Die Personalstrategien in IT-Unternehmen

Richtig verstandenes Personalmarketing geht weit über die Mitarbeiter-Beschaffung hinaus. InfoWeek erläutert die wichtigsten Erfolgsfaktoren.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/05

     

Weil der Erfolg eines Unternehmens über die Zufriedenheit der Mitarbeitenden führt, stellt die Mitarbeiter-Entwicklung heute ein zentrales Element des Personalmarketings dar. Es ist effizienter und ökonomischer, gut qualifiziertes Personal zu halten und zu fördern als neues zu gewinnen. Aufgabe der Personalverantwortlichen ist es denn auch, alle Beteiligten für diese anspruchsvolle Aufgabe zu sensibilisieren, Unterstützung zu bieten und die Instrumente bereitzustellen, welche eine systematische Mitarbeiterförderung und -entwicklung für alle Personalkategorien ermöglichen.


Als Arbeitgeber attraktiv sein

Je grösser ein Unternehmen ist desto unüberschaubarer wird es. Hewlett-Packard beispielsweise beschäftigt in der Schweiz 600 Mitarbeiter - weltweit beläuft sich die Zahl auf rund 88'000. Im laufenden Jahr wird der Personalbestand stabil bleiben. Das heisst, es wird keine nennenswerten Veränderungen geben, wie von Walter Zahnd, HR-Manager Schweiz, zu erfahren ist.



Bei einem Unternehmen dieser Grössenordnung müssen natürlich gewisse Ziele in der Personalpolitik festgelegt und verfolgt werden. Dazu zählen vielfach Faktoren wie die Steigerung der Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt und die Stabilisierung des Unternehmens durch ein attraktives Arbeitsumfeld, wie auch Walter Zahnd bestätigt: "Wir wollen als Arbeitgeber attraktiv sein. Mit unserer Personalpolitik verfolgen wir die Ziele, die besten Arbeitnehmer auf dem Markt zu gewinnen und die stärksten Leistungsträger im Unternehmen zu erhalten." Diese Meinung teilt auch Beat Schwab, HR-Manager von Microsoft Schweiz: "Wir wollen der bevorzugte Arbeitgeber im Softwaremarkt sein." Microsoft beschäftigt zur Zeit 217 festangestellte Mitarbeiter in der Schweiz.




Anders als bei HP ist bei Microsoft der Bedarf für das Jahr 2002 noch nicht ganz gedeckt. Schwab rechnet mit einer leichten Zunahme des Personalbestandes. Momentan verzeichnet Microsoft 16 Vakanzen in den Bereichen Sales, Marketing und Services.




Flexible Mitarbeiter sind gefragt

Um als Unternehmen langfristig erfolgreich zu sein, sollte auch ein langfristiger Planungshorizont im Personalmanagement verfolgt werden. HP erreicht diese Vorgaben, indem das Unternehmen bei der Einstellung neuer Mitarbeiter Wert auf Bildungsfähigkeit und Flexibilität der Arbeitnehmer legt. "Damit schaffen wir ein Unternehmen, in dem die Mitarbeiter ihren Fähigkeiten entsprechende Aufgaben übernehmen können", kommentiert Zahnd und fährt fort: "Flexible Mitarbeiter sind ausserdem bereit, langfristig neue Aufgaben zu übernehmen, die optimal ihrem veränderlichen Leistungspotential entsprechen." Dabei spielt das Alter offensichtlich keine Rolle.



Anders bei Microsoft - der älteste Mitarbeiter ist gerade mal 50 Jahre alt. "Die meisten Leute, die wir einstellen, sind zwischen 25 und 40 Jahre alt. Somit können wir nicht davon ausgehen, dass sie auch bei Microsoft pensioniert werden", erläutert Zahnd.




Auf die Frage nach dem Ausländeranteil geben sich die Unternehmen eher verschlossen. Aber in einem Punkt sind sich die Personalverantwortlichen einig: Ausländische Mitarbeiter sind multikulturell und für internationale Unternehmen, die in der IT-Branche häufig vorkommen, von positiver Bedeutung. Dies bestätigt auch der HR-Manager von Microsoft: "Ausländische Mitarbeiter sind für uns ein Pluspunkt. Wir sind ein internationales Unternehmen, und Diversity ist bei uns grossgeschrieben." Bei Microsoft Schweiz arbeiten rund 25 Prozent ausländische Staatsangehörige.



Einziger Wermutstropfen beim Einsatz von Nicht-Schweizern ist der mühselige Prozess beim Einholen der entsprechenden Arbeitsbewilligungen, die in der Schweiz an strenge Richtlinien gebunden sind.




Die Aufgaben der Personalabteilung

Zu den Kernaufgaben einer Personalabteilung gehören Personalverwaltung, -information, -einsatz und -beschaffung sowie die Lohn- und Gehaltsfindung. HP überträgt der Personalabteilung überdies die Verantwortung für die Mitarbeiterentwicklung (Training & Development) sowie das Change Management.
Während grössere Unternehmen vielfach verschiedene Stellen mit diesen Aufgaben betrauen, werden bei HP Schweiz alle diese Aktivitäten von einem zentralen HR erledigt. "Auf europäischer Ebene stehen aber für verschiedene Gebiete wie beispielsweise Training & Development entsprechende Fachspezialisten zur Verfügung", gibt der HR-Manager Auskunft.



Für die Personalbeschaffung werden klassische Instrumente eingesetzt wie Stelleninserate, interne Ausschreibungen, Online-Werbung oder Mund-zu-Mund-Propaganda. Aber auch externe Hilfe von Personalvermittlungen oder Headhuntern gehören zum Alltag bei der Rekrutierung von neuem Personal. Diese Instrumente werden auch von den meisten Firmen regelmässig genutzt.




Ein beliebtes und erfolgreiches System ist das sogenannte Employee Referral Program. Dabei handelt es sich um ein Bonus-Programm für Angestellte für Hinweise auf Kandidaten und erfolgreiche Rekrutierung.




Interviews können entscheiden

Interessant zu beobachten ist es, dass die am meisten gewichteten Entscheidungsinstrumente für die Einstellung neuer Mitarbeiter der klassische Lebenslauf sowie die darauf folgenden Interviews sind. Microsoft setzt dabei auf das sogenannte Vier-Augen-Prinzip. Dabei macht die HR-Abteilung eine Vorselektion, anschliessend interviewt der direkte und der nächst höhere Vorgesetzte den Kandidaten, und am Schluss übernimmt noch einmal das HR für die Vertragsverhandlungen.



Beurteilungen durch externe Referenzauskünfte oder graphologische Gutachten werden weniger gewichtet. Auch der Ausbildungsstand wie beispielsweise akademische Titel oder Diplome spielt eine untergeordnete Rolle. Allerdings relativiert Walter Zahnd diese Tatsache: "Akademische Titel, Weiterbildungsdiplome oder militärische Karrieren spielen keine Rolle für die Einstellung. Diese sind aber gute Indikatoren für die Lernfähigkeit und -bereitschaft." Und auch für Microsoft steht der Mensch und nicht der Ausbildungsstand im Vordergrund: "Nicht Diplome zählen, sondern Wissen, Erfahrung und Persönlichkeit", ist von Schwab zu erfahren. Dabei sei es unwichtig, wie dieses Wissen angeeignet wurde.





Den Mitarbeiter entwickeln

Ein Indikator für einen, aus Arbeitgebersicht, erholten Arbeitsmarkt stellt die Tatsache dar, dass die Zeitspanne zwischen der Ausschreibung einer Stelle bis zur Einstellung des neuen Mitarbeiters heute im Durchschnitt zwei bis drei Monate dauert - eine sorgfältige Evaluation also. Bis zum ersten Arbeitstag verstreicht vielfach noch einmal die gleiche Zeitdauer.



Viel Arbeit für die Personalverantwortlichen bedeutet auch die Tatsache, dass durchschnittlich 25 bis 50 Prozent aller Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden.




Ist der neue Mitarbeiter erst einmal eingestellt, beginnt die Einarbeitungsphase. Auch hier unterscheiden sich die Methoden kaum. Diese führen über fundierte, strukturierte Trainings und Einarbeitung, die vielfach "on the job" stattfinden, bis hin zu Mentor-Programmen, die vor allem bei Branchen-Einsteigern zum Einsatz kommen.



Doch nach der Einarbeitung ist die Arbeit für die Personalabteilung längst nicht getan, denn insbesondere in der IT-Branche müssen die Unternehmen auch für geeignete Personalförderungs- und erhaltungsmassnahmen sorgen. Dazu zählen interne und externe Weiterbildungen oder auch systematische Entwicklungsgespräche, wie sie bei Microsoft zur Anwendung kommen. Diese finden jeweils von Januar bis März statt, wobei die Entwicklungspläne festgelegt werden. Drei bis vier Monate später folgen sogenannte Performance-Review-Gespräche mit Notengebung.



HP bietet einen zusätzlichen Anreiz zur Weiterbildung, indem das Unternehmen auch selbstgewählte Ausbildungsprogramme unterstützt.




Motivation durch Benefits

Um die besten Leute und das daraus resultierende Know-how schliesslich im Betrieb halten zu können, müssen Instrumente geschaffen werden, welche die Motivation der Mitarbeiter steigern. Dabei kann den Angestellten das Zugehörigkeitsgefühl durch eine permanente Versorgung mit Informationen näher gebracht werden.



Ausserdem wollen sich die Mitarbeitenden entwickeln. Das Aufzeigen von Visionen und Perspektiven sowie die Möglichkeiten, auf Karriereleitern aufzuspringen, sind sicherlich wichtige Bindungsmassnahmen.




Zu den häufigsten Mitteln, um das Personal an die Unternehmung zu binden, zählen jedoch verschiedene Benefits wie Lohnanpassungen, Boni, Beteiligungen oder aber auch Freizeit, die zusätzlich zur normalen Arbeitszeit gewährt wird.



Auch bei der Gestaltung des Arbeitszeitmanagements unterscheiden sich die IT-Firmen kaum. Traditionelle Modelle mit fixen Arbeitszeiten sind definitiv out. Branchenbedingt bietet sich hier auch ein grösserer Spielraum an als beispielsweise bei einem Gewerbebetrieb.



So werden unter Absprache mit Vorgesetzten, Kollegen oder Kunden total flexible Arbeitszeiten angeboten. Microsoft beispielsweise erfasst die Arbeitszeit nicht. Die Mitarbeiter können sich die Arbeitszeit selbständig einteilen. Das heisst jedoch nicht, dass weniger gearbeitet wird. "Die meisten Mitarbeiter arbeiten über den üblichen Zeitrahmen von 42,5 Stunden pro Woche", relativiert Beat Schwab.




Weshalb es zur Kündigung kommt

Jedes Arbeitsverhältnis hat ein Ende, und vorher erfolgt die Kündigung. Dass diese fair sein soll, versteht sich von allein. Denn niemand will den anderen am Weiterkommen hindern - zumindest im Normalfall nicht. Und die Fairness ist auch gesetzlich geregelt und wird im Falle einer Kündigung von Arbeitgeberseite von seriösen Unternehmen auch entsprechend umgesetzt. Nach mehrmaliger Verwarnung mit Kündigungsandrohung unter Festlegung eines Zeitrahmens zur Leistungsverbesserung folgt bei Nichterreichen der Vorgaben die Kündigung.



Die Realität zeigt aber ein anderes Bild, denn mehrheitlich ist es der Arbeitnehmer, der das Unternehmen auf seinen Wunsch verlässt.




Eine Studie des Forschungsinstitutes für Arbeit und Arbeitsrecht der Universität St. Gallen bestätigt, dass in der Schweiz jährlich 340'000 Angestellte ihre Stelle wechseln. Zwei Drittel davon tun dies aus eigenem Willen.



Stellenwechsel sind in der Schweiz sowohl in konjunkturellen Boom- als auch in Rezessionsphasen häufig. Der Wunsch nach einem Wechsel ist immer an die subjektive Einschätzung der momentanen Arbeitsbedingungen gekoppelt. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Sicherheitsfaktoren, Ansehen des Unternehmens und nicht zuletzt die Lohnentwicklung sind wichtige Entscheidungskriterien.




Fazit

Als Schlussfolgerung für ein ganzheitliches Personalmarketing und den daraus resultierenden Unternehmenserfolg, lässt sich die Erkenntnis ableiten, dass bestehendes, gut qualifiziertes Personal gefördert und entwickelt werden muss, um dieses langfristig zu motivieren und an den Betrieb zu binden. Ausserdem sollte die Firma darauf abzielen, ein überdurchschnittlich attraktiver Arbeitgeber (Employer of Choice) zu sein. Weiter erreicht das Unternehmen Wettbewerbsvorteile durch den Aufbau und die Pflege eines einzigartigen Arbeitgeber-Images (Employer Branding), was wiederum den Stolz des Arbeitnehmers, bei diesem zu arbeiten, festigt.



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