IBM ThinkPad TransNote: Notebook trifft auf Urahn

Mit dem ThinkPad TransNote, einer Kombination aus Notebook und Notizblock, stellt IBM die eigene Innovationskraft unter Beweis.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/05

     

Die Überraschung ist gelungen: Am 12. Januar stellte IBM mit dem ThinkPad TransNote eine Weltneuheit vor. Auf der Grösse einer 2,5 Kilogramm schweren Aktenmappe treffen zwei Welten aufeinander, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: links das moderne Notebook, rechts der archaische Notizblock - quasi der analoge Vorgänger. Auf dem Schreibblock können Notizen und Skizzen verfasst werden, die sich danach auf das Notebook übertragen und dort weiter verarbeiten lassen. Ob die Welt auf diese Synthese gewartet hat, muss sich zuerst noch zeigen. Unser Test hat hervorgebracht, dass der ThinkPad TransNote vor allem dann Sinn macht, wenn man in erster Linie Skizzen aufzeichnen muss. Text gibt man doch viel schneller über eine Tastatur ein.



Anlässlich einer Präsentation positionierte denn auch der bei IBM zuständige EMEA-Brand-Manager Peter Sutherland gegenüber InfoWeek das neue IBM-Gadget klar als Nischenprodukt. Es sei aber wichtig für das Marken-Image von IBM als innovatives Unternehmen. Als Zielgruppe nannte er unter anderem Kreative, Versicherungsvertreter, Anwälte und Manager.




Der Mobilrechner basiert auf einem ThinkPad 240, wurde aber an die bescheidenen Platzverhältnisse angepasst.



Auf der rechten Seite der Mappe befindet sich der Papierblock. Geschrieben wird mit einem Kugelschreiber, der eine klitzekleine, von einer AAAA-Batterie betriebene Funkzelle beheimatet. Über den Druck auf die Kugelschreibermine wird die Übertragung aktiviert. Vier Ersatzminen liefert IBM gleich mit - wenn diese auch verbraucht sind, erhält man weitere im Fachhandel.


IBM liefert das Papier

Der Stift sendet seine Daten an den Empfänger, der sich unter dem Schreibblock befindet. Dieser setzt die Daten grafisch um und legt sie in einem Zwischenspeicher ab. Dieses Konzept bietet den Vorteil, dass der Schreibblock auch ohne Notebook genutzt werden kann. Bis zu 50 Seiten können so aufgezeichnet werden. Beim nächsten Aufstarten des Mobilrechners erfolgt dann die Datenübertragung über das Breitbandkabel zwischen Schreibtablett und Notebook.



Zwar kann jeder handelsübliche Schreibblock mit dem ThinkPad TransNote verwendet werden, IBM liess es sich aber nicht nehmen, gleich auch noch das passende Papier zu kreieren: Der von Big Blue entwickelte Schreibblock zeichnet sich durch Seitenzahlen aus, die in der linken unteren Ecke aufgedruckt sind. Diese korrespondieren mit der Numerierung im kleinen LCD-Display am linken Rand des Schreibtabletts.




Wenn eine Seite voll ist und abgerissen wird, muss die Seitennummer auf dem Tablett nachgeführt werden. Sonst besteht die Gefahr, dass man die bereits gespeicherten Seiten überschreibt. Die Seitennumerierung des Schreibtabletts dient als Referenz für den IBM Ink Manager Pro, die Software, mit der die Notizen auf dem Mobilrechner verwaltet werden. Die Anwendung dient im wesentlichen als Archiv für die beschriebenen Seiten bietet aber noch einige weitere Funktionen.


Mehr als nur ein Schreibblock

Direkt auf dem Papier können einzelne Elemente ausgewählt und kopiert werden, indem man mit dem Kugelschreiber einen Kreis um die betreffende Stelle zieht. Diese Ausschnitte lassen sich darauf im Ink Manager in eine To-Do-Liste übernehmen, als Nachricht ablegen oder in einer anderen Anwendung weiter verwenden.



Das spätere Auffinden der handschriftlichen Inhalte im Ink Manager wird erheblich erleichtert, wenn man die integrierte Keyword-Funktion konsequent nutzt. Nach diesen Schlüsselwörtern kann das Archiv durchforstet werden. Allerdings müssen die Keywords manuell erfasst werden. Eigentlich sollte eine integrierte Grafikerkennungsfunktion einem zweimal identisch aufgezeichneten Element automatisch ein bereits erfasstes Schlüsselwort zuweisen. Bei unserem Test funktionierte diese Funktion aber nicht.




Dass jede erfasste Notiz mit einem Zeitstempel versehen wird, vereinfacht ebenfalls das Aufspüren von Notizen. Zudem besteht die Möglichkeit, den Ink Manager mit den PIM-Anwendungen Lotus Organizer oder Microsoft Outlook zu verbinden. Jede handschriftliche Aufzeichnung wird dadurch im Kalender registriert, und die jeweiligen Einträge verweisen direkt auf die betreffenden Notizen.



Die auf den Namen ThinkScribe getaufte Schreibunterlage, die für die Aufzeichnung der Notizen verantwortlich ist, kann auch im sogenannten Grafic Tablet Mode betrieben werden. Der Kugelschreiber wird dadurch zur Maus. Diese Funktion ist vor allem dann nützlich, wenn man eine Skizze in einer anderen Anwendung weiter ergänzen will.



Der ThinkPad TransNote wird zudem mit der Post-it-Software von 3M ausgeliefert, dem digitalen Pendant zu den gelben Klebezetteln. Skizzen und Notizen können ausgeschnitten und auf einen gelben Sticker als Reminder gebannt werden. Ausschnitte können auch als Nachricht in den Ink Manager übernommen, darauf in die Post-it-Anwendung übertragen und als E-Mail versandt werden.




Gute Idee mit Raum für Verbesserungen

Da das Geschriebene als Vektorgrafik gespeichert wird, kann man die Daten vielfältig weiterverwenden. So lassen sich die Seiten als TIF-, PostScript- oder PDF-File speichern. Das Kopieren einzelner Ausschnitte erfolgt über die Zwischenablage namens Ink Clipboard Viewer, worauf sie weiter exportiert oder als Bitmap- oder JPEG-File gespeichert werden können.



Unbestritten bringt IBM mit dem ThinkPad TransNote ein interessantes Gerät auf den Markt. Da der Mobilrechner über einen Touchscreen verfügt, ertappt man sich schon bald dabei, dass man alles mit dem Kugelschreiber bedient - die Tastatur und der bekannte IBM-TrackPoint für die Maussteuerung verkommen zur Nebensache.




Bei näherer Betrachtung des Konzepts offenbaren sich aber einige Schwachstellen. Die Mappe lässt sich zwar so zusammenfalten, dass wahlweise nur der Notizblock oder der ThinkPad genutzt werden kann. Das Design macht es aber unumgänglich, dass zwei verschiedene Versionen - eine für Links- und eine für Rechtshänder - angeboten werden müssen. Es wäre doch viel bequemer gewesen, wenn man Schreibunterlage und Notebook trennen und beliebig anordnen könnte.



Was zudem fehlt, ist eine Handschrifterkennung. Ob dieses Feature in eine allfällige weitere Version implementiert wird, ist gemäss Peter Sutherland noch nicht klar. Bis dann hat man wenigstens die Möglichkeit, ein von IBM entwickeltes Developer-Kit zu nutzen und elektronische Formulare mit standardisierten Feldern selbst zu entwickeln.



Obwohl auf dem Testgerät Windows 2000 installiert war, entpuppte sich das System bei gewissen Tasks - beispielsweise beim Umschalten zwischen dem Grafiktablett- und Notizmodus - als instabil: Es stürzte ab. Diese Unzulänglichkeit sollte sich aber gemäss IBM durch erneutes Installieren der Software aus der Welt schaffen lassen. Hier stellt sich aber ein Problem: Die Software wird als Recovery-CD zwar mitgeliefert, ein Laufwerk steht aber nicht bereit. Hierfür muss der IBM-Kunde gleich nochmals Geld in die Hand nehmen und ein externes USB-CD-ROM- und/oder Diskettenlaufwerk kaufen.



Ein weiterer wunder Punkt ist die Akkubetriebsdauer: Nach etwa zwei Stunden ist die Batterie leer. Aufgrund der beschränkten Platzverhältnisse musste IBM bei der Akkugrösse Abstriche machen. Daran ändert auch der mit der stromsparenden SpeedStep-Technologie ausgestattete Intel-Prozessor wenig.



Alles in allem kann der ThinkPad TransNote als eine kompakte Kombination bestehend aus Notebook und Grafiktablett bezeichnet werden. Nur: Ein Sub-Notebook erhält man schon um 3000 Franken und ein Wacom-Schreibtablett für die USB-Schnittstelle kostet rund 800 Franken und die Software für die Handschrifterkennung gibt's gratis bei www.wacom.de.



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