Hochschulen als Start-up-Inkubatoren

Satte 33 Prozent der Informatikstudenten gründen eine eigene Firma. Vor allem die Forschungstätigkeit während dem Studium scheint stimulierend zu wirken.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/02

     

Mehr als 50 Prozent der Hochschulabsolventen aus technischen Fachrichtungen denken über die Gründung eines eigenen Unternehmens nach. Zu diesem Schluss kommt die Studie THISS (Technische Hochschule und Innovationen: Start-ups und Spin-offs unter besonderer Berücksichtigung von Aus- und Weiterbildung und Supportstrukturen), deren Ergebnisse jetzt vorgelegt wurden. Die Untersuchung wurde im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms (NFP43) Bildung und Beschäftigung vom Zentrum für Weiterbildung der ETH Zürich in Zusammenarbeit mit den Beratungsunternehmen Rütter und Partner sowie Senarclens, Leu und Partner durchgeführt. Für die repräsentative Erhebung wurden über 7000 Ingenieure angeschrieben, die im Zeitraum von 1985 bis 2001 an einer der beiden Eidgenössischen Technischen Hochschulen Zürich (ETHZ) und Lausanne (EPFL) oder an einer der verschiedenen Fachhochschulen ihren Abschluss gemacht hatten.


Unternehmen als Schnittstelle zur Wirtschaft

Am Beispiel der Absolventen technischer Fachrichtungen wurden die Gründungsprozesse untersucht. Dabei vergleicht die Studie effektive Gründer mit angehenden und mit Nichtgründern. Weiter versuchten die Autoren herauszufinden, welche Unterschiede daraus resultieren, ob jemand die ETH oder eine Fachhochschule absolviert hat.
«Es gibt in der Schweiz keine vergleichbare Studie, die das Gründungspotential sowie die Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren und was die Hochschulen dazu beitragen können, aufzeigt» sagt Mitautor Adrian Berwert von Rütter und Partner auf die Frage nach der Motivation zur Durchführung dieser Untersuchung. «Die Wettbewerbsfähigkeit in der Schweiz wird stark von innovativen Unternehmen bestimmt», so Berwert weiter. Eine erfolgreiche Wirtschaft lebe von Dynamik in Form von Strukturwandel, dieser gehe von neuen Firmen aus, weshalb innovative Neugründungen sehr wichtig seien. Auch hat man erkannt, dass die Schnittstelle zwischen der Wirtschaft und den Hochschulen sowie der damit zusammenhängende Transfer und die Durchlässigkeit auf beiden Seiten entscheidend sind. Eine solche Schnittstelle bilden Unternehmensgründungen von Hochschulabsolventen.


Informatiker sind fleissige Firmengründer

Die Studie bringt denn auch einige interessante Aspekte zutage. Überrascht hat die Studienverfasser beispielsweise, dass sich überdurchschnittlich viele überlegen, selbständig zu werden, wenn andere Faktoren stimmen. Mehr als jeder zweite Hochschulabsolvent technischer Fachrichtung kann sich eine Unternehmensgründung oder eine berufliche Selbständigkeit vorstellen. In den berücksichtigten Fachbereichen haben 12 Prozent (FH), 20 Prozent (EPFL) beziehungsweise 22 Prozent (ETHZ) der Absolventen eine Firma gegründet. Mit 33 Prozent weisen dabei die Informatiker einen fast doppelt so hohen Anteil auf wie die übrigen Befragten, bei denen sich der Gründungsanteil zwischen 13 und 19 Prozent bewegt. Der hohe Anteil bei den Informatikern hängt aber unter anderem auch mit dem New-Economy-Boom zusammen. «Im Jahr 2000 hatten wir vor allem an der ETH Zürich einen Gründungsboom von Informatikern. Ausserdem hatten wir bis ungefähr im Jahr 2001 eine starke Zunahme von Studierenden bei der Informatik. Möglicherweise hat dies das Ergebnis ein wenig beeinflusst», sagt Adrian Berwert. In dieser Periode sei es zudem auch etwas einfacher gewesen, ein Unternehmen zu gründen. «Langfristig könnten sich die Informatiker auf dem Niveau anderer Fachrichtungen einpendeln», vermutet Berwert.




Unternehmensgründungen nach Fachrichtungen


Motivation und Barrieren

Weiter hat die Studie herausgefunden, dass die persönliche Arbeitssituation den Gründungseifer entscheidend beeinflusst. Die Zufriedenheit mit dem gegenwärtigen Umfeld ist dabei der wichtigste Grund, auf eine eigene Firma zu verzichten. Mit dem Schritt in die Selbständigkeit verzichtet man auf einen mehr oder weniger sicheren Arbeitsplatz, ein geregeltes Einkommen sowie Weiterbildungs- und Karrieremöglichkeiten. Nicht neu ist hingegen die Erkenntnis, dass die Finanzierungsfrage ein weiteres zentrales Hindernis darstellt. Bei potentiellen Gründern sind die fehlenden Eigenmittel und die mangelnde finanzielle Unterstützung das grösste Hemmnis. Dabei sind die Absolventen der Fachhochschulen in finanziellen Fragen stärker eingeschränkt als die Absolventen der beiden ETH.






Als wichtigste Erfolgsfaktoren nennen die Befragten neben der Berufserfahrung die – während praktischer Tätigkeiten aufgebauten – Kontaktnetze sowie die praktischen Kenntnisse im Hinblick auf eine Unternehmensgründung. Firmen werden folglich meist erst nach einiger Zeit Berufspraxis gegründet, im Durchschnitt nach 7 bis 9 Jahren. Dies spiegelt sich auch in der Tatsache, dass Absolventen einer Technischen Hochschule später ins Unternehmertum einsteigen als die Praxis-erprobten Fachhochschulabsolventen.


Die Rolle der Hochschulen

Eine zentrale Aufgabe der Untersuchung war es, aufzuzeigen, welche Rolle die Hochschulen einnehmen. Dabei kam man zum Schluss, dass neben der Vermittlung von praktischen Kenntnissen darüber, wie man eine Unternehmung gründet, insbesondere auch klassische Soft Skills eine grosse Rolle spielen. Firmengründer sollten ganzheitlich denken, Projekte managen, Problemlösungen erarbeiten und gut kommunizieren können.
«Die Hochschulen sind wichtig in der Vorgründungs- und Motivationsphase», sagt Berwert. Denn im Hochschulmilieu würden viele Kontakte geknüpft und viele Gründungen werden mit Studienkollegen gemacht. Ausserdem sei die Forschung sehr wichtig. Während einer Forschungs- und Assistenztätigkeit sei die Motivation zu gründen bedeutend höher als in der Zeit vor dem Diplomabschluss. Zudem haben sehr viele ETH-Absolventen, die ein Geschäft eröffnen, promoviert.


Potential ausschöpfen

Die Unternehmen von Hochschulabsolventen sind meistens erfolgreich; 40 bis 50 Prozent erwirtschaften gemäss Studie bereits zwei Jahre nach dem Start Gewinn. Und nur wenige der von der Studie erfassten Jungunternehmen sind gescheitert.





Die Anzahl neuer Arbeitsstellen, die durch die neuen Unternehmen von Absolventen technischer Fachrichtungen geschaffen werden, ist hingegen eher gering. Aus den jährlich zwischen 230 und 290 neue Firmen resultieren nur zwischen 600 und 770 neue Arbeitsstellen. Zum Vergleich: In der Schweiz wurden 2002 insgesamt 10’200 neue Unternehmen mit 21’000 Arbeitsplätzen geschaffen.
Die vergleichsweise geringe Zahl neuer Arbeitsstellen aus technikorientierten Neugründungen resultiert hauptsächlich daraus, dass nicht alle neuen Unternehmen innovative High-Tech-Firmen sind. Ein grosser Anteil arbeitet im Beratungs- und Dienstleistungssektor.






Nichtsdestotrotz zeigt die Studie, dass ein beachtliches Potential an Jungunternehmern an den Hochschulen ausgebildet wird. Und dieses Potential gilt es künftig weiter auszuschöpfen. So ist es auch das primäre Ziel der Studie, Handlungsempfehlungen aufzuzeigen, wobei die Rolle der Hochschulen für den Gründungsprozess im Vordergrund steht. «Die Hochschule und die Wirtschaft sind eng voneinander abhängig», sagt Adrian Berwert, «wir möchten die Schnittstellen aufzeigen und die Hochschulen ansprechen, um die Motivation zu Unternehmensgründungen bei den Absolventen weiter zu stärken.» Details zur THISS-Studie sind unter www.thiss.ethz.ch erhältlich.




Zeitrahmen bis zur ersten eigenen Frima




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