Editorial

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Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/06

     

Nein, uns ist in der Titelzeile kein Fehler unter-laufen. Das ist eine Benutzeroberfläche. Sie hat schon etliche Jahre auf dem Buckel, und unser Nachwuchs wundert sich, was dieses Emoticon wohl bedeuten mag. Als ich geboren wurde, gab es nichts anderes und tapfere Tastaturritter haben ihren Computer damit schneller bedient als manch einer heute mit der Maus. Inzwischen sagt man «Command Interface» oder «Kommandozeile» und kann nicht wegdiskutieren, dass damit viele Operationen auf Betriebs­-sys­tem­ebene nach wie vor am effizientesten durchgeführt werden.


Dass heute Computer Befehle auf ganz andere Art entgegennehmen können, ist ja kein Geheimnis. Inzwischen ist alles um uns herum mit so vielen Sensoren ausgestattet, dass wir uns oft gar nicht mehr bewusst sind, dass wir überhaupt Befehle geben. Genau so sollte es auch sein. Schliesslich wollen wir nicht in erster Linie Befehle erteilen, sonst könnten wir ja gleich zum Militär gehen, und wer macht das heute noch … Wir wollen etwas erledigen, machen oder erstellen und dazu Werkzeuge bedienen, die so funktionieren, wie wir denken. Mit «wir» meine ich dabei ganz normale Benutzer, die sich schon seit Jahren nerven, weil Word mit seiner künstlichen Intelligenz alleine stehende kleine «i» zu grossen «I» macht und dabei sein Hündchen mit dem Schwanz wedeln lässt.



Was ich damit sagen will ist, dass Bill Gates, bevor er ging, sich in den Kopf gesetzt hat, dass genau diese Benutzer in Zukunft nicht nur Word, sondern auch Reporting und andere BI-Tools, Formular-Editoren, Workflow Designer, ja ganze Portaloberflächen selber bedienen und verwalten sollen (müssen). Sozusagen nach dem Motto «Ich mach jetzt alles selber», wie damals bei der Desktop-Publishing-Revolution. Was früher ein Webdesigner oder -entwickler gemacht hat, erledigt morgen der «Information Worker» eigenhändig. Und vielleicht auch gleich noch eigenmächtig? Am liebsten mit Visio, das zwar noch nie jemand wirklich bedienen konnte, das aber im Vergleich zu anderen Tools doch relativ Business-User-friendly sein soll. Hinten kommt ja sowieso überall XML raus, das man dann irgendwie zusammenwurstelt, und fertig ist die neue Anwendung.


An sich keine schlechte Idee, aber: «Die Axt im Haus erspart den Zimmermann» hat schon der Tell gesagt, wobei es den angeblich gar nie gegeben hat. Nun ist ja die Axt nicht gerade eben benutzerfreundlich, insbesondere was Fehlmanipulationen betrifft, verzeiht sie wenig, und man sollte sich zweimal überlegen, ob man nicht doch lieber den Zimmermann bestellt. Wenn nun die weiter oben eingeführten Information Worker, in Schlips und Veston gekleidet, anfangen, mit einer solchen Axt ihre Datenbestände zu bearbeiten und die schlauen Berechnungen der Excel-Fetischisten sich flutartig ins Intranet ergiessen, dann gnade Gott denen, die heute auch ohne diese neuartigen Erscheinungen schon so schlechte Resultate liefern wie die UBS.


Benutzeroberflächen werden im Zusammenhang mit der zunehmenden «Emanzipation» des Information Worker also eine ausschlaggebende Rolle spielen. An der Technologie sollte es eigentlich nicht scheitern. Schliesslich wird es aber entscheidend sein, ob die neue Web-2.0-Welt, in der die Benutzer so viel selber machen können, für letztere bedienbar ist oder eben nicht.




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