Durch Management-Buy-Out zum erfolgreichen Unternehmen
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/41
Es gibt viele Gründe, weshalb in einem Unternehmen, oder Teilen davon, die Besitzverhältnisse ändern. Ausser rein betriebswirtschaftlichen Ursachen wie Veräusserung mit Mehrwert oder Trennung von einem kränkelnden Betriebszweig, steht wohl die Nachfolge aus Altersgründen an oberster Stelle.
In vielen Fällen wird das Geschäft innerhalb der Familie übertragen oder an Dritte verkauft. Ist kein geeigneter Nachfolger oder Käufer vorhanden, bietet das Management-Buy-Out (MBO) eine durchaus sinnvolle Form der Unternehmensnachfolge. Von einem MBO spricht man, wenn das Management, das dieses Unternehmen bisher geführt hat, die Firmenanteile mehrheitlich übernimmt - meist zusammen mit einem oder mehreren professionellen Finanzinvestoren (Private Equity) oder mit wohlhabenden Dritten, den sogenannten Business Angels. Ein überzeugendes Management-Team, ein Potential für Rationalisierung und Effizienzsteigerung, ein geringer Investitionsbedarf und ein vorhandener und stabiler Cashflow für die Zeit nach dem Buy Out bilden dabei ideale Voraussetzungen.
Das kürzlich vollzogene MBO der RedIT stellt die klassische Form der Übernahme durch das Management dar. 50 Prozent des Aktienpakets des Zuger Systemintegrators und Softwareherstellers gehörte vorher einem aussenstehenden Konsortium, das sich aus Altersgründen zurückzog. Leitende Mitarbeiter übernahmen im Sommer 2002 100 Prozent der Beteiligungen. Die Mehrheit bleibt bei Andreas Kleeb, der weiter als CEO der Gruppe fungieren wird.
Aber auch wenn Teilbereiche einer Firma nicht ins Erscheinungsbild passen oder nicht funktionieren, weil das nötige Know-how oder die nötige Struktur nicht vorhanden sind, ist ein MBO denkbar.
Einen etwas unkonventionellen Weg ist Guido Honegger gegangen, dessen Erfolgsgeschichte ziemlich clever anmutet. Honegger baute den Internet Service Provider (ISP) Agri.ch auf, der sich auf KMU- und Privatkunden spezialisierte. Agri.ch wurde vom multinationalen britischen Provider Cable & Wireless (C&W) aufgekauft. Als C&W feststellen musste, dass man das KMU- und Privatkundengeschäft nicht in der gewünschten Form bedienen kann, war schnell klar, dass dieser Bereich wieder abgestossen werden musste. Dies bot Honegger, der als Director Strategy and Corporate Relations bei C&W angestellt war, die Möglichkeit, das Segment "Residential and Small Business" im Rahmen eines MBO zurückzukaufen. Dazu gehörten rund 25'000 Kunden aus der ehemaligen Agri.ch und 6000 weitere Kunden von Span. Daraus entstand der heutige ISP Green.ch, der mittlerweile auf 55'000 zahlende Kunden zählen kann.
Abgesehen davon, dass Honegger heute den führenden Schweizer ISP im KMU-Umfeld leitet, hat sich der Deal offensichtlich auch in finanzieller Hinsicht mehr als gelohnt. Honegger verrät nur so viel: "Der Rückkaufpreis war auf jeden Fall sehr, sehr viel tiefer."
Neben einer glücklichen Hand, müssen natürlich einige Faktoren gegeben sein, um ein MBO erfolgreich durchzuführen. Der wohl wichtigste Punkt ist hier die Frage nach dem Kaufpreis und der Finanzierung. Wie viel Geld bringen die Manager selber ein, wie wird der Rest finanziert und über welchen Zeitraum? Beim RedIT-MBO wurde beispielsweise das Aktienkapital von 22 auf 14 Millionen Franken durch Rückkauf von eigenen Aktien reduziert. Die ganze finanzielle Abwicklung wurde in drei Tranchen bis 2006 vereinbart. Und dabei sei es durchaus denkbar, "dass weitere Reduktionen durch Aktienrückkauf gemacht werden", so Kleeb. Mit dem Rückkauf der Aktien verfolgt man die Strategie, dass die ganze Finanzierung durch den Free Cash Flow der RedIT-Gruppe erfolgen kann. Als grosses Kompliment wertet Kleeb die Tatsache, dass die grösste Schweizer Bank die Sicherstellung der Finanzierung und die Betriebskredite für die ganze Dauer des MBO garantierte. In der Tat dürfte die Bereitschaft der Banken, in IT-Unternehmen zu investieren, heute nicht gerade gross sein, weshalb auch strenge Vorgaben gemacht werden. "Für die Banken sind die Höhe der Sicherheiten von entscheidender Bedeutung", sagt Heinz Hartmann, Partner Corporate Finance bei PricewaterhouseCoopers (PwC), und erklärt weiter: "Die Höhe der ungesicherten Finanzierung ist abhängig von Faktoren wie Nachhaltigkeit und Zyklizität der Free Cash Flows, branchentypischen Finanzierungsregeln und dem Leistungsausweis des Managements."
Absolut gegen eine Finanzierung durch Banken ist hingegen Guido Honegger, der das MBO aus eigenen Mitteln (aus dem Anteil, den er beim Verkauf von Agri.ch erhielt) finanzierte. Für Honegger ist es der grösste Fehler, ein MBO durch Banken finanzieren zu lassen: "Die Banken, vor allem die Grossbanken, verstehen das Business sowieso nicht", warnt Honegger, der ausserdem auch auf die Probleme der Mitbestimmung hinweisen möchte. Für den Green-Chef muss die Finanzierung aus der eigenen Tasche oder durch zugewandte Orte erfolgen: "Es gibt auch heute noch viele Privatinvestoren, die einer Idee trauen und einen walten lassen."
Um die Höhe des Kaufpreises festzulegen, gibt es einerseits verschiedene betriebswirtschaftliche Grundlagen wie etwa Ertragswert, Substanzwert oder DCF (Discounted Cash Flow). "In der Praxis ist allerdings die Einigung zwischen Käufern und Verkäufern ausschlaggebend", sagt Kleeb. Diese Meinung teilt auch Hartmann, der jedoch gewisse Grundregeln aufzeigt: "Grundsätzlich ist der Preis eine Funktion des zukünftigen Ertragpotentials und der Renditevorstellungen der Investoren und Kapitalgeber. In der Praxis spielt aber auch die Verhandlungsposition des Verkäufers und des Managements und die Ausstiegsmöglichkeiten für die Kapitalgeber eine entscheidende Rolle."
Und auch für Honegger ist die Spanne sehr gross, vorausgesetzt, man kann selber und schnell entscheiden: "Ich habe schon für Umsatz mal 5,5 verkauft und für Umsatz mal 0,25 gekauft."
Für ein erfolgreiches MBO ist es weiter wichtig, den richtigen Zeitpunkt zu wählen. Bei einem MBO als Nachfolgeregelung aus Altersgründen ist der Spielraum natürlich begrenzt. Bei einem aufstrebenden Unternehmen kann der ideale Zeitpunkt kurz vor Erreichen des Break Even sein. "Die glaubhafte Darstellung von nachhaltig positiven Free Cash Flows ist heute eine Grundvoraussetzung eines MBO. Unternehmen, die bereits in der Vergangenheit über eine solide Free-Cash-Flow-Basis verfügten, sind deshalb bei der Kapitalsuche klar im Vorteil gegenüber Unternehmen, deren Cash-Flow-Verlauf zyklisch ist", sagt Heinz Hartmann.
Am Beispiel von Green.ch war aber gerade die Zeit der New-Economy-Baisse ein Vorteil, die gleichzeitig auch Probleme aufwarf, weil fremdes Kapital für einen Neuanfang fast nicht aufzutreiben war. "Der ideale Zeitpunkt ist dann, wann grosse Unternehmen nicht mehr wissen, was sie tun", so Honegger. Kleeb hingegen verallgemeinert: "Es gibt viele Gründe für ein MBO und somit auch immer verschiedene richtige Zeitpunkte."
Zur Vorbereitung eines MBO gehört in der Regel ein ausgereifter Businessplan. "Der Businessplan sollte konsistent, vollständig und realistisch sein und aufzeigen, wie in Zukunft die Free Cash Flows erwirtschaftet werden können", sagt der PwC-Profi.
Zu den wesentlichsten Punkten zählt dabei die Beobachtung der bisherigen Entwicklung des Unternehmens, der Stellung im Markt und der Konkurrenzsituation. Kaufpreisvorstellungen lassen sich anhand der Eröffnungsbilanz und des letzten Jahresabschlusses definieren. Genauso wichtig ist eine Produktanalyse und die Beschreibung des zukünftigen Produktprogramms, beziehungsweise der Dienstleistungen im Konkurrenzvergleich. Weitere Faktoren des Businessplanes sollten das Marktpotential und den Vertrieb durchleuchten hinsichtlich Markterschliessung und Erschliessung neuer Vertriebskanäle. Ausserdem gehört die Finanz- und Ertragsplanung und nicht zuletzt die Personalplanung dazu.
Dass ein MBO umfassende Vorbereitungen benötigt, die in einem Zeitrahmen von drei bis sechs Monaten durchgezogen werden müssen, bestätigt auch Andreas Kleeb: "Grundsätzlich müssen Businesspläne erstellt und auch erfüllt werden, die eine nachhaltige Finanzierung zulassen. Dann ist weiter zu definieren, welches Team die Aktien übernehmen soll." Kleeb ist der Meinung, dass die Übernahme auf mehrere aktiv in der Firma tätige Käufer abgestützt sein sollte, jedoch nicht zu breit, damit noch vernünftig Entscheidungen gefällt werden können. "Nicht zuletzt müssen steuerliche Aspekte eingehend geprüft werden", erwähnt Kleeb schliesslich noch einen wichtigen Punkt.
Guido Honegger hingegen hält nichts von Businessplänen: "Grosse Businesspläne gehen fast immer voll in die Hosen", gibt sich der Green-Mann selbstsicher. Honegger ist davon überzeugt, dass ein MBO innerhalb von Stunden abgewickelt sein muss, wenn sich die Situation ergibt.
In einem sind sich die Manager jedoch einig. "Das Entscheidendste sind die Leute, die dabei sind", bringt es Honegger auf den Punkt, und stellt klar: "Ohne Know-how geht gar nichts."
Ist der Kauf erst einmal abgeschlossen, kommen zahlreiche Aufgaben auf die neuen Unternehmer zu. Bei Green.ch war es zum Beispiel ein klarer Neuanfang. Die grösste Hürde war dabei, das Alte (Agri.ch) professionell hinter sich zu lassen. Am Geschäftsmodell änderte sich nichts Grundlegendes. Aber die Mitarbeiter mussten sich auf ein komplett neues Umfeld einstellen. Alle Angestellten erhielten neue Arbeitsverträge, und innerhalb der C&W-Gruppe mussten auch einige Kündigungen ausgesprochen werden.
Für die bestehende Kundschaft änderte sich ausser dem Firmennamen nicht viel. "Zum Glück konnten wir Green.ch schnell zu einem wirksamen Brand entwickeln, in den die Kunden Vertrauen haben", so Honegger.
Auch bei RedIT hat sich nach dem MBO am Geschäftsmodell nichts geändert. Und die Kunden, die Mitarbeiter und deren Anstellungsbedingungen blieben dieselben. Überdies erhielten die Kadermitarbeiter die Möglichkeit, sich an der Gesellschaft zu beteiligen. "Die Mitarbeiter und Kunden begrüssten es sehr, dass das Kader und das Management die Aktien übernehmen konnten, da diese nun unternehmerisch mit eigenem Geld hinter den Zielen der Unternehmung und deren Umsetzung stehen", sagt Kleeb und deutet damit auf einen der wichtigsten Vorteile eines MBO hin. Zu den weiteren Vorteilen zählen die Tatsachen, dass die Existenzgründer das Unternehmen gut kennen, die Eigentumsverhältnisse klar geregelt sind und ein erfahrenes Management zur Verfügung steht.
Auf die Fragen, welches die wesentlichsten Vor- beziehungsweise Nachteile eines MBO sind, antwortet der Green-Chef gleichwohl: "Freiheit."
Etwas detaillierter schildert der Fachmann von PwC die Vorteile: "Für die Gesellschaft oder die Geschäftseinheit resultiert der Vorteil, dass das bisherige Management erhalten bleibt und das bestehende Wissen in die Weiterentwicklung des Geschäfts einfliessen kann." Hartmann warnt allerdings, dass ein MBO allein ein schlechtes Management noch nicht zu einem guten Management macht: "Falls an der Qualifikation des Managements Zweifel bestehen, sollte ein MBO nicht weiterverfolgt werden."
Hartmann schildert einen weiteren interessanten Punkt, der dem Verkäufer Vorteile bringt: "Im Gegensatz zu einer Auktion muss nicht eine grössere Anzahl von Interessenten kontaktiert werden. Folglich müssen sensible Informationen auch nicht nach aussen weitergegeben werden."
Nachteile ergeben sich allerdings auch aus der sich häufig als schwierig zu gestaltenden Finanzierung. Dazu Kleeb: "Ein Teil des Free Cash Flows wird gebraucht, um die bestehenden Verpflichtungen aus dem Rückkauf von eigenen Aktien zu tilgen." Damit verbunden sind auch ein langfristiger Kapitaldienst und ein reduzierter finanzieller Spielraum für Investitionen.
In finanzieller Hinsicht sieht Hartmann gewisse Nachteile für den Verkäufer. Der Verkaufserlös liege typischerweise tiefer als bei einem Erwerb durch einen strategischen Investor wie beispielsweise einen Konkurrenten. "Gerade in der heutigen Zeit ist jedoch das Preiselement zu relativieren. Gewissen strategischen Investoren fehlen derzeit schlicht die finanziellen und Management-mässigen Kapazitäten, um auf Einkaufstour zu gehen." Der MBO stelle sich nicht zu letzt deshalb als valable Alternative dar.
Und unter dem Strich überwiegen sehr oft die Vorteile. Dazu noch einmal der PwC-Spezialist: "Das Management wird zum Eigentümer, partizipiert an der Wertschöpfung überproportional und erhält damit verstärkte Anreize zur Wertschöpfung."
Sowohl Honegger als auch Kleeb würden ein MBO jederzeit wieder durchziehen. Kein Wunder, denn die beiden Unternehmen gehören auch im aktuell schwierigen Marktumfeld zu den Key-Playern mit guten Zukunftschancen im Schweizer Markt.
Zudem in der Print-Ausgabe: Die 6 wichtigsten strategischen Überlegungen im Vorfeld eines MBO