Mehr Geld für freie Spezialisten
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/07
Die durchschnittlichen Stundensätze für IT-Freelancer sind wieder im Aufwind. Für qualifiziertes Personal bezahlt man heute gerne wieder etwas mehr als noch vor einigen Jahren. In beinahe allen Kategorien von «Software-Entwicklung» über «System-Administration» bis hin zur «IT-Beratung» konnten die Löhne für Freischaffende in den letzten beiden Jahren teilweise markant um bis zu sechs Franken (vier Euro) pro Stunde ansteigen. Ausgenommen von der Entwicklung sind allerdings die Bereiche «Ingenieurswesen» sowie «Grafik, Content und Medien», in welchen die durchschnittlichen Stundensätze seit Ende 2006 insgesamt gesunken sind. Verantwortlich für die insgesamt aber positive Entwicklung ist vor allem die tendenziell grössere Nachfrage bei mehr oder weniger gleichbleibendem Angebot: Es gibt zwar mehr Projekte, nicht aber plötzlich einen Haufen IT-Spezialisten mehr.
Wie die Zahlen des Vermittlers Freelancermap belegen, in dessen Datenbank sich ungefähr 4000 Schweizer IT-Freischaffende eingetragen sind, befindet sich die Schweiz europaweit mit einem durchschnittlichen Stundenlohn von knapp 105 Franken unter den Top drei. Schenkt man allerdings den Zahlen des grössten Deutschen Stellenvermittlers Gulp Glauben, so verdient man bei uns noch eine schöne Stange mehr: Rund
86 Euro – gut 135 Franken – soll der durchschnittliche Schweizer
IT-Freelancer verlangen. Im Gegensatz zu den 71 beziehungsweise 73 Euro, welche Freiberufler in unseren deutschsprachigen Nachbarländern verlangen, ist das ziemlich viel. Laut Gulp stagnieren die Schweizer Löhne aber seit einem halben Jahr, was vor allem mit dem Druck, konkurrenzfähig zu bleiben, zu tun haben dürfte.
Welchen Zahlen nun «korrekter» sind, hängt wohl damit zusammen, auf welcher Stufe und in welchen Positionen sich die befragten Freelancer befinden und ob es sich um die Verlangten oder die gezahlten Stundensätze handelt. Auch hat natürlich nicht jeder Freelancer auf den Plattformen einen Stundensatz veröffentlicht. Klar ist indes, und darin sind sich beide Vermittler einig, dass die Stundensätze in den letzten Jahren nach einem kleinen Abwärtstrend wieder am steigen sind. Allerdings dürften sie nicht mehr ganz so hoch steigen wie während des Internethypes rund um die Jahrtausendwende. Damals lagen die durchschnittlich verlangten Stundensätze laut Gulp bei knapp
100 Euro.
Wenn man die grössten Probleme der IT der letzten zwei Jahre betrachtet, kommt man um das Thema des IT-Fachkräftemangels unmöglich herum. Ein Umstand, der wohl auch zur Wertsteigerung von Freelancern beigetragen hat. Und da kein Ende der Personalkrise in Sicht ist, wird sich wohl die IT als ganzes den neuen Gegebenheiten anpassen müssen. Und das bedeutet: Freelancer werden zum Normalfall. Das bestätigt auch Nico Flemming von Freelancermap, und liefert gleich einige Gründe für diese Entwicklung: «Meiner Erfahrung nach ist die IT bereits ein Freelancer-Bereich. Es ist für Unternehmen finanziell viel vorteilhafter, externe Ressourcen für kurze Zeit projektorientiert zu beauftragen, als Permanent fest angestellte Spezialisten bereit zu halten. Das gilt umso mehr, da die Teilbereiche der Informatik so speziell geworden sind. Outsourcing ist nahezu ein Trend geworden.»
Das Verhältnis von Angebot und Nachfrage scheint Flemming denn auch Recht zu geben. In sehr vielen Kategorien liegt die Nachfrage beim Vermittler höher als das aktuelle Angebot an Spezialisten. Vergleicht man zusätzlich das Verhältnis von Angebot und Nachfrage mit den aktuellen Stundensätzen, wird schnell klar, weshalb sich Managementberater teurer verkaufen können als Software-Entwickler oder Support-Mitarbeiter. Ungeklärt bleibt allerdings, weshalb Web-Spezialisten bei einem ungewöhnlich steilen Gefälle zwischen Angebot und Nachfrage trotzdem am unteren Ende der Stundensätze stehen. Gleiches gilt übrigens auch für Freelancer im den Bereichen Grafik, Medien und Content.
Im Gegensatz zu traditionellen Vermittlern oder Headhunter, welche sich für die Vermittlung ordentlich bezahlen lassen wollen, sind die vergleichsweise billig erreichbaren Freelancer-Datenbanken voll von IT-Profis, sortiert nach Fähigkeiten, geographischem Raum oder Preiskategorie. Mit den Vertragsverhandlungen selbst hat die Vermittlungsplattform nichts mehr zu tun.
Es gibt mehrere Möglichkeiten, sich Kandidaten anzusehen: Entweder klickt man sich selbst durch die Datenbank, oder man lässt sich von den Vermittlungsplattformen geeignete Personen empfehlen. Wie die Daten von Gulp belegen, sind sich Projektanbieter und Freelancer, was den Preis betrifft, zwar selten in allen Punkten einig, Kompromisse werden aber allemal gefunden. So sind sich Anbieter und Freelancer in den letzten Jahren gut entgegengekommen und haben sich bei jeweils einigen Euro unter dem vom Freelancer verlangten Stundenansatz getroffen.