Freies CRM im Browser

Webbasierte Open-Source-CRM-Lösungen müssen den Vergleich mit kommerziellen Systemen nicht scheuen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/04

     

Die Kundenpflege wird auch bei kleinen und mittleren Unternehmen immer wichtiger. Viele können sich jedoch keine grossen CRM-Lösungen von kommerziellen Anbietern leisten. Hier kommt webbasierte Open-Source-Software (OSS) ins Spiel.


Die Vorteile ...

Es gibt eine Vielzahl von Gründen, welche für eine Umsetzung einer lizenzfreien und quellcodeoffenen CRM-Lösung sprechen. Der wohl wichtigste Grund ist die Hersteller­unabhängigkeit. Bei kommer­ziellen Anbietern begibt sich die Anwendungsfirma in ein Abhängigkeitsverhältnis zum Hersteller, und es werden oft teure Spezialisten benötigt. In der Open-Source-Welt sind die technischen Kompetenzen meist frei verfügbar via Wiki, Foren und Mailing-Listen.



Die Verfügbarkeit des Quellcodes ermöglicht es dem versierten Anwender, Anpassungen und Weiterentwicklungen selber in die Hand zu nehmen oder bei lokalen IT-Firmen kostengünstig in Auftrag zu geben. Die Weiterentwicklungen können zurück ins Projekt fliessen und werden so von der Community weiter gepflegt. Die wegfallenden Lizenzkosten können so sinnvoll investiert werden.


... und Nachteile

Alleine beim Open-Source-Portal SourceForge.net sind fast vierhundert CRM-Projekte registriert. Der Markt befindet sich in der Konsolidierungsphase, und viele CRM-Projekte werden die nächsten Jahre nicht überleben. Die besten Projekte beginnen sich erst jetzt zu etablieren.


Ein häufiger Mangel: Oft fehlt die Dokumentation, oder sie ist zu technisch oder behandelt gerade die weniger offensichtlichen Themen zu wenig detailliert. Falls vorhanden, steht die Dokumentation ausserdem oft nur in einer englischen Version zur Verfügung. In der OSS-Welt ist Englisch die Lingua Franca, dies gilt auch für den Support.


Evaluation und Installation

Die Evaluation von Open-Source-Software ist nicht einfach. Neben den normalen Anforderungen an die gesuchte Lösung sind die Aktualität der Software und die Anzahl der Entwickler ein wichtiges Kriterium bei der Suche nach einer geeigneten Software. Eine Roadmap mit geplanten Features und eine gute Dokumentation wecken Vertrauen. Guter Support, sei es durch einen IT-Dienstleister oder durch die Community, rundet das Bild ab.


Alle hier verglichenen CRM-Lösungen sind vollständig webbasiert, und der aktuelle Release wurde innerhalb der letzten zwölf Monate veröffentlicht. Sie stehen allesamt unter einer freien Lizenz.



Die meisten präsentierten CRM-Lösungen lassen sich entweder lokal auf einem eigenen Webserver oder im Rechenzentrum installieren. Vor allem die PHP/MySQLbasierten Lösungen lassen sich oft auch problemlos bei einem Webhoster unterbringen. Die Grundlage bildet in jedem Fall ein Windows- oder Linux-System mit Webserver und SQL-Datenbank. Für Evalua­tionszwecke lassen sich auf der gleichen Domain auch mehrere Lösungen parallel betreiben.


Wer nicht auf die benötigten Informatik-Ressourcen zurückgreifen kann und nicht selbst über genügend Know-how verfügt, ist mit einer On-Demand-Lösung bei einem Software-as-a-Service-Provider (SaaS) gut aufgehoben.


Webbasiert ist Trumpf

Mit einem modernen webbasier-
ten CRM lassen sich sämtliche Adressen und Beziehungen auf einfachste Art verwalten und pflegen – von jedem Computer mit Internetanschluss aus. Die Installation und Pflege von spezieller Clientsoftware entfällt, der ohnehin vorhandene Webbrowser genügt. Mit dieser Philosophie entfällt automatisch auch die Abhängigkeit von einer bestimmten Systemplattform.



Die grafische Oberfläche von Webanwendungen erinnert immer mehr an Desktop-Programme und lässt dank dem breiten Einsatz von AJAX kaum noch Wünsche im Bereich der Benutzerfreundlichkeit offen.


Nicht ohne Integration

Eine isolierte CRM-Lösung wird nur selten das volle Potential entfalten können. Durchgängige Geschäftsprozesse verlangen meist die Integration von bestehenden Applikationen wie zum Beispiel einer ERP-Lösung oder einem Mail-Server. Hier haben die Open-Source-CRM gegenüber den kommerziellen Lösungen in den letzten Jahren gewaltig aufgeholt.


Die Desktop-Integration wird heute von vielen OSS-CRM ebenfalls unterstützt. Die im CRM erfassten Kontakte lassen sich in gängigen Mail-Clients wie Outlook oder Thunderbird nutzen. Der Zugriff führt im einfachsten Fall über einen CSV-Import. Spannend ist die Einbindung der Daten via LDAP. Hier wirkt das CRM als globales Adressbuch. Eine weitere Option ist die Installation spezieller Plug-ins, die Zusatzfunktionen wie Kalenderintegration bieten. Auch die gängigen Office-Pakete greifen via Plug-ins auf die zentral gehaltenen CRM-Kundendaten zu. Somit lassen sich Serienbriefe per Knopfdruck erstellen.



Ausgereifte Programme wie OpenCRX können sogar den gesamten Mail-Verkehr mit den Kunden protokollieren und der Kunden-Historie zuweisen. Damit wird die Pflicht zur Aufbewahrung aller geschäftsrelevanten Dokumente automatisch erfüllt.
Als praktisch erweist sich auch die VoIP-Integration, die von verschiedenen Lösungen angeboten wird. Eingehende Anrufer werden erkannt und die Kundenhis­torie wird den Mitarbeitenden
direkt angezeigt.


Import und Export

Alle in der Tabelle aufgeführten CRM-Systeme bieten Funktionen zum Import und Export von Daten. Die Bandbreite reicht von einer einfachen CSV-Datei über XML bis zu den gängigen Office-Formaten. Neben dem Austausch der Daten mit Drittsystemen besteht damit auch die Möglichkeit, bei Bedarf auf eine andere CRM-Lösung zu wechseln. Damit ist die Hersteller­unabhängigkeit gewährleistet.


Fazit: Freies CRM hat Zukunft

Open-Source-CRM muss sich nicht hinter kommerziellen Produkten verstecken. Wie bei aller Software unterscheiden sich die Angebote punkto Funktionalität und User-Interface. Zum Standard zählt heute eine ausgeklügelte Suche und vollständige Kundenhistorie. Alle unterstützen Deutsch, die meisten auch die restlichen Landessprachen.


Um eine zukunftssichere Wahl zu treffen, sollten die eigenen Anforderungen zuerst genau eruiert werden. Anschliessend – und hier wird wiederum von den Vorteilen freier Software profitiert – sollte man verschiedene Lösungen ausprobieren, am besten mit aktuellen Daten. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Software den eigenen Anforderungen entspricht und dadurch die Arbeit tatsächlich erleichtert wird.



Für eine Schweizer Unternehmung stellen CustomX, OpenCRX sowie SugarCRM und vTiger eine interessante Wahl dar. Diese Systeme sind auf die Schweiz lokalisiert, haben verschiedene Integrationsmöglichkeiten an Bord und bieten sowohl kommerziellen als auch Community-basierten Support.


Wer die Unabhängigkeit von grossen Herstellern und Plattformen sowie die hohe Flexibilität von Open-Source-Produkten schätzt und mit den erwähnten Nachteilen leben kann, ist mit einem webbasierten Open-Source-CRM bestens bedient. Dennoch kommt man kaum ohne IT-Dienstleister aus, welcher einem bei der Erarbeitung der Prozesse und bei der Integration unterstützt.




Webbasierte Open-Source-CRM-Lösungen


Der Autor

Michael Eichenberger ist Geschäftsführer der Stepping Stone GmbH (www.stepping-stone.ch)




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