Do's und Dont's in der Online-Werbung

Zahlreiche Werbeformen im Web sorgen für Ärger. Interaktivität soll die Akzeptanz fördern.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/43

     

Nach den guten Jahren während des Internet-Hype mussten auch die Online-Werber den Gürtel enger schnallen. Die Umsätze sanken, einige Agenturen verschwanden ganz von der Bildfläche, andere wurden von den Marktführern geschluckt. In der Schweiz kann man mittlerweile die professionellen Firmen im Online-Marketing-Umfeld fast an einer Hand abzählen.



Alle Anzeichen deuten jetzt aber wieder auf einen stetigen Anstieg der Werbeausgaben hin, die Talsohle dürfte verschiedenen Studien zufolge in diesem Jahr erreicht worden sein. Das US-Marktforschungsunternehmen Emarketer beispielsweise veröffentlichte kürzlich die Prognosen für die USA. Während die Analysten von einem Umsatzvolumen von 6,38 Milliarden Dollar in diesem Jahr ausgehen, rechnen sie für 2003 mit einem leichten Anstieg auf 6,7 Milliarden. Und bis zum Jahr 2005 sollen die Ausgaben auf 8,1 Milliarden Dollar ansteigen. Das ist zwar immer noch weniger als zum Beispiel im Jahr 2000 (8,23 Milliarden Dollar), jedoch einiges mehr als in den vergangenen zwei Jahren. Während der Online-Werbemarkt im letzten Jahr in den USA um 12,3 Prozent zurückgegangen war und in diesem Jahr laut Prognosen um weitere 11,5 Prozent schrumpft, rechnen die Analysten für 2003 mit einem Anstieg von 5 Prozent. 2004 soll die Zunahme 7,5 und 2005 sogar 12,5 Prozent betragen.




Die Auguren begründen die positiven Aussichten damit, dass einerseits der wirtschaftliche Abschwung vorüber sei und andererseits die Kunden aufgrund der bewiesenen Wirksamkeit von Online-Werbung in ihren Budgets einen grösseren Anteil dafür reservieren.



Dass die Werbetreibenden in den nächsten Jahren mehr Geld in ihre Online-Werbebudgets investieren, zeigt sich auch in Europa. Die aktuelle Studie "Online Advertising Picks Up Again" von Forrester Research besagt, dass das Umsatzvolumen von 844 Millionen Euro in diesem Jahr auf 6,4 Milliarden Euro im Jahr 2007 zunehmen wird. Der Anteil der Online-Werbung am Gesamtwerbebudget von 1 Prozent in diesem Jahr würde somit auf 6,3 Prozent in den nächsten fünf Jahren steigen.



Von den 844 Millionen Euro, die in diesem Jahr voraussichtlich in Europa in die Kassen der Online-Werbetreibenden fliessen, werden 790 Millionen für Werbeauftritte im Internet in Form von Bannerwerbung oder E-Mail-Werbeaktivitäten ausgegeben. 28 Millionen Euro werden laut Forrester für Werbung im interaktiven digitalen TV investiert und 29 Millionen Euro für Anzeigen über Handys.


Erwartungen nur teilweise erfüllt

InfoWeek wollte Anfang Jahr (InfoWeek 02/2002) von den Online-Werbeprofis in der Schweiz wissen, wie sich der Markt hierzulande entwickle. Die Experten waren sich einig: Man rechnete damit, dass sich der Markt konsolidieren wird und ab Mitte Jahr wieder grössere Volumen erwirtschaftet werden. Markus Rusterholz, Head of Product Management von AdLink Internet Media, prognostizierte etwa, dass der Online-Werbemarkt Schweiz in diesem Jahr auf rund 25 Millionen Franken Umsatz kommen wird. Die Prognosen von Rusterholz haben sich weitgehend erfüllt: "Der Online-Werbemarkt konnte im zweiten Halbjahr sicherlich eine erfreuliche Steigerung verzeichnen." Ob die Erwartungen für die einzelnen Vermarkter erfüllt werden konnten, bezweifelt Rusterholz allerdings. Er geht auch davon aus, dass die Konsolidierung im Markt noch nicht abgeschlossen ist.



Für Daniel Gauchat, Planning & Consulting Manager von Publimedia Webadvertising, haben sich die Erwartungen klar nicht erfüllt. "Der konjunkturelle Rahmen gab keine Unterstützung, was sich negativ auf die Ausgaben für beinahe sämtliche Marketingmassnahmen auswirkte, und die Investitionen in die Online-Werbung waren davon überproportional betroffen", so Gauchat.





Europa diktiert den Preis

Für die weitere Entwicklung verweisen die Profis gerne auf Studien, die in diesem Marktumfeld massenweise zu finden sind. Die Werbemarktstudie 2012 Schweiz von SevenOne Media etwa prognostiziert der Online-Werbung einen Anstieg des Marktanteils von heute 0,3 auf 1,3 Prozent im Jahr 2006 und auf 2,2 Prozent im Jahr 2012, was einem Umsatz von rund 198 Millionen Franken entsprechen würde.



Obwohl die Aussichten nicht schlecht sind, steht die Schweiz im internationalen Vergleich nicht ganz so gut da. Einer der Gründe könnten die höheren Preise sein. "Es ist tatsächlich so, dass die Tarife gegenüber dem europäischen Niveau höher sind", sagt Markus Rusterholz. Seinen Angaben gemäss liegen die europäischen TKPs (Tausender-Kontakt-Preise) für Bannerwerbung zwischen 15 und 30 Euro, in der Schweiz hingegen zwischen 20 und 60 Euro - also fast das Doppelte. "Das heisst, dass der TKP vor allem für internationale Kampagnen unter Druck geraten und sich dem europäischen Niveau anpassen wird", so Rusterholz. Will die Branche also nicht allzu stark in internationale Abhängigkeit geraten, dürften sich die Werbetreibenden bald über günstigere Tarife freuen, was wiederum dazu führen kann, dass der Online-Werbung schneller eine grössere Bedeutung beigemessen wird.





Ganzheitliche Strategie

Der Erfolg einer Online-Kampagne hängt von verschiedensten Faktoren ab. Zunächst muss man sich wohl die Frage stellen: Wie locke ich möglichst viele Kunden an und langweile dabei möglichst wenige? "Grundsätzlich stört den Kunden die Werbung in jedem Medium, wenn sie ihn am falschen Ort und zur falschen Zeit erreicht", sagt Daniel Gauchat. Er will darauf hindeuten, dass die zielgruppengerechte Ansprache eine unabdingbare Voraussetzung darstellt. "Gepaart mit der entsprechenden Grafik und Botschaft können möglichst viele potentielle Kunden angesprochen werden", erklärt Gauchat das Vorgehen.



Für Rusterholz steht die Interaktivität mit dem Kunden im Vordergrund, wobei sich Spiele und Wettbewerbe bewähren: "Klare Kommunikation und direkte Botschaften aktivieren die Interaktion mit dem Kunden."




Das Rezept klingt eigentlich simpel. Gauchat bringt es jedoch auf den Punkt: "Die Problematik dieser trivialen Aussagen liegt in der Umsetzung derselben." Für die Online-Werbung gilt es genauso wie für das klassische Marketing, eine Strategie mit entsprechenden Zielsetzungen und Massnahmen zu definieren. "Dabei bildet die Präsenz in den Suchmaschinen und auf Partner-Websites die Basis", so Gauchat. Daraufhin gelte es, Promotions-, Verkaufsförderungs- und Kundenbindungsmassnahmen aufzubauen.




Synergien nutzen

Online-Werbung wird häufig auch als begleitendes Medium zu anderen Kommunikationsmassnahmen bezeichnet. Die Effizienz solcher medienübergreifenden, sogenannten Cross-Media-Kampagnen beweist die aktuelle Studie der EIAA (European Interactive Advertising Association), die die Synergieeffekte bei gleichzeitiger Internet- und Fernsehwerbung unter die Lupe nahm. Bemerkenswert ist vor allem die Erhöhung der Reichweite durch Online-Werbung. Die Kombination von Fernsehen und Internet steigerte in der Erhebung die Nettoreichweite um satte 16 Prozent.



Die Werbetreibenden nehmen sich häufig zu wenig Zeit für das Konzept und die Integration in den Mediamix. Dazu Rusterholz: "Online-Werbung muss bereits in der Media-Strategie berücksichtigt werden. Nur so ist gewährleistet, dass die gewünschten Ziele der gesamten Kampagne erreicht werden und der Multiplikator Online-Werbung optimal genutzt wird."




Dadurch, dass die Online-Werbung vielfach eine untergeordnete Rolle spielt, sind die Werber häufig nicht in der Lage, den Erfolg der Online-Massnahmen richtig zu beurteilen. "Die Online-Werbung gilt dann meist als Versuchsballon, welchen man selten ein zweites Mal aufsteigen lässt", so Gauchat, der einen weiteren wichtigen Punkt erläutert: "Ein grosser Fehler vieler Online-Werber ist, dass der Preis einer Plazierung für sie von höherer Relevanz ist als der höchstmöglich zu erzielende Response. Eine Plazierung, welche beispielsweise 20 Franken für 1000 Einblendungen kostet, jedoch einen Streuverlust von 95 Prozent ausweist, macht weniger Sinn als etwa eine Plazierung für 60 Franken pro 1000 Einblendungen, welche zu 70 Prozent die richtige Zielgruppe erreicht."




Klick ist nicht gleich Klick

Für die Erfolgsbilanz, das Ermessen des Preises und das Reporting ist die Klickrate von entscheidender Bedeutung. Es gibt leider noch sehr unterschiedliche Messarten, wobei sich verschiedene Verbände national und international dafür einsetzen, diesen Umstand zu beheben.



"Einige Vermarkter zählen und verrechnen die Online-Werbeeinblendungen bereits in dem Moment, in welchem der User auf eine Site kommt", erklärt Gauchat eines der grundlegendsten Probleme. Dabei werde nicht unterschieden, ob die Werbung vollständig und korrekt angezeigt wurde. Bei anderen Vermarktern werden die Einblendungen erst dann gezählt, wenn die Botschaft technisch einwandfrei und vollständig auf dem Bildschirm sichtbar ist. Laut Gauchat werde der eigentliche Klick überall gleich gemessen. Und es sei selbstverständlich, dass kein Klick gezählt werde, wenn der User ein Banner oder ein dynamisches Werbemittel nicht trifft.




Entscheidend ist jedoch zu wissen, was die Klickrate tatsächlich aussagt. Die bekannte Klickrate ermittelt nämlich lediglich, wie oft die Werbung angeklickt wurde, unabhängig davon, wie viele verschiedene Personen diese Werbung gesehen haben. Deshalb ist darauf zu achten, dass eine Agentur in der Lage ist, nach sogenannten Unique Users aufzuschlüsseln. Dabei erfolgt die Steuerung von beispielsweise PopUps in Kombination mit Cookies, so dass ein User ein PopUp nur einmal pro Tag sieht.



Ein weiterer Teil der erfolgreichen Strategie ist die Wahl des richtigen Zeitpunkts. Eine Möglichkeit ist, die Kampagne antizyklisch laufen zu lassen. Das heisst, dann zu werben, wenn andere schlafen. Die Sommermonate bieten beispielsweise höhere Leervolumen, was indirekt zu besseren Konditionen führt. "Die Problematik dabei ist jedoch, dass es sehr viel mehr Mut braucht, um gegen den Strom zu schwimmen", sagt Gauchat.




Das Banner ist nicht totzukriegen

Es gibt mittlerweile zahlreiche unterschiedliche Werbeformen, wobei das Banner nach wie vor das Parkett beherrscht. "Der Volumen-König ist klar das Full-Banner im Format 468x60", bestätigt Rusterholz, relativiert aber zugleich: "Wenn man die Response-Rates berücksichtigt, steht der Skyscraper an vorderster Front, dicht gefolgt vom PopUp."



Es gehört längst zu den Binsenwahrheiten, dass das PopUp beim Anwender nicht sehr beliebt ist. Laut Rusterholz müssen PopUps zukünftig intelligenter eingesetzt werden, um die Besucher nicht zu verärgern. Einige Sites wie zum Beispiel Altavista verbieten mittlerweile sogar den Einsatz von PopUps. Rusterholz erklärt weiter, dass nicht das Format von zentraler Bedeutung ist: "Um eine Plazierung, unabhängig vom Format, erfolgreich zu schalten, muss die Werbung intelligent gesteuert werden. Technisches Targeting und Frequency Cap sind entsprechende Instrumente dafür. Dann kann auch eine klassische Banner-Kampagne erfolgreich sein." Diese Meinung teilt auch Gauchat: "Der Erfolg der Online-Werbung ist nicht ausschliesslich von der Werbeform abhängig, sondern auch vom Design und der Botschaft des Werbemittels wie auch vom Produkt oder Angebot, welches dahintersteckt. Und nicht zuletzt natürlich auch von der zielgruppenaffinen Plazierung."




Nach Berücksichtigung all dieser Faktoren stellt sich die Frage, welches die beste Positionierung auf dem Bildschirm ist. "Da die meisten Banner am oberen Bildrand eingesetzt werden, kann dieser als Top-Plazierung bezeichnet werden", sagt Rusterholz. Das heisst aber nicht, dass dort die Beachtung am grössten ist. Vielmehr geht der Trend in Richtung Content-nahe Plazierung. "Ideal wäre eine Plazierung in der Mitte des Bildschirms, nur lässt diese dann kaum mehr Platz für Content", stellt Gauchat fest.




Die neusten Online-Werbeformen

Genauso schnell wie sich das Internetzeitalter bewegt, entstehen immer wieder neue Werbeformen, denn in Zeiten des Informationsüberflusses fällt der Werber eher auf, wenn er mit neuen Werbeformen agiert. "Grundsätzlich gilt auch hier, dass mit etwas Neuem sofort ein grösserer Response erzeugt wird als mit Altbekanntem", bestätigt Gauchat.




DHTML: Auch in diesem Jahr sind einige neue Werbeformen entstanden, wobei der Trend in Richtung grossflächig und dynamisch geht, wie etwa bei der DHTML-Werbung. Dabei wird ein bewegtes Element eingeblendet, das den eigentlichen Werberaum verlässt. Dynamic HTML bietet eine Vielzahl von Animations- und Interaktionsmöglichkeiten. Das Element kann in beliebiger Form erscheinen, lässt sich aus verschiedenen Einzelteilen zusammensetzen und beliebig über dem Inhalt der Site plazieren.





Flying Banner: Eine originelle Form stellt auch das Flying Banner dar. Wie der Name schon sagt, fliegt dieses Banner von einer bestimmten Stelle auf der Seite zur endgültigen Position. Ausgelöst wird das Flying Banner entweder durch den Aufruf einer neuen Site oder durch das blosse Berühren einer bestimmten Stelle mit dem Mauszeiger (MouseOver).




Interstitial: Auch Interstitials finden immer grössere Verbreitung. Sie funktionieren ähnlich wie Werbeunterbrechung im TV. Sobald der Anwender auf der Site navigiert, blendet sich die Werbebotschaft in das bereits geöffnete Fenster ein. Erst durch einen Klick oder nach Ablauf von einigen Sekunden gelangt der User dann auf die eigentlich gewünschte Seite.




Sponsoring: Eine weitere junge Werbeform ist das Sponsoring eines Themenbereichs. Dabei wird ein Channel mit dem Logo des Unternehmens gebrandet.




Streaming Video: Gestreamte Videosequenzen findet man auch immer öfter. Diese Werbeform wird auch Expandable Video Banner genannt. Dabei verfolgen die Auftraggeber häufig das Ziel, parallel laufende TV- oder Kinospots zu unterstützen. In einem Banner wird der TV-Spot gestreamt. Beim Bewegen des Cursors über das Banner wird der TV-Spot automatisch in einem Fenster innerhalb des Banners gezeigt.




Permission-Marketing: Eine besondere und immer häufiger anzutreffende Form von Online-Werbung stellt das sogenannte Permission-Marketing dar. Dabei handelt es sich um eine Art elektronisches Direktmarketing. Dem potentiellen Kunden wird die Werbebotschaft per E-Mail-Newsletter oder auch per SMS aufs Handy zugestellt. Das besondere am Permission-Marketing ist, dass die Werbung nur mit dem Einverständnis des Empfängers versandt wird, wodurch eine hohe Beachtung garantiert ist.



"Die Einführung neuer Werbeformen gestaltet sich allerdings sehr aufwendig", erklärt Gauchat, "und zwar sowohl aus technologischer Sicht, bis diese Werbemittel einwandfrei ablaufen, als auch aus ideologischer Sicht, bis der Kunde die neue Form akzeptiert."



Künftig wird der Online-Werber durch die steigende Verbreitung von Breitband-Zugängen noch mehr Spielraum erhalten, seine Botschaft online zu streuen. "Er wird sich zum Ziel setzen, dass die Emotionalität der TV- und Kinowerbung auch im Internet möglich sein wird", ist Gauchat überzeugt. Aufgrund der Interaktivität und den breiteren Informationsmöglichkeiten des Mediums, werden sich die Werber deshalb künftig noch weit stärker mit der Online-Kommunikation befassen müssen.



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