze Einsätze ein Negativpunkt.




Externer Berater oder Manager auf Zeit?

In Europa ist das Management ad interim bereits eine fest verankerte Arbeitsform. In der Schweiz werden Manager auf Zeit allerdings noch sehr zurückhaltend eingesetzt - statt dessen kommen meistens Unternehmensberater oder Consultants zum Zug. Die Informatikbranche ist diesbezüglich den anderen Berufsgattungen etwas voraus.



Die Vorteile von Interim-Management liegen auf der Hand: Kein Zeitverlust durch lange Einarbeitung, keine Salär-Fortzahlungen bei Krankheit und Urlaub, kein Risiko durch kurzfristige Möglichkeit der Vertragsbeendung und sofortiger Know-How-Transfer in das Unternehmen. Ideen der Firma oder die gemeinsam erarbeiteten Ideen werden ohne Zeitverlust angegangen und realisiert.



Consultants dagegen sind in der Regel Spezialisten auf einem für das Unternehmen relevanten Gebiet und bringen in beratender Funktion ihr Fachwissen als Projektmitarbeiter oder -leiter ein.




Manager auf Zeit werden anstelle eines festangestellten Managers innerhalb der Hierarchie des Unternehmens eingesetzt. Über die fachliche Beratungsaufgabe hinaus übernehmen Manager auf Zeit in ihrer ausgeprägtesten Form sämtliche mit der Stellenbeschreibung dieser Funktion verbundenen Aufgaben. Der Übergang zwischen diesen beiden Formen des Beratereinsatzes ist jedoch fliessend.




Nachteile und Kosten

Natürlich stellt sich auch die Frage nach den Nachteilen für Unternehmen, die einen Interim-Manager beschäftigen. Gemäss Christoph Keller, Geschäftsführer von aim, erscheinen auf den ersten Blick die Kosten als Nachteil.



Laut Keller lässt sich die Bezahlung von Festangestellten und Zeitarbeitenden schlecht vergleichen, da im Honorar eines Interim-Managers - das korrekterweise als Projektkosten oder Investition gerechnet werden müsste - Sozialleistungen, Ferien, Marketing, Akquisition und Infrastruktur eines selbständig Erwerbenden mitkalkuliert werden müssen.




Das Honorar richtet sich nach der Qualifikation. Abgerechnet wird in Tagessätzen, was den Vorteil hat, dass nur für tatsächlich gearbeitete Tage bezahlt wird. Das übliche Spektrum reicht von 1300 bis 2500 Franken pro Tag (Durchschnitt 1800 Franken).



Weitere Vorbehalte sind Zweifel, ob der Interim-Manager mit einer extrem kurzen Einarbeitungszeit auskommt. "Interim-Manager haben einschlägige Erfahrungen und Know-how im geforderten Fachbereich und sind im allgemeinen eher überqualifiziert, weshalb die Einarbeitung oft nur wenige Tage beträgt", erklärt der Vermittler von Führungskräften.


Interview: Interim-Manager als modernes Führungswerkzeug
Christoph Keller, Ing. HTL, Partner von aim ad interim Management


Wie häufig suchen Schweizer Unternehmen einen Interim-Manager?

Grössere KMU haben in der Regel ein bis zwei Mandate pro Jahr, bei Grossunternehmen kann die Mandatszahl im zweistelligen Bereich liegen.



Steigt der Bedarf an Managern auf Zeit in Krisenzeiten wie diesen?

Dies wird immer vermutet, entspricht jedoch nicht den Tatsachen. Häufig wird einem rigorosen Kostenmanagement Priorität gegenüber zukunftsorientierten Investitionen und Projekten gegeben.



Der Einsatz eines Managers auf Zeit bringt oft Konfliktpotenzial. Da kommt ein Fremder ins Unternehmen und sagt, wo's langgeht. Wie soll der sich durchsetzen? Wie wahrt die Unternehmensführung, die offensichtlich nicht ohne Hilfe auskommt, ihr Gesicht?

Im Gegenteil: Der neutrale Interim-Manager wird oft auch gerufen, um schwelende Konflikte im Unternehmen zu lösen. Er ist in die Organisation integriert, löst seine täglichen Aufgaben und unterstützt die Mitarbeiter, ohne ihnen Konkurrenz zu machen.



In welcher Branche wird bevorzugt auf Interim-Manager zurückgegriffen?

Der Einsatz erfolgt in allen Branchen. Unterschiede sind in den Fachbereichen erkennbar, ein Schwergewicht der Mandate liegt im Bereich Finanzen und Controlling.



Welche Voraussetzungen muss ein Interim-Manager mitbringen? Muss er ein "Hansdampf-in-allen-Gassen" sein?

Nein, das Projekt oder die Aufgabe definiert das Profil des Interim-Managers. Je nach Firma und Aufgabe muss der Interim-Manager entsprechende Kompetenzen, die nötige Identität und einen Nachweis seiner Wirksamkeit mitbringen.



Wie sieht üblicherweise der Time-Frame eines Einsatzes aus? Wird dieser vorgängig auf eine gewisse Zeit festgelegt, oder bleibt er jeweils offen, bis sich eine unternehmensweite Lösung ergibt?

Interim-Einsätze dauern durchschnittlich zwischen zwei und fünfzehn Monaten mit einem bedarfsgesteuerten Pensum. Sie werden zu Beginn mit dem Kunden festgelegt und nach Bedarf verlängert oder angepasst.



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