IT-Verbände raufen sich zusammen

IT-Verbände gibt’s in der Schweiz wie Sand am Meer. Für die IT-Zunft bringen sie vor allem eines: eine gewichtigere Stimme in Politik und Wirtschaft.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/09

     

GST, ISACA, SARIT, simsa, SI, SGMI, SwissICT, SVIA, SVIB... die Liste der Schweizer Informatikverbände ist lang, sehr lang sogar. Die Bereiche, in welchen die verschiedenen Verbände tätig sind, decken dabei praktisch die gesamte Branche ab: Von Software-Entwicklung und Ausbildung über Informationssicherheit hin zu Forschungs- oder medizinischer Informatik findet sich für ziemlich jeden Aspekt der IT ein Verband.



Die Grösse der einzelnen Verbände variiert dabei stark. Die bekanntesten und grössten sind sicherlich der ICT Switzerland – die Dachorganisation, der Verband der Verbände sozusagen –, die Swiss­ICT und die Schweizer Informatik Gesellschaft (SI). Dass gerade die letzteren zwei eine sehr hohe Mitgliederzahl aufweisen können, liegt hauptsächlich daran, dass sich die SwissICT sowie die SI mit sehr vielen Aspekten der IT beschäftigen, im Gegensatz beispielsweise zur doch eher spezialisierten Gesellschaft zur Förderung der Softwaretechnologie (GST).




Die aktuelle Situation in der Schweizer Verbandslandschaft ist somit eher etwas verzettelt. Dennoch ist die Lage laut Thomas Flatt, Präsident der SwissICT, nicht unbedingt schlecht. Ein kurzer Überblick über die Dachorganisation ICT Switzerland: «In der Schweiz gibt es eine Vielzahl von IT-Verbänden, wobei die meisten im ICT Switzerland organisiert sind.



Innerhalb des ICT Switzerland ist der SwissICT bezüglich Mitgliederzahl und Mitgliederbeiträgen der grösste Verband. Neben den IT-Verbänden ist auch die ASUT als Telekommunikationsverband dem ICT Switzerland angeschlossen. Wird die ASUT nicht mit eingerechnet, so vereinigen SI (4) und SwissICT (17) zusammen fast 50 Prozent der Stimmen an der Delegiertenversammlung des ICT Switzerland. Es folgen SIMSA mit vier Stimmen, VIW mit drei Stimmen und der GRI als Westschweizer Verband mit weiteren drei Stimmen. Alle anderen Verbände haben je eine Stimme an der Delegiertenversammlung. SWICO als weiterer wichtiger Branchenverband ist heute noch nicht Mitglied im ICT Switzerland.»
Dass bloss zwei Verbände beinahe die Hälfte der Stimmen an der Delegiertenversammlung besitzen, trägt dabei sicherlich zur Entscheidungsfreude der Dachorganisation bei.


Konkrete Vorteile?

Wer Mitglied in einem IT-Verband werden möchte, muss Mitgliedergebühren zahlen. Und wer zahlt, erwartet auch eine entsprechende Gegenleistung. Doch was genau sind eigentlich die Vorteile, welche IT-Verbände Unternehmen und Einzelpersonen bieten können? Flatt sieht das ziemlich klar: «Die IT-Verbände bilden die Basis, um den Organisationsgrad des Sektors zu erhöhen. Aufgabe eines Verbandes ist es, Themen, die von langfristiger Bedeutung sind, aufzunehmen und vorwärts zu treiben, auch wenn kurzfristig kein kommerzielles Interesse dahinter steht – Ausbildung ist dafür ein gutes Beispiel.»


Die Grösse der jeweiligen Verbände spielt bei dieser Frage allerdings eine zentrale Rolle. Während kleinere, spezialisierte Verbände vor allem konkrete thematische Probleme aufgreifen und zu lösen versuchen, haben Dachträgerorganisationen und grössere Verbände – nebst den üblichen Aufgaben in Fachgruppen und Expertengremien – auch Querschnittsthemen, wie beispielsweise die erwähnte Förderung des Nachwuchses, die Ausbildung oder die strategische Vorgehensweise zu bewältigen.



Natürlich gibt es auch konkrete finanzielle Vorteile, wenn man Mitglied in einem Verband ist. So können auf den Verbandswebsites Waren zu einem um zehn Prozent reduzierten Preis für andere Mitglieder angeboten werden. Zudem steht den Personen die jährliche Salärumfrage zur Verfügung. Weitere Vorteile, welche durch branchenüberspannende Organisationen erreicht werden können, sind ausserdem die Implementierung von Standards, wie beispielsweise das kürzlich erschienene «Buch der Berufe» oder die Bereitstellung von Modellverträgen.


Nebst Seminaren und Fachgruppen, welche ganz konkret IT-relevante Probleme bearbeiten, ist aber auch das Networking ein wichtiger Bestandteil von IT-Verbänden. Ebenso, wenn nicht noch bedeutender, ist zudem die Möglichkeit des erfolgreichen Lobbying: Damit der IT-Sektor in Zukunft eine gewichtige Rolle in der Politik und in der Wirtschaft spielen kann, ist eine starke Trägerorganisation vonnöten. Ein erster Schritt ist heute mit der geplanten Fusion von SwissICT und SI getan.


Eine starke Stimme

Die Konsolidierung der Verbände führt dazu, dass nicht mehr viele einzelne kleine Verbände ihre Anliegen kundtun und durchsetzen müssen, sondern dass eine gewichtige Stimme Forderungen erheben kann. Und dass diese Forderungen im Vorfeld vom IT-Sektor aufgegriffen werden und allfällige Widersprüche bereinigt werden können.


Diese Entwicklung soll mit der ebenfalls bereits angedachten, wenn auch noch nicht ausgereiften Fusion des neu entstehenden Verbandes von SwissICT und SI mit der Dachträgerorganisation ICT Switzerland sein: «Den ICT
Switzerland haben wir gegründet, um die Grundlage für die Konsolidierung der Verbandslandschaft vorzubereiten. Ich denke, nun können wir den nächsten Schritt wagen und einen Verband schaffen, welcher nicht nur die kleinen Verbände näher zusammenrücken lässt, sondern aus einem reinen Dachverband einen grossen IT-Verband entstehen lässt und in dem Unternehmen, Informatiker und spezialisierte Verbände organisiert sind.»



Somit gilt hier das Credo, ein Verband für alle und alle in einem Verband. Bis dahin ist es allerdings noch ein langer Weg, und bereits jetzt regt sich erste Konkurrenz. Wie kürzlich bekannt wurde, planen einige grosse US-Konzerne wie HP, IBM und Microsoft zusammen mit weiteren Branchengrössen die Gründung des Swiss ICT Counsils. Zwar ist noch nichts Konkretes dabei zustandegekommen, allerdings dürfte das nur eine Frage der Zeit sein. Ziel dieses Gremiums soll es sein, den Mitgliedern besseres Gehör in Bern zu verschaffen. Ob damit auch der einheimischen IT-Branche gedient ist, bleibt allerdings fraglich.


Klar scheint allerdings, dass sich die IT-Verbandslandschaft zusammenraufen muss. Will man auch in Zukunft klare und wichtige Forderungen durchsetzen, so braucht es eine branchenweite Zusammenarbeit. Letztlich ist dies auch der grösste Vorteil, welcher IT-Verbände mit sich bringen. Denn wie der Name schon sagt: Sie verbinden die IT.



Momentane Stimmverteilung bei ICT Switzerland




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