Datenschutz - Das Recht muss die Technik gestalten

Die Diskussion um den Datenschutz steht an einem Wendepunkt. Die Privatsphäre wird Stückchen um Stückchen dezimiert. Ihr schleichendes Ende scheint programmiert.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/23

     

Die Diskussion um den Datenschutz steht an einem Wendepunkt. Das Internet verhält sich zur Privatsphäre wie einst das Gewehr zum Büffel. Jede Nutzung hinterlässt Spuren:



Cookies, Verbindungsdaten und persönliche Angaben in Webangeboten werden gespeichert, kombiniert und zu Benutzerprofilen verarbeitet. Die Privatsphäre wird Stückchen um Stückchen dezimiert. Ihr schleichendes Ende scheint programmiert. Trotz dem Gewehr hat der Büffel überlebt. Wird auch die Privatsphäre das Internetzeitalter überleben?


Privatsphäre als Grundrecht

Datenschutz ist mehr als ein individuelles Anliegen. Autonome Individuen, die ihre Interessen frei und selbständig wahrnehmen, sind eine Lebensvoraussetzung unserer liberalen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung.



Ohne Privatsphäre werden diese Individuen zu manipulierbaren Bürgern oder Konsumenten. Die Privatsphäre gehört damit zu den Grundelementen unserer Gesellschaft, die zu wahren eine ständige Aufgabe der liberalen Gesellschaft sein muss. Wenn man den Büffel schützen will, muss man bei den Gewehren ansetzen, oder anders ausgedrückt: Wenn man die Privatsphäre retten will, muss man sich mit der Internettechnologie auseinandersetzen. Diese Erkenntnis scheint sich aber nur schwer durchzusetzen.





Datenschutzgesetz vor Revision

Das schweizerische Datenschutzgesetz (DSG) ist entstanden, als das Internet noch unbekannt war. Noch heute basiert die Konzeption des DSG auf den Informationstechnologien der siebziger Jahre. Deshalb erstaunt es nicht, dass das Internet sich entwickelte, ohne den Schutz der Privatsphäre angemessen zu berücksichtigen.



Jetzt steht eine Revision des Datenschutzgesetzes an, die die Chance bietet, konzeptionell und wirkungsbezogen den Datenschutz auch im Internet zu gewährleisten.




Der Entwurf verbleibt jedoch in einer formaljuristischen und technikneutralen Unbestimmtheit, als ob es keine Vollzugsprobleme mit dem Gesetz gäbe. Vielmehr scheinen hier Garantiearbeiten an einem überholten Konzept den Blick auf die Frage zu verdecken, wie die Wirksamkeit des Datenschutzes im Umfeld der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien gestärkt werden könnte. Das Fehlen von Bestimmungen, die sich auf die neuen Technologien beziehen, zeugt auch vom Mangel an Verständnis des Datenschutzrechts in der Informationsgesellschaft.



Richtig verstanden war das Datenschutzgesetz von Anfang an ein Technikfolgenrecht. Die Auswirkungen der damaligen Grossrechnertechnologien auf die Privatsphäre sollten in einem gesellschaftlich verträglichen Rahmen geregelt werden. "Big Brother" sollte in die Schranken verwiesen werden und die persönliche Freiheit auch angesichts der neuen Technologien als Grundwert der liberalen Gesellschaft gewahrt bleiben.




Rahmenbedingungen gefragt

Das Recht allein kann heute angesichts der rasanten technologischen Entwicklung diesen Schutz nicht mehr gewährleisten.



Vielmehr hat das Recht auch die Technik zu gestalten. Deshalb sind Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Einsatz von datenschutzfreundlichen Technologien fördern, die Gestaltung von Datenbearbeitungen nach den Prinzipien der Datenvermeidung und der Datensparsamkeit verlangen und die Konsumentinnen und Konsumenten unterstützen, Instrumente des Selbstdatenschutzes wie Verschlüsselungstechnologien zu nutzen.




Ein konzeptioneller Ansatz beinhaltet aber auch eine gesamtheitliche Sichtweise auf die Informationsbearbeitung. Information als eigenständige Ressource ist zu einem wichtigen Gut unserer Gesellschaft und unserer Wirtschaft geworden.



Deshalb ist neben dem Schutz der Information und der Privatsphäre auch der Zugang zu Informationen zu betrachten. Datenschutzrecht ist immer auch Informationsrecht.
Jede neue Technologie bringt neue Chancen, aber auch Risiken. Die Risiken für die Privatsphäre sind in der Technikfolgenabschätzung zu evaluieren. Eine risikobezogene Betrachtungsweise hat auch beim Datenschutzrecht stattzufinden, um ein wirksames Regelungskonzept für den Schutz der Privatsphäre in der Informationsgesellschaft zu finden. Den Datenjägern im Internet muss klar gesagt werden, wie sie mit ihren Gewehren umzugehen haben, ansonsten tatsächlich - und fatalerweise - das letzte Stückchen Privatsphäre aussterben wird.



Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Welche Farbe hatte Rotkäppchens Kappe?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER