Bluetooth - Das lange Warten hat ein Ende

In den kommenden Monaten werden Geräte mit dem Funkstandard den Massenmarkt regelrecht überschwemmen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2000/37

     

Stellen Sie sich vor: Bald werden wir wohl ständig ein Headset mit Kopfhörer und Mikrofon auf dem Kopf haben. Damit teilen wir dem Mobiltelefon in der Innentasche unseres Jacketts per Sprachbefehl mit, welche Nummer angewählt werden soll. Die Verbindung wird aufgebaut, und wir sprechen. Sitzen wir im Büro am Arbeitsplatz telefonieren wir über dasselbe Headset via Internet zum Lokaltarif in die USA.



Unterwegs surfen wir im World Wide Web mit dem Handheld auf den Knien - die Verbindung wird über das Handy aufgebaut, das sich in der Brusttasche des Hemdes verbirgt. Wenn wir wiederum unser Büro betreten, synchronisiert der PDA in der Aktenmappe die neuen Termine und Kontakte automatisch mit dem Desktop, ohne dass man ihn auspacken muss.




Möglich wird all das mit Bluetooth, dem kommenden Funkstandard für die Vernetzung von persönlichen Netzwerken. Seit spätestens Anfang 1999 ist Bluetooth in aller Munde - nicht zuletzt weil die oben beschriebenen Szenarien einen gewissen Science-Fiction-Touch haben und trotzdem greifbar nahe sind.



Obwohl schon im letzten Jahr auf verschiedenen Messen erste Produkte als Prototypen gezeigt wurden, wartet man immer noch auf die breite Einführung der ersten Bluetooth-Geräte. Die Zeit des Wartens soll aber bald vorbei sein.


Vielversprechende Anfänge

Mitte 1998 haben sich Ericsson, IBM, Intel, Nokia und Toshiba zur Bluetooth Special Interest Group (SIG) zusammengefunden. Erste Drafts der neuen Funktechnologie für die Datenübertragung auf Kurzstrecken konnten bereits gezeigt werden. Die Resonanz darauf war sehr gross und mittlerweile haben sich weit mehr als 1300 Firmen in der Bluetooth SIG zusammengeschlossen.



Damit war das Fundament für den Erfolg gelegt. Im Juli 1999 wurde die erste Version der Spezifikationen veröffentlicht.




An der Comdex im November 1999 warteten Nokia und Ericsson bereits mit ersten Prototypen auf - alles sprach dafür, dass die ersten Geräte kurz danach auf den Markt kommen würden. Mitnichten: Erste Devices werden nun in limitierter Stückzahl Ende dieses Jahres auf den Markt kommen. Im ersten Quartal des nächsten Jahres wird dann voraussichtlich der grosse Rollout stattfinden.



Die lange Zeit zwischen der ersten Ankündigung von Bluetooth und der Markteinführung von Geräten wurde genutzt, um die Standardisierung der Protokolle zu einem gütlichen Ende zu bringen - angesichts der grossen Zahl der teilnehmenden Firmen ein aufwendiges Unterfangen. Zudem waren die ersten Funkmodule mit einem Preis um 20 Dollar schlicht zu teuer. Das Ziel wären Kosten um 5 Dollar. Ein weiterer Stolperstein war der Stromverbrauch. Obwohl die Funkmodule bei Inaktivität umgehend in einen Standby-Modus schalten, saugten die ersten Prototypen zu stark am Akku.



Schliesslich kam auch die Sicherheit bei der Bluetooth-Übertragung ins Kreuzfeuer der Kritik. Zwei Mitarbeitern von Lucent gelang es im September, die digitalen Schlüssel von zwei kommunizierenden Bluetooth-Geräten abzufangen.




Handys an vorderster Front

Trotz der Verspätung und der Hürden bei der technischen Umsetzung des Standards werden wir bald mit Bluetooth-Geräten überschwemmt werden. Die Mobiltelefone werden zweifelsohne zu den ersten Devices gehören, die mit integriertem Bluetooth-Support aufwarten. Die Branchenleader Ericsson, Motorola und Nokia haben bereits Produkte in der Pipeline.



Noch in diesem Jahr will Ericsson in limitierter Stückzahl ein Bundle bestehend aus einem Bluetooth-Adapter für Handys mit passendem Headset auf den Markt bringen. Im ersten Quartal 2001 ist dann die Einführung des HSCSD-Mobiltelefons T36 vorgesehen, das ein Funkmodul fix implementiert hat. Für das darauffolgende Quartal ist bereits das kombinierte GPRS/HSCSD-Handy R520 mit Bluetooth-Support angekündigt.




Auch Motorola ist nicht untätig und hat neben dem Mobiltelefon Timeport 270, das allerdings für den amerikanischen Markt konzipiert ist, gleich auch Funkmodule für den PC-Card-Slot sowie den USB-Port in Aussicht gestellt.



Damit auch die Gegenseite für den drahtlosen Datentransport gewappnet ist, rüsten sich die PC- und PDA-Hersteller für den Luftkampf im Datenbereich. In Kürze werden die ersten Notebooks und Handhelds mit integrierten Bluetooth-Modulen auf den Markt kommen. Für die bereits erstandenen Mobilrechner wird es von den bekannten PC-Card-Herstellern Produkte in Hülle und Fülle geben. Allein Xircom hat bereits vier Module für das erste Quartal 2001 angekündigt: zwei PC-Card-Adapter, ein Add-on für den Handspring-Handheld Visor sowie eine CompactFlash-Karte für den Einsatz in Handhelds und PDAs.



Von der schwedischen Firma Axis wird im ersten Quartal des nächsten Jahres ein Bluetooth-Printserver erhältlich sein, über den man einen Drucker drahtlos ansteuern kann.



Ebenfalls im ersten Quartal wird Ericsson ihre Bluetooth Homebase auf den Markt bringen. Dabei handelt es sich um einen Access Point, über den man zu Hause mit dem Handy über das Festnetz telefonieren kann - wie man es schon von den Funktelefonen her kennt.




Synchronisation mit Hürden

An Bluetooth-Geräten wird es also demnächst nicht mangeln. Bleibt die Frage, was man mit der neuen Technologie alles treiben kann. Mit den Durchsatzraten stellt Bluetooth keinesfalls eine Konkurrenz zu Wireless-LANs dar, bei denen die Daten mit bis zu 11 Mbps durch die Luft zischen.



Einen wichtigen Stellenwert wird die Synchronisation zwischen verschiedenen Geräten einnehmen. Dabei stellt sich aber ein Problem: Die Geräte müssen sich zuerst einmal verstehen, damit sie miteinander kommunizieren können. Hier setzt SyncML ein, der kommende Synchronisationsstandard. Getragen wird die Initiative unter anderem von Ericsson, IBM, Motorola, Nokia, Palm und Psion.




SyncML basiert auf WAP Binary XML und unterstützt verschiedene Protokolle etwa TCP/IP, HTTP, OBEX sowie E-Mail-Standards wie SMTP, POP3 und IMAP. Die Alpha-Spezifikationen der Version 1.0 von SyncML wurden Ende August verabschiedet. Der öffentliche Release der Version 1.0 soll im vierten Quartal dieses Jahres erfolgen.



Erstaunlich: Microsoft glänzt bei SyncML durch Abwesenheit. Die Redmonder planen aber, Bluetooth-Support als drahtlosen Datenbus in Windows im ersten Halbjahr 2001 einzuführen. Bei der Synchronisation mit mobilen Devices setzt Microsoft auf OBEX, womit die Interoperabilität mit SyncML gegeben sein wird. Windows wird zudem die anwesenden Bluetooth-Geräte automatisch erkennen und konfigurieren können. Weiter soll auch das Dial-up-Networking unterstützt werden, wodurch einerseits der Zugriff auf Firmennetzwerke und andererseits der Internetzugang über Mobiltelefone und Nullmodems ermöglicht wird.




Anwendungsmöglichkeiten

Neben der eigentlichen Datensynchronisation und dem Internet- und LAN-Zugriff bestehen weitere Anwendungsmöglichkeiten für Bluetooth. Unter dem Stichwort Hidden Computing werden vielversprechende Zukunftsvisionen zusammengefasst. So ist es beispielsweise möglich, in Flughäfen oder anderen stark frequentierten Lokalitäten Bluetooth-Access-Points einzurichten. Die Reisenden können dadurch über ihr Mobiltelefon auf das Festnetz und damit auf das World Wide Web zugreifen.



Ein anderes Szenario: Ein Bluetooth-Handy könnte auch als Universalschlüssel dienen, anstelle einer Badge-Karte oder sogar eines Autoschlüssels. Verschiedene Autohersteller, darunter DaimlerChrysler und Ford, prüfen derzeit diese Einsatzmöglichkeiten der Funktechnologie.




Man darf also gespannt sein, was in den nächsten Monaten auf den Markt kommt. Bluetooth hat zweifelsohne das Zeug dazu, unser Leben zu verändern und ein bisschen einfacher zu machen.



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