Editorial

Denn sie wissen nicht, was sie tun


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/06

     

Am 1. Juli 2008 soll es voraussichtlich in Kraft treten: das revidierte Urheberrechtsgesetz. Zu reden gab es vor allem wegen dem, was sich nicht ändert, nämlich dem privaten «Eigengebrauch». Anders als in anderen Ländern bleibt es in der Schweiz weiterhin legal, illegale Kopien von Musik oder Videofilmen – nicht aber Software – aus dem Internet für den persönlichen Gebrauch herunterzuladen, sofern kein Upload stattfindet. Noch mehr Fragen wirft allerdings eine Neuerung auf, welche weiter hinten im Gesetz steckt: Es geht um das Verbot der Umgehung von technischen Massnahmen zum Schutz von Werken und das Verbot der Entfernung oder Änderungen von Informa­tionen für die Wahrnehmung von Rechten.



Klar ist, dass es um das Digital Rights Management (DRM) geht und darum, dass die Schweiz – in Erfüllung internationaler Übereinkommen – das Knacken, Umgehen und Manipulieren solcher DRM-Systeme verbietet. Klar ist auch, dass der Schweizer Gesetzgeber keine einseitige Regelung zum Schutz der Rechte-Inhaber wollte, sondern nach einer ausgewogenen Lösung suchte. So kann das Umgehungsverbot gegenüber denen, die ein Werk nur zum erlaubten Eigengebrauch verwenden, nicht geltend gemacht werden. Wer einen Kopierschutz einer Musik-CD oder Video-DVD zur Herstellung einer Privatkopie für sich knackt, darf das also. Ob die Konsumenten das tatsächlich können werden, ist eine andere Frage, denn das Anbieten von Knack-Tools und entsprechenden Dienstleistungen ist neu strafbar, wenn nicht klar ist, dass es nur für den Eigengebrauch benutzt wird.




Die Unklarheiten beginnen dort, wo es um eben diese Tools und Dienste geht. Denn das neue Gesetz schützt zum Beispiel nur technische Massnahmen, die auch tatsächlich wirksam sind. Nach Gesetz sind das solche Mechanismen, die nicht nur «bestimmt», sondern auch «geeignet» sind, unerlaubte Verwendungen von Werken zu verhindern oder einzuschränken. Wann aber ist ein Schutz geeignet, eine Kopie oder Nutzung zu verhindern? Und zu welchem Zeitpunkt muss dies beurteilt werden? Geht es um den Zeitpunkt, an dem das DRM-System in Umlauf gebracht wird, oder wird die Wirksamkeit erst auf jenen Zeitpunkt beurteilt, an dem der mutmassliche Täter den Schutz geknackt hat oder dies anbot?



Alles deutet auf Letzteres hin, was die Konsequenz hat, dass – überspitzt formuliert – nicht mehr den Letzten die Hunde beissen, sondern den Ersten: Hat ein anderer die Anleitung zum Knacken ins Internet gestellt und haben genügend Anbieter von Kopiertools sie umgesetzt, sind die Chancen gut, dass der Schutz nicht mehr als wirksam gilt und diese Programme vertrieben werden dürfen. So ist es dem 1999 geknackten DVD-Kopierschutz CSS ergangen, weshalb ein finnisches Gericht letztes Jahr die Wirksamkeit von CSS verneint hat.



Das ist nicht das einzige Beispiel im neuen Urheberrechtsgesetz, das Fragen aufwirft. Bezeichnenderweise sieht das Gesetz die Einsetzung einer «Fachstelle» vor, welche dem Bundesrat Bericht über die Auswirkungen erstatten soll, «partnerschaftliche Lösungen» zwischen Anbietern und Nutzern fördern soll und nicht näher definierte «Massnahmen» verfügen kann. Der Gesetzgeber war sich mit anderen Worten sehr wohl bewusst, dass er keine Ahnung hat, was die praktischen Folgen seiner neuen Regelung sein werden. Ob das wirklich eine sinnvolle Art und Weise der Gesetzgebung ist, darf bezweifelt werden. Aber immerhin haben die Juristen etwas davon.




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