Die papierlose Bewerbung

Das Swiss Document Center ist eine Plattform, über die Stellensuchende ihre Bewerbungsunterlagen verschlüsselt übers Internet zur Verfügung stellen können.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/15

     

Zweihundert schriftliche Bewerbungen auf eine einzige ausgeschriebene Stelle sind heute an der Tagesordnung. Wenn man mit nur fünf Minuten für die erste Sichtung eines einzelnen Bewerbungsdossiers rechnet, müssen bereits zwei ganze Arbeitstage für eine erste Vorselektion aufgewendet werden – viel Arbeit für die Personalabteilung.
Nicht viel besser geht es den rund 143'000 Arbeitslosen in der Schweiz (Ausgesteuerte nicht mitgerechnet). Es ist keine Seltenheit mehr, dass ein Stellensuchender 150 Bewerbungen schreiben muss, bis er eine neue Arbeitsstelle findet. Das bedeutet viel Schreib- und Kopierarbeit. Und nicht zuletzt geht das ganze Bewerbungsprozedere ganz schön ins Geld.


Aus eigener Erfahrung

Beide Situationen hat Peter Stotz erlebt. Als der ehemalige Personalleiter im Bankensektor mit 58 Jahren seine Stelle verlor, suchte er über ein Jahr lang vergebens nach einer neuen Tätigkeit. Vor diesem Hintergrund ist die Idee gereift, ein System zu entwickeln, das sowohl dem Personalverantwortlichen als auch dem Stellensuchenden die Arbeit vereinfacht. Im März dieses Jahres wurde schliesslich das Swiss Document Center gegründet (www.docupark.ch). Die Sache ist genau so simpel wie genial.






Das ganze Bewerbungsprozedere läuft über das Internet und spart so praktisch den ganzen Papierkram. Der Stellensuchende muss sein Dossier nur einmal aufbereiten. Dieses übergibt er dann entweder per Post oder auf elektronischem Weg dem Swiss Document Center. Dort werden die Unterlagen eingescannt und auf einem Server abgelegt. Jeder Kandidat bekommt sein individuelles Konto. Jedes Mal, wenn er nun eine Bewerbung schreibt, kann er ein Ticket generieren. Diese Ticketnummer erlaubt dann dem Personalchef, die Bewerbungsunterlagen über das Internet herunterzuladen. Dabei muss der Stellensuchende allerdings nicht immer seine gesamten Unterlagen zum Download anbieten. Er hat auch die Möglichkeit, nur einzelne Dokumente freizugeben. Das heisst, der Kandidat entscheidet in jedem Fall selbst, wer seine Papiere anschaut und auch, welche Dokumente freigegeben werden. Das hat den Vorteil, dass nur die jeweils relevanten Unterlagen verfügbar sind. Der Personalchef kann mit der Ticketnummer alle Dokumente einzeln aufmachen, herunterladen oder ausdrucken. Der Zugriff ist dabei mit einer Ticketnummer auf fünf Mal und insgesamt 60 Tage beschränkt.





Nachdem ein Dokument aufgemacht wird, erhält der Stellensuchende automatisch eine E-Mail-Benachrichtigung. Wenn der Personalchef nun sieht, dass die Bewerbung nicht in Frage kommt, drückt er auf den Button «ablehnen» und somit ist für ihn die Arbeit erledigt. Der Bewerber erhält daraufhin automatisch eine standardisierte Absage, und der Personalverantwortliche hat keinen weiteren Zugriff auf die Unterlagen. Um die Sicherheit zu wahren, ist der ganze Datenverkehr SSL-verschlüsselt.


Begleitschreiben unverzichtbar

Peter Stotz sieht sich keineswegs als Vermittler zwischen den zwei Parteien, sondern vielmehr als administrative Schnittstelle. Er umschreibt die Hauptvorteile seines Systems folgendermassen: «Beide Parteien sparen einerseits Zeit und Kosten. Andererseits ist eine hohe Sicherheit gewährleistet und eine absolute Sauberkeit der Bewerbungsunterlagen garantiert.» Nun kann man natürlich denken, dass, wenn jedes Personaldossier gleich aussieht, die Individualität und somit die Unterscheidungskriterien fehlen. Das ist aber nicht so, denn die Unterlagen werden immer noch vom Kandidaten selbst verfasst. In Ausnahmefällen steht Peter Stotz zwar beratend zur Seite, aber diese Arbeit nimmt er den Kunden grundsätzlich nicht ab. Ausserdem muss der Stellensuchende auch das Bewerbungsschreiben selbst abfassen. «Dies ist sehr wichtig, denn das Begleitschreiben ist das ein und alles bei einer Bewerbung», sagt Stotz.






Die Dienstleistung kostet für den Stellensuchenden 100 Franken. Für diese einmalige Gebühr wird das Dossier für zwei Jahre hinterlegt. Für die Personalverantwortlichen ist der Service kostenlos. Natürlich lassen sich die Unterlagen auch mutieren und aktualisieren. Dem Kunden steht auch eine Statistikseite zur Verfügung, die Aufschluss über die generierten und benutzten Tickets gibt. Diese Seite lässt sich ausserdem auch für RAV-Zwecke ausdrucken und wird von diesen auch anerkannt.


Geglückter Start

Peter Stotz blickt nun auf ein halbes Jahr Swiss Document Center zurück. Nachdem die Dienstleistung einem breiteren Publikum bekannt wurde, konnte er sich kaum vor Arbeit retten. Kandidaten aus allen Berufsgruppen haben sich bei ihm angemeldet. «Erstaunlich war, dass sich anfänglich fast nur Frauen eingeschrieben haben», sagt Stotz. Das habe sich aber in der Zwischenzeit durchmischt.






Die Echos, die Stotz in den ersten sechs Monaten erhalten hat, sind unterschiedlich. Von den Stellenbewerbern erhielt er durchwegs positive Feedbacks. «Ich habe den Eindruck, dass sich die Stellensuchenden durch unser System mehr bewerben als vorher», sagt er. Er führt dies darauf zurück, dass die Stellensuche erheblich einfacher sei. Die Personalchefs hingegen zeigen gemischte Reaktionen. Obwohl sie mehrheitlich positiv reagierten, gebe es immer noch Leute, die das Ganze noch nicht richtig bedienen, so Stotz. Es käme schon mal vor, dass ein Personalchef eine Absage dem Swiss Document Center schicke, anstatt die automatisierte Absage auszulösen. Weiter gäbe es natürlich immer noch Personalchefs, die lieber Papier als elektronische Dokumente erhalten.


Ehrgeizige Pläne

Auf die Frage, ob er denn von der ohnehin schon misslichen Lage der Arbeitslosen profitiere, antwortet Stotz: «Wenn ich von den Arbeitslosen profitieren wollte, müsste ich einen anderen Preis verlangen. Ausserdem ist die Dienstleistung nicht nur für Stellenlose gedacht, sondern auch für solche, die sich umorientieren wollen oder zur Zeit im Ausland weilen.» Es sei tatsächlich auffällig, dass gutausgebildete Leute mit Weiterbildungsdiplomen, die noch in Anstellung sind, von der Dienstleistung Gebrauch machen. Aber auch solche, die einen längeren Auslandaufenthalt einschalten und noch vor der Rückkehr in die Schweiz eine Anstellung suchen wollen.
Für die Zukunft möchte Peter Stotz sein Swiss Document Center bis über die Landesgrenzen hinaus weiter ausbauen. In rund einem Monat soll eine neue Version erscheinen, die einerseits einige Detailverbesserungen mit sich bringen, andererseits aber auch in weiteren Sprachen angeboten werden soll. Dabei steht Französisch zuoberst auf der Prioritätenliste, da bereits Interesse aus dem Welschland vorhanden sei. Aber auch eine englische Version soll in Kürze folgen.




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