Mit Dienstleistungen auf den Firmen-Desktop

Mit bedarfsgerechten Angeboten wollen Anbieter Linux auf den Unternehmens-Arbeitsplatz bringen. Der richtige Weg?

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/11

     

Auf der Server-Seite hat sich Linux mittlerweile als feste Grösse etabliert. Doch das freie Betriebssystem bringt einige Zutaten mit, die auf den Desktop schielen. Dazu gehören etwa Office-Anwendungen wie OpenOffice, der Webbrowser Mozilla und natürlich grafische Benutzeroberflächen, allen voran Gnome und KDE. Und obwohl die Arbeitsplatz-Rechner fest in der Hand von Microsoft Windows sind, so ist Linux in diesem Bereich für Unternehmen heute kein Tabu-Thema mehr.


Zentral verwaltet und vereinheitlicht

Als Allzweck-Desktop taugt Linux erst beschränkt. Im kreativen Umfeld und im spielerischen Heimbereich fehlt es derzeit noch an Anwendungen, die qualitativ mit proprietärer Software mithalten können. Gängige Büroaufgaben lassen sich dagegen mit den heute verfügbaren Anwendungen bewältigen. Hier liegen denn auch die Einsatzmöglichkeiten von Linux, so Stefan Werden, Senior System Architect bei Suse: «Linux eignet sich bereits heute als Alternative für Standard-Arbeitsplätze.»





Dienstleistungen als Einnahmequelle

Die beiden wichtigsten Linux-Distributoren Suse und Red Hat sowie Sun haben auf das von ihnen ausgemachte Bedürfnis nach einheitlichen, zentral verwalteten Desktop-Umgebungen reagiert und spezielle Unternehmens-Angebote zusammengestellt. Diese gleichen sich in ihren Grundzügen: Sie umfassen ein Desktop-Linux sowie Support in Form von Updates und Bug-Fixes für jeweils ein Jahr und garantierte Unterstützung über eine bestimmte Lebensdauer – ein klassisches Geschäftsmodell für freie Software.





Damit unterscheiden sie sich auch von den für Heim- und Einzelbenutzer gedachten Linux-Paketen aus dem Fachhandel. Allerdings bietet heute nur noch Suse mit den «Personal»- und «Professional»-Versionen beide Versionen an, während Red Hat dieses Angebot unter der Bezeichnung «Fedora» im Rahmen eines umstrittenen Modells an die Entwickergemeinde übergeben hat, ohne jedoch die Kontrolle gänzlich aus der Hand zu geben.


Kostenpflichtige Update-Quelle

Zu den ersten Anbietern eines Unternehmens-Desktops gehört Sun mit dem Java Desktop System. Das Angebot beinhaltet eine Arbeitsplatz-Umgebung sowie eine Server-Komponente für die zentrale Verwaltung der einzelnen Desktop-Rechner. Eben erst erschienen ist der Red Hat Desktop, der nebst der Arbeitsplatz-Variante zusätzlich einen Advanced Server beinhaltet sowie eine zentrale Verwaltungs-Software inklusive Zugriff auf das Update-System des amerikanischen Distributors. Dieses sogenannte Red Hat Network als geschlossene, kostenpflichtige und einzige Update-Quelle hat der Firma mit dem roten Hut als Markenzeichen einige Kritik eingebracht, genauso wie der Entscheid, sich ausschliesslich auf den lukrativen Unternehmens-Markt zu konzentrieren. Ob die Strategie Früchte trägt, insbesondere in Anbetracht der in Europa starken Konkurrenz durch Suse, wird sich weisen.


Novell mit Gnome und KDE

Aufgrund der weiten Verbreitung insbesondere im deutschsprachigen Markt dürfte Suse auf dem Unternehmens-Desktop hierzulande die besten Chancen haben. Das entsprechende Angebot aus Nürnberg, der Suse Linux Desktop, beinhaltet ein Arbeitsplatz-Linux sowie Support und Updates für ein Jahr. Die Preise liegen mit rund 150 Franken pro Station und Jahr für die Dienstleistung im Rahmen der anderen Anbieter – diese Grössenordnung scheint sich als gängige Marke zu etablieren.
Noch nicht festgelegt in diesem Bereich hat sich laut Pressesprecher Patrick Hofer das Mutterhaus von Suse, Novell. Die Situation ist hier insbesondere offen, da das Unternehmen mit dem Gnome-orientierten Ximian und der KDE-ausgerichteten Suse gleich beide Desktop-Strömungen an Bord geholt hat.


Support als Versicherung

Das nötige Know-How vorausgesetzt, lässt sich ein Arbeitsplatz aber auch mit einem handelsüblichen Linux aus dem Fachhandel einrichten. Da dabei keine Kosten für Dienstleistungen anfallen, liegen die Kosten um ein Mehrfaches tiefer. Stefan Werden winkt jedoch ab: «Dieser Weg ist riskant, da die Behebung von allfälligen Fehlern nicht sichergestellt ist.» Denn im Unterschied zu den von den Hardware-Herstellern zertifizierten Unternehmens-Desktopversionen mit ebenso zertifizierten Updates liegt beim «Warenhaus-Linux» die Verantwortung alleine beim Betreiber. Oder, wie es Stefan Werden beschreibt: «Die Unternehmens-Versionen warten mit Wartungsverträgen auf, die bis auf die Ebene des Source-Codes herabreichen können, sowie mit garantierter Lebensdauer.»





Ein Unternehmen, das auf diese Wartungsvertrag-«Versicherung» verzichtet, benötigt dementsprechend mehr eigenes oder eingekauftes Know-how, um Probleme zu beheben und Funktionstests durchzuführen.
Aus Kostengründen ist zu erwarten, dass dennoch vor allem kleinere Betriebe mit begrenztem Budget auf Distributionen wie beispielsweise Suse Professional setzen und auf den Service verzichten – zumindest, was die Desktops angeht. Hinzu kommt, dass Linux als Desktop-Betriebssystem-Alternative zu Microsoft heute erst in den Startlöchen steht. Ob es sich als Arbeitsplatz-System etablieren kann und in welchem Umfang, muss sich erst noch weisen. Dasselbe gilt für die Geschäftsmodelle der Anbieter.


Reise in eine offene Umgebung

Diesen Sommer gehen die Fenster zu bei den Schweizer Filialen des Reisebüros Wasteels: Dann müssen die installierten Windows-Betriebssysteme auf den rund 80 Desktop-PCs einer Linux-Variante weichen. Für weiterhin benötige Windows-Anwendungen setzt das Unternehmen Citrix ein, der Zugriff auf die Groupware-Funktionen von Lotus Notes erfolgt webbasiert. «Unter diesen Voraussetzungen ist Linux ideal», erklärt Peter Tomasini, IT-Leiter von Wasteels Schweiz, einen Grund für den Umstieg.
Damit würde Wasteels genau dem Zielpublikum der «Enterprise»-Versionen Red Hat Desktop oder Suse Linux Desktop entsprechen. Zum Zug kommt aber ein «gewöhnliches» Suse Professional. Tomasini macht hierfür zwei Gründe geltend: «Die normalen Versionen sind günstiger, und wir benötigen keine zusätzlichen Management-Werkzeuge für die zentrale Verwaltung.» Hierfür greift Tomasini auf Novell ZenWorks zurück, das sich in Tests mit den Professional-Versionen von Suse bewährt hat.





Noch kein Entscheid gefallen ist dagegen bei der Frage nach der Handhabung der Software-Updates, ein weiteres Argument, das Red Hat und Suse für ihre Enterprise-Desktops vorbringen. «Hier werden wir entweder auf Ximian Red Carpet oder ZenWorks zurückgreifen», erklärt Tomasini. «Allenfalls entwickeln wir auch eigene Scripts für diese Aufgabe.» Und für alle Fälle ist über zwei externe IT-Dienstleister auch eine weiterführende Unterstützung sichergestellt. «Am Support wird der Umstieg sicher nicht scheitern», gibt sich Tomasini überzeugt.
Der Verzicht auf «Enterprise»-Versionen wirkt sich auch auf die Kosten
für den Umstieg aus: «Nach unseren Berechnungen kommt uns dieser Weg rund 70'000 Franken günstiger zu stehen als ein Wechsel auf Windows XP», beziffert Tomasini die Umstiegskosten. Keine Zahlen kann der IT-Leiter dagegen derzeit für den Betrieb nennen, das müsse sich erst noch in der Praxis zeigen.




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