Voll-Outsourcing bei der Kantonalbank

Die Graubündner Kantonalbank (GKB) hat Finnova eingeführt und die komplette IT ausgelagert. Die Erfahrungen sind durchaus positiv.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/14

     

In der Finanzwirtschaft dominierten über Jahre hinweg eigenentwickelte IT-Plattformen. Banken hatten mit Best-of-Breed-Lösungen die Anforderungen ihrer Kunden abgedeckt und sich im Wettbewerb differenziert. Der Wandel zur modernen Vertriebsbank führte bei vielen Finanzinstituten jedoch zu der Erkenntnis, dass mit der herkömmlichen Plattform die Bedürfnisse der Kunden zukünftig nicht mehr zu erfüllen sein würden. Probleme beim «Time-to-Market» und mangelnde Prozessproduktivität waren die Folge. Zudem kontrastierten die hohen Kosten für die Projektentwicklung und den Betrieb der bisherigen Plattform stark mit den sich am Markt sukzessive etablierenden Angeboten neuer Universalbank-Plattformen und Infrastrukturmanagementlösungen. Die Graubündner Kantonalbank (GKB) beschloss daher die Reorganisation ihrer IT-Infrastruktur.



Nach einer intensiven Evaluation fand die GKB mehrere Gründe, ihre IT auszulagern. Application Service Providing- sowie Betriebsofferten zeigten deutliche Kostenvorteile für eine externe Variante. Für das Fullsourcing sprachen zudem klare Value- und Risk-Vorteile, die Entlastung des Managements von Nichtkernkompetenzen sowie die bessere Durchsetzbarkeit von Service Level Agreements (SLAs) bei gleichzeitiger Professionalisierung des IT-Angebots. Neben einer deutlichen Kosteneinsparung sah die Bank bei einem IT-Dienstleister ein höheres Innovationspotential. «Besser und trotzdem günstiger, da blieb gar keine andere Wahl», stellt Eduard Gasser, Mitglied der GKB-Geschäftsleitung und Leiter der Geschäftseinheit lT/Operations, rückblickend fest.


Outsourcing besser und günstiger

Den Entscheid erleichterte zusätzlich die Bereitschaft der beiden künftig für die IT der GKB verantwortlichen Unternehmen, die Beschäftigten der bankinternen lT-Abteilung zu übernehmen. So beschäftigt das Softwarehaus Finnova heute in Chur 25 ehemalige Mitarbeiter der Kantonalbank. 75 Mitarbeiter wurden von T-Systems übernommen. Mittlerweile arbeiten im neugeschaffenen Churer Bank-Kompetenz-Center bereits 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die GKB und weitere Schweizer Banken, wie Hans Nagel, Gesamtverantwortlicher für den Aufbau des Zentrums Chur und Mitglied der Geschäftsleitung T-Systems Schweiz, bestätigt.


Den Plattformwechsel bei der GKB, der mit der Implementierung der neuen Standard-Gesamtbankenlösung und der gleichzeitigen Einarbeitung des künftigen Betreibers einherging, führten die Partner T-Systems und Finnova gemeinsam durch.



Auf der Ebene des Infrastrukturmanagements wird dazu die gesamte Infrastruktur der Banken in dem Kompetenzzentrum betrieben und gewartet. Das umfasst Rechenzentren, Server und Client-Infrastrukturen wie PCs, Arbeitsplätze und Drucker. Dazu kommen die Schalteranwendungen und Bankomaten, die Filialenvernetzung sowie das Outputmanagement bis hin zu einer Help-Desk-Hotline.


Variable Leistungsabrechnung

Dahinter steht ein Kapazitäten-Pool, der dem Provider variable Preis- und Verrechnungsmodelle ermöglicht. Bezahlen muss die Bank nur für die Leistungen, die sie real in Anspruch nimmt. Dieses «Dynamic Computing» umfasst diverse Typen von IT-Ressourcen. So werden etwa im Data-Pool nur die Daten für den Kunden verarbeitet; im Computing-Pool wird zusätzlich Prozessor- und Rechenleistung zur Verfügung gestellt. Alle Applikationen werden im Kompetenzzentrum und in redundanten Rechenzentren gehostet, gewartet und gepflegt. Das umfasst den ganzen IT-Lebenszyklus: aktuelle Releases und Patches, Störungsbehebung, Fehlerkorrektur und tägliche Kontrolle der Tagesendverarbeitungen sowie Speicherung und Backup. Service Level Agreements, die monatlich rapportiert werden, halten diese Vorgänge transparent.



Während der Migration wurde das alte System weiter betrieben. Parallel dazu liefen die Schulungen für über 900 vom Wechsel betroffene Mitarbeitende. «Es liegt in der Natur eines derart komplexen Projektes, dass man mit unvorhergesehenen Herausforderungen konfrontiert wird», stellt Eduard Gasser fest. «Als dann die ersten Kunden auf dem neuen System bedient wurden, war die Erleichterung auf allen Stufen spürbar.» Bei der Aufschaltung des neuen Systems sei man von der Stabilität der neuen Plattform selbst ein wenig überrascht gewesen, so Nagel.


Reibungslose Auslagerung

Besonders freut die Bankleitung, dass die mit der Auslagerung der lT-Abteilung verbundene technische Erneuerung der Hard- und Software ohne nennenswerte Probleme über die Bühne gegangen ist – von der Öffentlichkeit praktisch unbemerkt. Dies sei nicht zuletzt ein Verdienst der GKB-Belegschaft, bemerkte Gasser. Diese sei in den vergangenen eineinhalb Jahren stark belastet gewesen. Rund 430 Mitarbeitende seien im Migrationsprojekt für die neue GKB-Informations-Technologie involviert gewesen, rund 30’000 Arbeitstage hätten insgesamt dafür aufgewendet werden müssen.


«Wir sind überrascht, wie reibungslos die Auslagerung unserer IT funktioniert hat», sagt Eduard Gasser. Ausser einigen Kinderkrankheiten und bei Projekten dieser Grössenordnung üblichen Unschönheiten verlief die Umstellung planmässig.
Im täglichen Einsatz sind noch spezifische Zusatzanforderungen zu erfüllen, wofür die entsprechend zertifizierten Spezialisten bei T-Systems und Finnova zur Verfügung stehen. Alle Services, die im Kompetenzzentrum Chur erbracht werden, entsprechen dabei den Richtlinien der EBK (Eidgenössische Bankenkommission).



«Diese zukunftsorientierte Informatiklösung ist eine Investition in die Wettbewerbsfähigkeit und Bestandteil unserer Best-Service-Philosophie», kommentierte Alois Vinzens, CEO der Graubündner Kantonalbank, das Gelingen der Migration.


Mit modernstem System in die Zukunft

Die Investitionen der GKB in die Reorganisation ihrer IT-Infrastruktur werden sich lohnen, ist Eduard Gasser überzeugt. Mit der neuen lT-Plattform hat die GKB nun eines der modernsten Systeme unter den Schweizer Banken. Bankgeschäfte können nun effizienter, schneller und kostengünstiger abgewickelt werden. Die GKB rechnet damit, im IT-Bereich rund 20 Prozent der bisherigen Kosten einsparen zu können.


Mit dem Outsourcing der IT haben sich zusätzlich auch die Risiken reduziert: Da die Mitarbeiter im Churer Kompetenzzentrum nicht nur für die GKB, sondern auch für verschiedene weitere Banken arbeiten, steht der Graubündner Kantonalbank mehr Know-how zur Verfügung, als wenn sie ihre IT eigenständig betreiben würde.



Die Bank kann nun auf die Branchenkenntnis des «Competence Centers Banking» ihres Serviceproviders T-Systems zurückgreifen. Dreh- und Angelpunkt eines solchen Centers ist die Trennung zwischen standardisierten Infrastrukturen, Architekturen und Applikationen von den Diensten für einen individuellen Kunden («Customization»).


Auch die Kosten für Software-entwicklung und -verbesserung müssen nun nicht mehr von einer Bank allein getragen werden. Sie kommen allen Banken zugute, die auf dieser Plattform arbeiten. Mittlerweile sind dies rund 20 Institute, darunter ein Dutzend Kantonalbanken.




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Der Autor

Thomas Keel ist Head Industry Line Banking bei T-Systems Schweiz AG.




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