Was nicht zum Kern gehört, wird ausgelagert

Zwei Beispiele aus der Praxis zeigen, was Outsourcing für Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb hat.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/01

     

Die Migrosbank hat bereits vor fünf Jahren die Basiskomponenten ihrer IT-Umgebung ausgelagert. Davor betrieb sie selber zwei Rechenzentren und eine eigene Entwicklungsabteilung für Banken-Applikationen. Da die PC-Beschaffung nicht zentral geregelt war, herrschte ein eigentlicher Wildwuchs mit Geräten verschiedener Anbieter. Heute ist die Migrosbank vom Volumen her die grösste Kundin der Real Time Center AG (RTC). Diese betreibt die Basis-Anwendungen sowie den Front-Office-Bereich mit rund 1300 PCs in der ganzen Schweiz. Im Rechenzentrum der RTC stehen auch die Server für die Bankenlösung IBIS. Dagegen hat der Insourcer nur zwei bis drei der IT-Spezialisten der Migrosbank übernommen. Aufgrund der damaligen Situation - es herrschte Mangel an Fachkräften - liessen sich die übrigen Betroffenen relativ einfach an andere Unternehmen vermitteln.


Kaum Differenzierung im IT-Bereich

Fritz Reich, Mitglied der Geschäftsleitung der Migrosbank, ist Leiter Logistik und damit auch für die Informatik verantwortlich. Nach den Gründen für das Outsourcing befragt, nennt er als erstes Argument die Kosten: "Im Verbund mit anderen ist der Betrieb der IT-Umgebung günstiger. Zudem lassen sich die Kosten für die Applikationsentwicklung teilen." Bedenken, im IT-Bereich mit anderen Finanzinstituten zusammenzuarbeiten, beispielsweise bei der Realisierung von Online-Banking-Anwendungen, hat Reich keine. Denn Möglichkeiten, sich von anderen Finanzinstituten zu unterscheiden, sieht er in erster Linie im Umgang mit den Kunden, aber nicht bei der Informatik: "Im Bankenumfeld kann man sich mit 80 bis 90 Prozent der Aufgaben nicht von den anderen differenzieren. Da macht es auch wenig Sinn, eigene Lösungen zu entwickeln."



Doch nicht alleine im Kostenbereich haben sich durch das Outsourcing Verbesserungen ergeben. Die Budgetplanung wurde vereinfacht, da die IT-Kosten aufgrund des Outsourcing-Vertrages von vornherein bekannt sind. Eine weitere Vereinfachung ergab sich bei der Unternehmensführung: "Da wir keine IT-Abteilung mehr besitzen", erklärt Reich, "ersparen wir uns hier auch die Personalverwaltung."




Doch das Outsourcing hat auch Veränderungen im Geschäftsbetrieb mit sich gebracht. "Dieser Schritt hat zu einem Kulturwandel geführt", so Reich. "Wir müssen den IT-Bereich heute anders managen." Dazu zählt ein IT-Controlling, das unter anderem mittels Benchmarks die Einhaltung der Service Level Agreements überprüft. "Insgesamt ist der Umgang formeller geworden, aber auch transparenter", fasst Reich diese Veränderungen zusammen. Und was die Flexibilität insbesondere im Software-Bereich betrifft, so habe diese nachgelassen: "Änderungen müssen immer mit der RTC und den anderen betroffenen Banken abgesprochen werden. Um die verschiedenen Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen, braucht es manchmal auch eine Portion Durchsetzungsvermögen."




Papiergrosshändler lagert PC-Bereich aus

Seit letztem November hat auch die im Papiergrosshandel tätige Firma Antalis Teile ihrer IT-Infrastruktur ausgelagert. Das Unternehmen, früher unter dem Namen "Mühlebach" bekannt, ist Teil einer europäischen Handels- und Dienstleistungsunternehmung und erwirtschaftet in der Schweiz mit 360 Mitarbeitern einen Umsatz von rund 300 Millionen Franken. Das Kernstück der IT-Infrastruktur stellt eine SAP-Umgebung dar für die Verwaltung von Logistik und Finanzen. Für Wartung und Entwicklung steht hierfür eine eigene Informatikabteilung bereit.



Dies hat sich auch durch den Abschluss eines Outsourcing-Vertrages mit HP nicht geändert. Denn dieser umfasst ausschliesslich die rund 320 PC-Arbeitsplätze, die 20 Windows-Server sowie PC-Anwendungen Drucker und den Help Desk. "Der PC-Support gehört nicht zum Kerngeschäft unserer IT-Abteilung, da er kein branchenspezifisches Fachwissen voraussetzt", erklärt Katharina Völkening, Leiterin Informatik und Mitglied der Geschäftsleitung bei Antalis, den Hauptgrund für die Auslagerung. Auch hier haben die Kosten eine Rolle gespielt. "Die Fixkosten lagen bei einem In-House-Support zu hoch", begründet Völkening den Outsourcing-Entscheid. "Ausserdem wollten wir die Kosten besser kalkulieren und kontrollieren können und dadurch auch optimieren", führt Völkening aus. Die damit verbundene Verkleinerung der IT-Abteilung habe durch natürliche Abgänge gelöst werden können.




Das Outsourcing der PC-Umgebung hat zu einer Standardisierung nicht nur der IT-Umgebung geführt, sondern auch der Abläufe. Dadurch hätten sich einige Verbesserungen ergeben, erzählt Völkening: "Die kostentreibenden Faktoren sind nun bekannt, was eine laufende Optimierung ermöglicht." Die Qualität der Dienstleistungen sei jetzt messbar. Doch wie Fritz Reich hat auch Katharina Völkening gewisse Einbussen festgestellt. Insbesondere seien die Durchlaufzeiten bei Supportfällen und Änderungen länger geworden. Auch dies ist ein Hinweis darauf, dass Outsourcing-Abkommen einer steten Überprüfung und allenfalls Anpassung bedürfen.



Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Welche Farbe hatte Rotkäppchens Kappe?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER