Performance-Sprung um über 100 Prozent

Was ist von Zahlen zu halten, die angeblich belegen, dass eine Software von einer Version zur nächsten eine doppelte bis vierfache so hohe Performance aufweisen kann? Diese Frage stellt sich bei Windows Server 2003.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/04

     

Brian Valentine, Senior VP bei Microsoft mit Zuständigkeit für die Windows-Produkte, hat entsprechende Zahlen unlängst vorgelegt. Die Leistungsfähigkeit der File-Server-Dienste von Windows Server 2003 ist demnach um 98 Prozent gestiegen, Suchvorgänge im Active Directory sollen viermal so schnell und der Webserver gleich um 90 Prozent schneller geworden sein als bei Windows 2000.


Erklärungsversuche

Solche Zahlen lassen mehrere Schlussfolgerungen zu. Microsoft könnte sich für Performance statt Stabilität entschieden haben. Microsoft könnte bei Windows 2000 einfach in der Programmierung gepfuscht haben. Vielleicht haben die Redmonder bei den Code-Reviews für die Optimierung der Sicherheit auch viele andere Aspekte verbessert. Oder man hat Reserven geborgen, die bei Windows 2000 schlicht noch brachlagen. Vielleicht sollen die Zahlen aber auch nur für schnellere Upgrade bei den Kunden sorgen.



Wenn man sich die verschiedenen Bereiche näher anschaut, erklären sich allerdings manche der Optimierungen. Die Dateidienste profitieren sicherlich davon, dass Microsoft sich mittlerweile ausschliesslich auf die Kommunikation über TCP/IP fokussiert hat. Die Altlasten wie NetBEUI spielen keine Rolle mehr. Wenn weniger Abhängigkeiten zu beachten sind, lässt sich ein Dienst auch leichter optimieren. Allerdings erklärt das keine Performance-Verbesserung um 100 Prozent.




Dagegen sind die Optimierungen beim Zugriff auf das Active Directory recht leicht nachzuvollziehen. Immerhin wurde bei Windows 2000 der erste Release des Verzeichnisdienstes ausgeliefert. Und das ist selten optimal, wie ja auch Bill Gates mit seinem berühmt gewordenen Hinweis darauf, dass man nie eine Version 1.0 kaufen soll, vor Jahren erkannt hat. Dass es dort noch viel Luft gegeben hat, kann nicht wirklich überraschen. Interessant ist bei den Performance-Werten auch, dass etwa bei Updates auf einem Einprozessorsystem eine Verbesserung von "nur" 74 Prozent erreicht wurde. Bei 8-Wege-Systemen sind es laut Microsoft bereits schon 345 Prozent, bei 4-Wege-Systemen immerhin beachtliche 292 Prozent.



Das zeigt deutlich, dass nur ein Teil der Optimierung auf die Kernalgorithmen für die Updates zurückzuführen ist. Entscheidend ist, dass bei den Algorithmen auch auf eine bessere Verteilbarkeit über mehrere Prozessoren geachtet wurde. Daneben wurde die Unterstützung von Mehrprozessorsystemen aber auch generell verbessert. Das zeigt sich vor allem bei der File-Server- und der Web Server-Funktionalität.




IIS grundlegend überarbeitet

Am einfachsten ist die Erklärung ohnehin bei den Internetinformationsdiensten (IIS). Microsoft hat diese beim Windows Server 2003 völlig neu konzipiert. Die Architektur der IIS 6.0 unterscheidet sich grundlegend von den Vorgängerversionen. Dabei wurde manches über Bord geworfen, was die IIS seit den ersten Versionen geprägt hat. Dies bringt offensichtlich nicht nur mehr Stabilität und Sicherheit, sondern auch eine ungleich höhere Performance als noch unter Windows 2000.



Die Frage, warum es beim Windows Server 2003 gelungen ist, solche Performance-Potentiale zu bergen, ist mit diesen Hintergrundinformationen aber noch immer nur zum Teil beantwortet. Dass Microsoft sich für Performance statt Stabilität entschieden hat, ist eher unwahrscheinlich. Denn für die doch öfter auftauchenden Blue Screens unter Windows NT hat sich das Unternehmen schon einmal eine blutige Nase geholt. Das Risiko einer Wiederholung wird man nicht eingehen.




Und den Vorwurf, bei Windows 2000 gepfuscht zu haben, wird Microsoft sicher auch nicht akzeptieren. Wer mit der Entwicklung komplexer Software intensiv beschäftigt ist, weiss auch um die Probleme, mit denen man dabei konfrontiert ist. Software muss fertig werden. Die Aussage, dass vieles in Windows 2000 eben einfach fertig werden musste und zweifelsohne noch nicht bis ins Letzte optimiert war, ist für Microsoft wohl eher zu akzeptieren - und diese Annahme dürfte auch zutreffen. Wenn man verfolgt hat, wie viele grundlegende Funktionen sich noch zwischen der Beta 1 und der Beta 2 von Windows 2000 Server verändert hatten, dann kann das fertige Produkt nicht zu 100 Prozent optimiert gewesen sein. Das gilt in besonderem Masse für das Active Directory.




Mit Vorsicht zu geniessen

Dass Microsoft natürlich gerne auch mit tollen Performance-Werten aufwartet, um seine Kunden in einer schwierigen Zeit zu schnelleren Upgrades zu bewegen, steht ausser Frage. Allerdings sind solche Zahlen viel zu leicht nachprüfbar, als dass es Sinn machen würde, sie zu schönen.



Dagegen haben die Code-Reviews, um die Sicherheit des Systems zu optimieren, ganz zweifelsohne dazu beigetragen, das System auch schneller zu machen. Wenn Algorithmen systematisch überprüft werden, entdeckt man nicht nur Sicherheitslücken. Auch andere Schwachstellen fallen dabei zwangsläufig auf.




Am meisten profitiert Windows Server 2003 aber davon, dass Microsoft viele Altlasten über Bord geworfen hat. Hier sind an erster Stelle die IIS 6.0 zu nennen. Wenn man tiefer ins System blickt, wird deutlich, dass auch die SCSI-Treiber überarbeitet wurden. Hier hat sich Microsoft von einem Konzept getrennt, das mit Windows NT 3.1 bereits eingeführt wurde.



In der Summe führen diese Anpassungen dazu, dass Windows Server 2003 wesentlich performanter geworden ist als sein Vorgänger. Wie die Praxis zeigt, hat das keineswegs zu weniger Stabilität geführt.



Deutlich wird aber auch noch etwas anderes: Nachdem bei Windows Server 2003 nicht mehr die grossen Schritte, sondern die gezielten Optimierungen des Vorhandenen im Mittelpunkt standen, konnte sich Microsoft offensichtlich viel stärker auf die Softwarequalität - und dazu gehört auch die optimierte Performance - konzentrieren als früher. Was auch zeigt, dass längere Release-Zyklen nicht von Nachteil sind, sondern dem User nicht nur viele Upgrades ersparen, sondern auch reifere Produkte liefern.



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