Editorial

Versteckte Lizenzkosten: Muss das sein?


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/10

     

Der Erwerb von Software wäre im Grunde eine simple Sache: Der Kunde entscheidet sich für das Produkt seiner Wahl, kauft die erforderliche Anzahl Lizenzen und nutzt das Programm, solange er will. Braucht er ein Update, wird dieses hinzugekauft. Braucht er Support, so löst er sich ein Abo für die Hotline.



So simpel sind Softwarekäufe heute höchs­tens für Kunden, die ihre Programme im Laden oder vorinstalliert auf einem Computer kaufen. In den meisten Unternehmen ist die Realität eine andere: Für Lizenzen wird zwar nach wie vor viel Geld bezahlt, doch was ein Unternehmen dafür tatsächlich in der Hand hat, ist für viele CIOs und andere Informatikverantwortliche längst nicht mehr klar.




Die Rede ist hier für einmal nicht von der Qualität einer Software, sondern ihren Kosten – den versteckten Kosten, um genau zu sein. Der IT-Consultant versteht darunter die mit der Einführung einer neuen Software verbundenen Aufwendungen wie etwa die Schulung der Mitarbeiter, die Installation der Software oder Migrations- und Implementierungskosten. Auch davon soll hier nicht gesprochen werden.


Das Thema sind vielmehr versteckte Lizenz­kosten. Versteckt sind sie deshalb, weil sie von den betreffenden Softwareherstellern in ihren kleingedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen und dicken Preislisten so gut verborgen sind, dass viele Käufer sie erst entdecken, wenn es bereits zu spät ist, sprich: die Software mit viel Aufwand eingeführt ist und ein Zurück nicht mehr möglich ist.


Eine gewisse Bekanntheit hat zum Beispiel der Hersteller einer Familie betriebswirtschaftlicher Anwendungen dadurch erlangt, dass seine Kunden sich regelmässig erst im nach­hinein bewusst werden, dass auch die «indirekte» Nutzung der ihnen überlassenen Software lizenzpflichtig – also kostenpflichtig – sein soll. Die entsprechende Klausel im Vertrag ist rasch übersehen, wird von besagtem Softwarehaus aber seit Jahren geschickt benutzt, um von Kunden Lizenzgebühren nicht nur für Benutzer der eigenen Software zahlen zu lassen, sondern im Ergebnis auch für Benutzer von Drittprogrammen, soweit diese zum Beispiel Finanzdaten aus der Buchhaltungslösung des Softwarehauses weiterverarbeiten und diese damit eben «indirekt» nutzen. Es erstaunt nicht, dass es kundenseitig zu konsternierten Reaktionen kommt, wenn sie sich eines Tages plötzlich mit einer Nachforderung für entsprechende Lizenzgebühren konfrontiert sehen. Da sie den Hersteller nicht wechseln können, beissen viele in den sauren Apfel und zahlen ihr Lehrgeld.


Der Einsatz für einen Nichtfachmann schwer durchschaubarer Klauseln in Lizenzverträgen zwecks langfristiger Umsatzsicherung sind in der Softwareindustrie keine Seltenheit mehr, und immer häufiger reissen zu spät erkannte Kostenautomatismen unangenehme Löcher in die IT-Budgets von Unternehmen. Auch zeigen heute selbst Hersteller von Standardsoftware im Massenvertrieb anders als noch vor einigen Jahren keine Scheu, zwecks Überprüfung der korrekten Lizenzierung ihrer Kunden von vertraglichen Auditrechten auch ohne Anlass Gebrauch zu machen. Der Umgangston gegenüber eigenen Kunden ist dabei teilweise erschreckend rüde geworden.


Der finanzielle Erfolg der Softwarehersteller scheint ihnen auf den ersten Blick Recht zu geben. Vielleicht ist die Wirtschaft tatsächlich nachlässiger geworden, was die korrekte Lizenzierung von Software betrifft. Ob es jedoch langfristig zielführend ist, sich grundsätzlich rechtstreue Kunden mit Daumenschrauben und vertraglichen Kostenfallen als Umsatzquelle zu erhalten, darf bezweifelt werden. Oder ist das letztlich das unvermeidbare Ergebnis eines immer härter werdenden Konkurrenzkampfes der Softwareindustrie?




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