Editorial

Grünere Informatik ist gefragt


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/10

     

«Zwei Prozent des weltweiten CO2-Ausstosses gehen auf das Konto der Informatik, etwa gleich viel wie auf den weltweiten Luftverkehr.» Das meldeten kürzlich die Marktforscher der Gartner Group und bezogen sich dabei auf den gesamten Informatik- und Telekom-Bereich, allerdings ohne den Unterhaltungselektronik-Sektor. Ein unerwarteter, ja erschreckender Vergleich für Informatiker, die sich mit ihrer immateriellen Software vor den aktuellen Umweltdiskussionen bisher sicher fühlten. Aber die Hardware gehört eben auch zur ICT-Welt.


Der Siegeszug von Computer und Telekom hat inzwischen auch materiell offensichtlich globale Dimensionen erreicht. Zwar werden Notebooks und Handys auf minimalen Stromverbrauch getrimmt. Aber deren Herstellung sowie der Betrieb von Servern und Netzen, von Antennen und Rechenzentren sind Stromfresser erster Güte und damit eben indirekte CO2-Produzenten, weil der Strom weltweit noch immer schwergewichtig mit fossilen Brennstoffen thermisch produziert wird.
Und der Stromverbrauch ist nicht unsere einzige Umweltsünde. Bei der anspruchsvollen Herstellung unserer High-Tech-Hardware kommen wertvolle, teilweise auch giftige Materialien zum Einsatz, deren Gewinnung, Verwendung und spätere Entsorgung ebenfalls umweltrelevant sind. Und bereits seit längerem thematisiert wird der «Elektrosmog», der von immer mehr Antennen ausgeht (wobei zu den schärfsten Antennenkritikern durchaus auch Handy-Benützer gehören).
Damit sind wir natürlich mitten beim Thema: Können wir unseren heutigen Stand an Leistungsfähigkeit und Bequemlichkeit am Arbeitsplatz und im Privatleben – also den vollen ICT-Einsatz – halten und trotzdem die damit verbundenen Umweltschäden beschränken oder gar deutlich reduzieren? Wir können! Hier einige Beispiele:




- Wir können unsere ICT-Geräte länger nutzen. In sehr vielen Fällen (und zwar privat so gut wie geschäftlich) werden heute Geräte nicht wegen Ungenügen ersetzt, sondern nur, weil neue Angebote mehr Funktionen, mehr Speicher, mehr von allem Möglichen anbieten. Und genau das möchte man haben, sofort. Wozu eigentlich?



- Programme sind immateriell. Die Software-Anbieter könnten (Konjunktiv, denn sie tun es heute in keiner Weise!) bei ihren Standardprodukten (Office, Bilder, Musik usw.) abgespeckte Versionen anbieten, welche nicht immer die neueste und hochgerüstetste Geräteausstattung benötigen. Damit könnten neue Funktionen in vielen Fällen auch auf älteren Geräten genutzt werden.



- Informatik-Verantwortliche können bei ihren Gerätebeschaffungen durchaus auch Umwelt­aspekte berücksichtigen, die bisher kaum beachtet wurden. Dabei existieren interessante Kettenabhängigkeiten: Stromsparende Geräte führen zu einer tieferen Ventilatorleistung am Gerät (was auch weniger Lärm bedeutet) und damit zu einer tieferen benötigten Leistung der Klimaanlage. Häufig weist übrigens die erste Version eines neuen Modells nur neue Funktionen und höhere Leistung aus, während die Energieoptimierung erst bei der zweiten oder dritten Version einsetzt.
Informatikfachleute sollten «grüne» Argumente so rasch wie möglich in ihre Überlegungen einbeziehen und nicht erst dann, wenn sie durch die Politik oder gar durch Öko-Demonstranten dazu gezwungen werden.




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