Investitionsrückgang trifft Berater
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/44
Nach der Investitionszurückhaltung in diesem Jahr ist auch 2003 nicht damit zu rechnen, dass die IT-Budgets nennenswert wachsen werden. Vielmehr geht es bei den meisten Unternehmen darum, Einsparmöglichkeiten auszuschöpfen. Es wird gerade so wenig gemacht, dass der Produktionsbetrieb nicht gefährdet wird. Das ist eine schlechte Nachricht für die gesamte IT-Branche. Besonders niederschmetternd ist diese Botschaft für die Zunft der IT-Berater: Sie, die sich am Schluss der Wertschöpfungskette befinden und entsprechend verzweifelt nach Aufträgen lechzen, haben momentan nichts zu lachen.
Die Ausgaben für Hardware, Software und Services werden nach Erhebungen der Investment-Bank Goldman Sachs gegenüber 2002 weltweit nur um zwei bis drei Prozent zunehmen. Die Meta Group schätzt, dass im kommenden Jahr lediglich zehn Prozent der Firmen mehr Geld in ihre IT investieren werden. Die Hälfte der Unternehmen werde die Ausgaben auf dem Niveau des Vorjahres einfrieren. Und bei 40 Prozent seien sogar Budgetkürzungen zu erwarten.
Vor allem an der Hardware wird gespart: Neuanschaffungen im Bereich PCs und Peripherie, die nicht unbedingt sein müssen, gibt es zurzeit nicht, tönt es unisono aus den IT-Abteilungen. Daran ändern auch die zurzeit günstigen Preise nichts. Heute legt man sich nicht mehr automatisch die nächste Hardwaregeneration zu.
Aber auch bei den IT-Projekten herrscht tote Hose. Dies hat zur Folge, dass immer mehr Berater sich um immer weniger Mandate reissen. Die Kunden in den Unternehmen nutzen dies geschickt aus und schrauben die Qualitätsansprüche immer höher. Gefragt sind vertrauenswürdige Partner und keine phrasendreschenden Egomanen, die zu Zeiten der neuen Ökonomie ihre Hochkonjunktur erlebten. Eine eindrückliche Powerpoint-Schlacht genügt heute längst nicht mehr, die Consultants müssen einen Erfolgsnachweis belegen können.
Es ist klar, die Auftraggeber sitzen wieder am längeren Hebel. Das zeigt sich am deutlichsten bei den Honoraren, die in den letzten Monaten massiv zurückgestutzt wurden. Die Zeit, als ein Berater 7000 Franken und mehr für seine Einflüsterungen verlangt hat, sind vorbei, heute müssen auch Seniors sich mit deutlich weniger als 4000 Franken pro Tag bescheiden. Manchmal dürfte es auch noch weit darunter sein: In der IT-Branche zirkulieren schon seit längerem die wüstesten Honorarschauermärchen wie dasjenige eines SAP-Beraters, der sich zu einem Tagesansatz von 600 Franken verdingt.
Der Kampf um die Kunden wird über den Preis geführt. Zudem werden Projekte wieder vermehrt im eigenen Haus abgewickelt. Die Credit Suisse Group etwa, die laut Insidern zu Spitzenzeiten der New Economy bis zu 70 verschiedene IT-Beraterfirmen im Haus hatte, vertraut mittlerweile wieder auf die eigenen Business-Instinkte.
Der Rückgang der Externen ist nicht nur auf die darbende Konjunktur zurückzuführen, die allseits zu Projektstopps geführt hat. Dass Unternehmen wieder zunehmend selbst aktiv werden, hat auch mit den teils verheerenden Beraterpleiten zu tun.
So wird das Scheitern des Bank-Vontobel-Projekts YOU stark in Zusammenhang mit den Beratern von PWC Consulting gebracht. Die YOU-Pleite hat sich zum Sinnbild für schlechte Beratungsleistung in den Köpfen der Unternehmer festgesetzt. Kommt hinzu, dass durch das Scheitern von ehemaligen (McKinsey-)Beratern wie Lukas Mühlemann und Thomas Wellauer in den Entscheidungszentralen von Topunternehmen der Mythos der Berater ganz entscheidend an Glanz verloren hat.
"Es gibt Berater, die sind Eunuchen, sie quatschen über Dinge, die sie selbst nicht in der Lage wären zu bauen", urteilt Partrick Burkhalter, Chef des Zürcher IT-Dienstleistungsunternehmens Ergon. Viele IT-Konzepte, die den Köpfen von Beratern entsprungen waren, musste das auf Java-Programmierung spezialisierte Unternehmen in die Realität umsetzen. Es stelle sich häufig schnell heraus, dass die Pläne, die von sogenannten Software-Architekten hingestrichelt wurden, nicht realisierbar waren, sagt Burkhalter. Und weil sich Ergon über die Jahre den Ruf eines Executors herbeiprogrammiert hat, wird das Unternehmen auch immer häufiger als Helfer in der Not angeheuert.
Doch ob dafür in Zukunft noch Zeit ist? Laut Burkhalter füllt sich die Pipeline ganz allmählich, die Belegschaft mit 65 Mitarbeiter sei auf jeden Fall bestens ausgelastet.
Der Trend zum Insourcing, also die direkte Anstellung von Beratern im Unternehmen, wird sich in Zukunft womöglich noch verstärken. Dies und die Tatsache, dass generell weniger Projekte abgewickelt werden, führen zu einer kontinuierlichen Redimensionierung der Truppen im Sold der Beratungshäuser. IBM hat Stellen gestrichen, Accenture hat Stellen gestrichen, McKinsey hat Stellen gestrichen. Die Liste liesse sich beliebig fortsetzen.
Zudem in der Print-Ausgabe: Tips zum richtigen Umgang mit Beratern