Mehr Aussensichten! Mehr Berater! Weniger Aussenmeinungen!


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/09

     

Wenn eine Behörde Berater anstellt, ist die Empörung oft gross. Zu recht heisst es, Berater besitzen meist weniger Fachwissen als ihre Kunden und raten nur, was diese sowieso schon selber wissen. Doch ist es deshalb Geldverschwendung, Berater anzustellen? Oder anders gefragt: Genügt die Existenz von Wissen in einer Organisation, um dieses umzusetzen?
In der IT-Beratung gibt zwei markante Gruppen erfolgreicher Berater: die unter 30 Jahren, die viel Power haben, und die über 40 Jahren, die über Fachwissen und Erfahrung verfügen. Für diese gibt es – abgesehen von den ganzen Realisierungsprojekten – zwei Kernaufgaben. Sie müssen die Nutzung des internen Wissens bei den Kunden fördern und sie werden zur Objektivierung der IT-Innovationspläne der Kunden gebraucht. Das Erstere setzt wenig Fachwissen des Beraters voraus. Für das Letztere benötigt der Berater Überblick, Erfahrung, Fachwissen, Unabhängigkeit und eine gesunde Portion Zynismus. Die erste Kernaufgabe wird realisiert, indem beim Kunden zuerst die Gruppe der Mächtigen und die Gruppe der Fähigen identifiziert werden. Danach werden beide Gruppen befragt und schliesslich deren Meinungen zu einem politisch durchsetzbaren Gutachten integriert. Die zweite Kernaufgabe beinhaltet unter anderem die Beratung bei der Projektplanung. Typischerweise unterschätzen dabei die Kunden Aufwand und Risiken massiv, weil sie sich am konkreten Projektplan und an akademischem Aberglauben wie dem kritischen Pfad orientieren. Orientiert man sich dagegen am Mittelwert für vergleichbare Projekte und modifiziert diesen durch die Bewertung der besonderen Risiken und Möglichkeiten des eigenen Vorhabens, kommt man zu realistischeren Ergebnissen.





Gute IT-Berater nutzen für ihre Arbeit primär das Wissen beim Kunden und empirische Erfahrungswerte. Das hat wenig mit «etwas besser wissen» und «neue Konzepte haben» zu tun. Die echten Top-Berater liefern den Kunden einfach verständliche Aussensichten, damit diese ihre Ressourcen effektiver nutzen und ihre Innovationen seriöser planen können. Anders als Möchtegern-Top-Berater liefern sie KEINE Aussenmeinungen, neue Paradigmen, schöne Worthülsen oder Innovationsdruck. Denn kluge Ratschläge kann sich ein CIO auch bei Onkel und Tante holen – kostenlos.
In vielen Unternehmen besteht grosser Bedarf für mehr Aussensichten. Die meisten Grossunternehmen bräuchten beispielsweise Vermittler zwischen den einzelnen IT-Abteilungen für Architektur, Entwicklung und Betrieb. Diese schätzen sich gegenseitig selten und kommunizieren darum nicht miteinander. Oft schaffen es erst externe Berater, das vorhandene Wissen zu vernetzen und so beispielsweise schleichend wachsende operative Risiken bewusst zu machen.
Berater verursachen allerdings in der Realität oft auch viel Schaden, indem sie von aussen fremde Ideologien aufpfropfen. Das Ergebnis ist genauso absehbar, wie wenn das Business im Alleingang ein Mega-IT-Projekt beschliesst – nämlich eine exzessive Ressourcenvernichtung.






Wie der Name schon sagt: Aussen-SICHT kommt von Sehen, sprich Verstehen. Mit schön Reden, bunten Slides und coolen Fortbildungskursen hat dies wenig zu tun, sondern mit drei sehr mühsamen und schwierigen Dingen: Kommunizieren, Denken und Verzicht auf vorgefertigte Lösungskonzepte.




Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Was für Schuhe trug der gestiefelte Kater?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER