Des CIOs Hürden auf dem Weg zur Serviceorientierung
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/19
Die Forderung nach mehr Transparenz, Flexibilität, Effizienz und Effektivität für IT-Organisationen bedingt eine konsequente Kunden-, Service- und Prozessorientierung und setzt eine Vielzahl von CIOs erheblich unter Handlungsdruck. Die grösste Herausforderung liegt in der Gestaltung und konkreten Umsetzung des notwendigen Transformationsprozesses. Der Bedarf nach geeigneten Methoden, Werkzeugen und Best-Practices für das Kosten-, Zeit- und Qualitätsmanagement einer Organisation steigt kontinuierlich. Aber welche Methoden und Konzepte sind geeignet für das ganzheitliche und integrierte Informationsmanagement einer komplexen Organisation und deren Partner?
Die Beschreibung einer idealtypischen ganzheitlichen IT-Organisation hilft bei der Identifizierung und Bewertung notwendiger Managementaufgaben und eignet sich für die Zuordnung der am Markt verfügbaren Managementkonzepte zu den vorrangig zu bearbeitenden Aufgaben. Das Kompetenzzentrum «Integriertes Informationsmanagement» des Instituts für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen hat innerhalb von zwei Jahren eine Methode (CC_IIM-Methode) für das Management einer IT-Organisation entwickelt. Mit Hilfe der CC_IIM-Methode werden die strategischen, taktischen und operativen Aufgaben für das Management der Leistungserstellung und der Kunden- und Lieferantenbeziehungen einer IT-Organisation erfasst. Ein zentraler Ansatz der Forschungsarbeit ist die sinnvolle Übertragung geeigneter Qualitäts- und Kostenmanagementmethoden, wie sie aus der industriellen Produktion bekannt sind, für das Management von IT-Organisationen.
Marktfähigkeit und Transparenz erhalten IT-Organisationen durch die Vergleichbarkeit der bereitgestellten Produkte im Hinblick auf Qualität und Kosten. Aufgrund etablierter, teilweise verkrusteter Strukturen, fällt es vielen IT-Organisationen aber sichtbar schwer, sich von einem projektorientierten Ansatz zu lösen und ihren Kunden statt dessen transparente und kalkulierbare Services über eine kundenorientierte Schnittstelle anzubieten. Die vom Kunden geforderte Kostentransparenz für IT-Services und die damit verbundene Bereitstellung geeigneter Servicekataloge wird von einigen Organisationen schlichtweg ignoriert. Durch Servicekataloge kann ein transparentes Kostenmanagement etabliert werden. Entwicklungskosten fallen zum Beispiel bei der wiederholten Nutzung standardisierter Services weg. Der Aufbau von Überkapazitäten im Betrieb kann dadurch erheblich reduziert werden.
Auch das Erfahrungswissen über bereits im Einsatz befindliche standardisierte IT-Services kann für das Qualitätsmanagement eingesetzt werden. Es ist daher nicht verwunderlich, dass immer mehr Fachabteilungen transparente und kalkulierbare IT-Services bei externen Dienstleistern in Anspruch nehmen. Je intensiver man sich mit dem Kunden austauscht, umso stärker stösst man auf den Gegensatz zwischen dem eigentlich einfachen Wunsch des Anwenders, einen Schritt in seinem Prozess zu verbessern, und der Komplexität der Projekte, die angeblich in seinem Namen abgewickelt werden. In vielen Fällen ist dem Kunden völlig unklar, was er als Output von einem Projekt erhält. Zudem ist die Abrechnung der Leistungen oft nicht nachvollziehbar und intransparent. Genau an dieser Stelle setzt das produkt- beziehungsweise serviceorientierte Denken ein. Es vollzieht den Quantensprung von Projekten und Applikationen hin zu IT-Services.
Beispiele für derartige IT-Services wären eine Gehaltsabrechnung oder eine Zahlungsfunktion. Neben der Strukturierung des Angebots, das IT-Organisationen für die Anwender in Zukunft bereitstellen werden, steht die Skalierung der Menge der Produkte. In einer projektorientierten Denkweise dominiert die Losgrösse 1. Der Anwender bestellt eine Applikation. Er hat keine Chance, mengenabhängige Bestellungen vorzunehmen. In vielen Fällen wäre es jedoch sinnvoll, wenn im Rahmen der Analyse von Prozessen 10'000 Gehaltsabrechnungen pro Monat bestellt werden könnten und die Preisgestaltung von der Menge abhängig wäre. Ein Zusammenhang, der aus anderen Bereichen der Wirtschaft vertraut ist. Transparenz und einfache Beeinflussbarkeit der Preissummen bei Änderungen der Inanspruchnahme wird vom Kunden gefordert. Neben der Kostentransparenz sind daher auch geeignete Preismodelle wie Optionspreismodelle notwendig, um den Flexibilitäts-Anforderungen der Kunden gerecht zu werden.
Der produktorientierte Ansatz erfordert eine ingenieurmässige Strukturierung und Differenzierung der Dienstleistungen in IT-Serviceklassen. Zudem müssen Regeln für die sinnvolle Bündelung von Services aufgestellt werden. Die Gestaltung, Darstellung und Kommunikation von Services und Servicekatalogen stellen eine weitere zentrale Herausforderung für die Organisationen dar. Eine besondere Herausforderung stellt dabei die Produktabgrenzung im Hinblick auf die Granularität der Produkte dar. Neben überwindbaren technischen Barrieren müssen zudem ökonomische Hürden zum Beispiel bei der Budgetierung für die Erstellung eines detaillierten IT-Produktkataloges überwunden werden. Ein Experte für die Gestaltung und Kommunikation von Produktkatalogen ist beispielsweise das Unternehmen Asperado. Asperado wird als zentraler IT-Service-Produktkatalog für die SAP-Business-Partner eingesetzt (www.asperado.com).
Ein noch grösseres Problem bei der Umsetzung des serviceorientierten Ansatzes ergibt sich aus der Notwendigkeit der Ermittlung der IT-Servicekosten. Die Abgrenzung der IT-Services durch einen Produktkatalog steigert die Effektivität des IT-Controlling erst dann, wenn den Services auch die entstehenden Kosten und die damit verbundenen Ressourcen verursachergerecht zugeordnet werden können. Hierzu müssen Kostenarten, -stellen und -träger ermittelt und in einer Aufwandsverrechnung konsolidiert werden. Zusätzlich müssen Kostentreiber und Qualitätskennzahlen der einzelnen Prozessschritte zur Bereitstellung eines Service identifiziert und im Kalkulationsmodell berücksichtigt werden. Geforderte Mengenvariationen durch den Kunden werden erst durch den serviceorientierten Ansatz operationalisierbar. Die Wiederverwendung von Services und die damit verbundene deutliche Reduzierung der Gesamtkosten stellt eine wesentliche Motivation zur Etablierung von Servicekatalogen dar. Die Unsicherheit der Kunden kann bei der Wiederverwendung von Produkten aufgrund vorhandener Erfahrungswerte erheblich reduziert werden.
Mit Hilfe eines Performance-Monitoring und Reporting der verfügbaren und im Einsatz befindlichen Produkte kann der Ressourceneinsatz produktspezifisch und mengenbasiert erfasst werden. Durch die Transparenz der Kapazitäten einer Organisation werden Kosten für Freikapazitäten sichtbar und können optimiert werden. Für umsatzstarke IT-Dienstleister stellen Leerstandskosten von unausgelasteten Servern einen Grossteil der Gesamtkosten dar. Eine Verringerung der Leerstandskosten führt letztendlich zu marktfähigen Preisen. Schliesslich erfordert die Marktfähigkeit einer IT-Organisation auch den Einsatz sinnvoller Preisbildungsverfahren für Services. Erwartete Mengengerüste können zum Beispiel in einem Optionspreismodell berücksichtigt werden und geben dem Kunden dadurch ein hohes Mass an Flexibilität. In der Praxis zeigt sich allerdings, dass oft kein Methodenwissen für die korrekte Anwendung von Kalkulations- und Verrechnungsmodellen existiert. Organisationen scheinen mit den Anforderungen für den Wechsel zum serviceorientierten Ansatz überfordert.
Der serviceorientierte Ansatz eröffnet IT-Organisationen und deren Kunden eine neue Dimension hinsichtlich der optimierten kooperativen Zusammenarbeit. Alleine durch die Einführung eines serviceorientierten IT-Managements auf operativer Ebene auf Basis des Best-Practice-Framework ITIL (IT Infrastructure Library) resultierte im Falle der Stadt Köln eine Senkung der Kosten pro Arbeitsplatz um rund 30 Prozent. Der Vorteil einer ganzheitlichen und gesamthaften Umsetzung eines serviceorientierten IT-Managements sowohl auf strategischer, taktischer als auch auf operativer Ebene kann demnach weit über einer Kostensenkung von 30 Prozent liegen. Eine besonders geeignete und praxistaugliche Methode zur kontinuierlichen Verbesserung der Servicequalität ist Six Sigma.
Die Auswirkungen des serviceorientierten Ansatzes zur Gestaltung der Schnittstelle zwischen IT-Organisation und Anwendern werden vor allem dann deutlich, wenn man die zentralen Unterschiede zum projektorientierten Ansatz analysiert. Die Grundlage der Zusammenarbeit zwischen IT-Organisation und Geschäftsbereich bildet nicht mehr die gemeinsame Abwicklung von Projekten, sondern der Verkauf oder die Miete von Services. Als Konsequenz aus den beiden erstgenannten Punkten ist das formale Verhältnis zwischen IT-Organisation und Geschäftsbereich nicht mehr durch ein Auftragsverhältnis gekennzeichnet, sondern basiert auf einem wettbewerbsorientierten Marktmechanismus. Die Leistungsverrechnung erfolgt nicht über einen festgelegten Kostenschlüssel, sondern über den IT-Servicepreis. Die Art der Zusammenarbeit führt zu einer geänderten Sicht- und Verhaltensweise der IT-Organisation. Sie ist nicht mehr technologie- sondern kundenzentriert. An die Stelle der reaktiven Verhaltensweise, tritt die proaktive Gestaltung und Kommunikation eines IT-Servicekataloges.
Lag der Schwerpunkt der Bearbeitung einer Kundenanforderung bisher vor allem in der Spezifikation von Systemanforderungen, so konzentriert er sich nun auf die Unterstützung von Kundenprozessen. Entwicklungs- und Produktionsanlagen sind in einem Servicegeschäft nebensächlich. Ein Vergleich mit der Automobilbranche verdeutlicht den Paradigmenwechsel für IT-Organisationen. Ein Autokäufer interessiert sich nicht für die in der Autoproduktion eingesetzten Verfahren und Anlagen. Primär steht die Zuverlässigkeit, Sicherheit, Lebensdauer und die Qualität des Autos im Mittelpunkt der Kaufentscheidung. IT-Organisationen müssen auf der Grundlage der Erfahrungen der industriellen Produktion umdenken und handeln.
Der Wandel erfordert allerdings nicht nur innerhalb der IT-Organisationen, sondern auch bei den Nachfragern ein Umdenken. So hatte beispielsweise bei einem führenden Telekommunikationsunternehmen die Einführung eines serviceorientierten IT-Supports zunächst eine Senkung der Kundenzufriedenheit zur Folge. Die Nutzer waren es gewohnt, beispielsweise im Störungsfall ihnen vertraute Mitarbeiter der IT-Organisation direkt anzurufen («Hey-Joe-Effekt»). Nach Einführung eines zentralen Help-Desk wurden persönliche Kontakte auf operativer Ebene weitestgehend umgangen, wodurch die Kundenzufriedenheit zunächst sank. Mittlerweile konnte die Erstlösungsquote bei telefonischen Kontakten erhöht werden und somit der Störungsbearbeitungsprozess insgesamt beschleunigen. Durch Aufzeigen dieses Erfolges beispielsweise mit Hilfe von SLA-Messungen konnte die Kundenzufriedenheit mittelfristig gesteigert werden.
Weitere Informationen zum Thema erhalten Sie auf der Webseite des Kompetenzzentrums «Integrated Information Management» der Universität St. Gallen iim.iwi.unisg.ch.
Literatur: Zarnekow R., Brenner W., Grohmann H. H. (Hrsg.) Informationsmanagement – Konzepte und Strategien für die Praxis. Dpunkt, Heidelberg, 2004.
Tamm G., Günther O.: Webbasierte Dienste – Technologien, Märkte und Geschäftsmodelle. Springer-Verlag, Heidelberg, 2004.
Der serviceorientierte Ansatz für IT-Organisationen
steigert die Effektivität durch den Einsatz von Managementmethoden.
steigert die Effizienz durch eine optimierte Kostenkalkulation und -planung.
optimiert die kooperative Zusammenarbeit mit dem Kunden.
erhöht die Transparenz der Leistungen durch Produktkataloge.
steigert die Marktfähigkeit durch den Einsatz von Preisbildungsverfahren.
ermöglicht eine hohe Integrationstiefe der Kundenanforderungen.
Dr. Gerrit Tamm, Institut für Wirtschaftsinformatik, Universität St. Gallen, gerrit.tamm@unisg.ch.