Sich selbst neu erfinden: Berufswechsel richtig anpacken

Wer heute seinen IT-Job verliert, muss sich oft völlig neu orientieren. Standortbestimmung und Laufbahnberatung können helfen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/11

     

Nie war die Möglichkeit einer betriebsbedingten Kündigung so gegenwärtig wie unter den heutigen, sich immer schneller verändernden Marktbedingungen. Fusionen aufgrund von Globalisierung, Personalreduktion für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit, internationale Rezession in bestimmten Branchen oder begrenzte Entwicklungsmöglichkeiten im eigenen Unternehmen: Seit dem Platzen der Dotcom-Blase ist der IT-Arbeitsmarkt im Umbruch.



Die Arbeitswelt hat sich grundlegend gewandelt. Kein Arbeitsplatz ist mehr auf lange Jahre hinaus sicher. Während der extremen Wachstumsphase der IT-Branche strömten Quereinsteiger und motivierte Studenten in die Firmen - man brauchte Mitarbeiter, die Qualifikation dieser Angestellten war Nebensache.




Jetzt macht sich das Know-how-Defizit bemerkbar, und viele dieser Mitarbeiter haben ihren Job wieder verloren.



Neue Jobs in der Informatikbranche sind dagegen dünn gesät. Für den Mitarbeiter bedeutet das, seine berufliche Entwicklung selber in die Hand zu nehmen: Viele von ihnen müssen sich jetzt in dieser schwierigen Zeit neupositionieren.


Outplacement-Beratung

Abfindungszahlungen - in der Schweiz eher selten - können zwar vermeintlich über den Verlust des Arbeitsplatzes kurzfristig hinwegtrösten, die berufliche Existenz jedoch bleibt in Gefahr.
Die schnellstmögliche Neuplazierung in der angestrebten Position bleibt demnach der einzige Weg, freigesetzten Mitarbeitern eine Perspektive zu geben. Auf Kaderebene wird deswegen häufig eine interne oder externe Outplacement-Beratung in Anspruch genommen, um entlassenen Mitarbeitern schleunigst zu einem neuen Arbeitsverhältnis - eventuell auch in einer anderen Branche - zu verhelfen.



Die Erfahrung zeigt allerdings, dass auch langjährige Führungskräfte, die selber zahlreiche Mitarbeiter rekrutiert haben, sich mit der eigenen Neuorientierung überraschend schwer tun. Häufig sind sie unsicher, weil sie sich schon lange nicht mehr beworben haben, und müssen sich erst mal darüber im Klaren werden, welche Chancen auf dem Arbeitsmarkt noch geboten werden. Ausserdem fürchten sie, dass es ihre Chancen mindert, wenn herauskommt, dass sie zum Jobwechsel gezwungen sind.




Um all diese Probleme zu minimieren, bieten Unternehmen insbesondere ausscheidenden Managern eine Outplacement-Beratung. Ein Spezialist wird beauftragt, den ausscheidenden Mitarbeiter bei der Neupositionierung so lange zu beraten, bis er einen neuen Vertrag abgeschlossen hat.




Den Standort bestimmen

Nicht in allen Unternehmen werden dieses Beratungen angeboten. Meist muss sich der stellenlose Mitarbeiter selbst weiterhelfen.



Um sich neu zu positionieren, raten Fachleute zu einem Standortbestimmungskurs. "Standortbestimmung heisst, einen Blick zurückzuwerfen, seine Visionen zu formulieren und sich darüber klar zu werden, was möglich ist und was nicht", erläutert Peter Graf, Berufsberater der Akademischen Berufsberatung in Bern. Die Kurse und Beratungen dazu werden von den öffentlichen Berufs- und Laufbahnberatungen in allen Regionen der Schweiz oder den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) kostenlos angeboten.




Die Standortbestimmung - einzeln oder in einer Gruppe - kann ganz neue Perspektiven eröffnen: Dabei kommen Handicaps und Fähigkeiten zum Vorschein, deren man sich normalerweise nicht bewusst ist.



Aspekte wie Selbsteinschätzung, Wahrnehmung, Werte oder Selbstbild/Fremdbild sind in einem Standortbestimmungskurs zentral, denn oft driften die eigene und die fremde Wahrnehmung weit auseinander.



Die Analyse der individuellen Eignung sowie besonderer Stärken und Talente legt vorhandene, teilweise nicht erkannte oder nicht (mehr) bewusste Fähigkeiten frei und bringt diese dann in weiteren Schritten mit den Anforderungen einer neuen Aufgabe zusammen. Fragen zur Eignung wie




• Was kann ich besonders gut?




• Wie unterscheide ich mich dabei von anderen?




• Welche Probleme löse ich besonders gern?




• Wer braucht solche Problemlöser, wer ganz besonders?



führen oft zu ganz neuen Erkenntnissen.



Es werden auf diese Weise in der Regel mehrere Möglichkeiten für neue Aufgaben gefunden; vor allem solche, die zuvor - ohne eine solche Bestandsaufnahme und die dadurch möglichen neuen Gedankenansätze - möglicherweise nie oder kaum in Erwägung gezogen worden wären.



Neben Standortbestimmungen vermitteln gerade die RAV verschiedene Seminare, Kurse, Schulungen und Weiterbildungsprogramme, die auf der Suche nach dem neuen Berufsweg helfen können.


Laufbahnberatung

Eine weitere, jedoch nicht ganz billige Möglichkeit, die berufliche Zukunft zu planen, bieten Laufbahnberatungen. Hier werden zusammen mit einem persönlichen Coach die Karriereziele neu formuliert.



Als erstes wird auch hier eine Statusanalyse gemacht. Auf dieser Basis, bei der neben dem beruflichen Werdegang auch persönliche Neigungen und Interessen sowie Stärken und Schwächen Berücksichtigung finden, werden dann ambitiös-realistische Ziele erarbeitet.




Dabei zeigt der Berater seinem Klienten auch neue Möglichkeiten auf, wie beispielsweise den Wechsel in eine andere Branche. Generell sollte ein Berater dabei stets seiner Rolle als neutraler Coach gerecht werden, um dem Klienten so viel wie möglich zu helfen, ihn aber so wenig wie möglich bei seiner Entscheidungsfindung zu beeinflussen.



Im Verlaufe dieser gemeinsamen Arbeit kann der Stellensuchende seine Stärken, seine Fähigkeiten und seine Qualifikationen erforschen und seine Grenzen kennenlernen.



Laufbahnberater informieren über Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten und unterstützen beim Erarbeiten der Entscheidungsgrundlagen. Sie helfen beim Vergleichen verschiedener Lösungsmöglichkeiten und beraten bei der Wahl der Stellung. Arbeitsmarktliche und wirtschaftliche Aspekte werden in die Beratung einbezogen.




Weitere Infos zur Neupositionierung

In allen Regionen bieten öffentliche Berufs- und Laufbahnberatungsstellen regelmässig Kurse zur Standortbestimmung. Diese Kurse sind kostenlos.




Die Schweizer Berufsberatung




Schweizer Verband für Berufsberatung





In der Schweiz gibt es eine ganze Reihe privater Berufs- und Laufbahnberatungsstellen. Viele richten sich an ein bestimmtes Zielpublikum und haben eigene Beratungskonzepte. Im Gegensatz zu den öffentlichen Beratungsstellen sind diese Beratungsleistungen nicht kostenlos.




Fachverein freischaffender Berufsberater




Nützliche Linksammlung zu allen wichtigen Websites im Bereich Bildung, Ausbildung, Weiterbildung und Beratung:




www.fab-forum.ch/linksammlung.htm




www.w-a-b.ch




www.eduscout.ch




www.alice.ch


Buchtip

Im Beobachter Verlag ist der Ratgeber "So positionieren Sie sich im Berufsleben" erschienen, der sich mit der Problematik Neuorientierung auseinandersetzt. Die Autorin Regula Zellweger versucht darin, Betroffenen Mut zu machen und sie mit einer Mischung aus Hintergrundinformationen, Übungen, Geschichten und Erfahrungsberichten dazu zu motivieren, sich eigenverantwortlich Fragen zu stellen und zu beantworten. Sie hat auf Tips und Tricks verzichtet, zeigt dafür aber die Zusammenhänge auf, stärkt Ressourcen und beleuchtet Verhaltensweisen, die das Erreichen der persönlichen Ziele bisher vielleicht verhindert haben.

ISBN: 3-85569-270-X


Beobachter-Buchverlag

Seiten 144; Preis: Fr. 24.-



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