Networking im Internet

Networking-Portale sind typische Web 2.0-Unternehmen und werden immer populärer. Xing.com schaffte im letzten Dezember gar den Börsenstart.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/01

     

Der Begriff Web 2.0 stammt von Tim O’Reilly. Web 2.0 existiert jedoch nicht wirklich, etwa im Sinne einer Softwareversion. Vielmehr sind damit die Möglichkeiten gemeint, die sich aus der Verfügbarkeit schneller Netzzugänge und verschiedener Technologien wie Web-Services, AJAX (Asynchronous Javascript and XML) oder Abo-Diensten (RSS) ergeben. Lokale Anwendungen greifen damit auf Anwendungen im Netz und Suchmaschinen auf lokale Daten zu. Desktop und Netz wachsen zusammen. Vor allem aber werden die Anwender mit «Social Software» wie Blogs und Wikis selber zu Content-Lieferanten und halten etwa ihre Kontaktdaten im Netz selber up to date.
Lars Hinrichs, Gründer und Vorsitzender der Kontakt-Plattform Xing.com, gibt sich bezüglich Web 2.0 allerdings skeptisch und bezeichnet es als Schlagwort, das in erster Line dazu beitrage, dass wieder in Internetunternehmen investiert werde. Seine eigenen New-Economy-Erfahrungen hätten ihn allerdings gelehrt, zwischen netten Features und echten Geschäftsmodellen zu unterscheiden. Seine Networking-Plattform bezeichnet er als eines der wenigen, funktionierenden Web-2.0-
Geschäftsmodelle.


Schlüssel zum Erfolg

Networking gilt gemeinhin als Schlüssel zum Erfolg, in erster Linie natürlich für Selbständige, aber zunehmend auch für Angestellte. Guy Kawasaki ist Evangelist – ein netteres Wort für PR-Heini – und lebt von Beziehungen. In seinem Buch «The Art of Schmoozing» rät er, Beziehungen aufzubauen, bevor man sie benötige: «Ich gehe», schreibt er, «nie zu einer Veranstaltung, um Aufträge zu akquirieren. Ich gehe hin, um Menschen kennenzulernen. Der Rest ergibt sich von selbst.» Er empfiehlt, intelligente Fragen zu stellen und dann zuzuhören, unterschiedliche Interessen über das eigene Business hinaus zu zeigen und sich möglichst breite Kenntnisse anzueignen, um mit­reden zu können. Vor allem aber sollte man nach dem Kennenlernen die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme so einfach wir möglich gestalten.
Party-Smalltalk, bisher das meistgenutzte Kontaktwerkzeug, ist allerdings nicht jedermanns Sache. Da erweist sich das Internet oft als nützlich. Kawasakis Tipps lassen sich auf Netzwerkplattformen mit ihren themenbezogenen Foren trefflich umsetzen.


Aus Open Businessclub wurde Xing

Eine dieser Plattformen, auf der die Nutzer ihre – vorwiegend geschäftlichen – Kontakte verwalten, ist das mehrsprachig betriebene, webbasierende Netzwerk Xing.com. Bis zum Börsengang hiess es noch OpenBC (Open Business Club). Der neue Name soll insbesondere im asiatischen Raum besser klingen. 2003 gegründet, zählt Xing inzwischen mehr als 1,7 Millionen Benutzer in über 200 Ländern.
Vom Studenten bis zum Manager kann sich jeder kostenlos anmelden und sein Profil hinterlegen. Darin finden sich neben den beruflichen und privaten Kontaktdaten auch Angaben über Tätigkeitsfelder, Ausbildung sowie gegenwärtige und frühere Arbeitgeber. Zudem kann ein Foto hochgeladen werden. Einmal angemeldet, sucht der frischgebackene Netzwerker dann auf der Plattform nach bekannten Gesichtern und Namen.
Damit lässt sich allerdings kein Geld verdienen. Dafür ist die Premium-Mitgliedschaft da, für die monatlich 5.95 Euro zu entrichten sind. Sie bietet zusätzliche Funktionen wie die Anzeige der Mitglieder, die sich das eigene Profil angeschaut haben, und die Möglichkeit, diese per E-Mail in sein Kontaktnetz einzuladen. Nimmt der Eingeladene das Angebot an, wird er als Kontakt aufgeführt. So entsteht ein Netzwerk, in dem auch die Kontakte der Kontakte sichtbar sind. Xing erzielte im letzten Geschäftsjahr auf diese Weise einen Umsatz von sechs Millionen Euro.


Der Nutzen

Ein typisches Xing-Mitglied dürfte der Zürcher Reto Hartinger sein, selbständig und Inhaber einer kleinen Firma. Er berät Unternehmen insbesondere bei ihrer Internetstrategie und organisiert Konferenzen. «Vor allem zu Anfang musste ich ziemlich viel Zeit in Xing investieren, um mein Kontaktnetz aufzubauen. Heute sind es noch täglich um die 20 Minuten.»
Sein Kontaktnetz umfasst zum grössten Teil Leute, die er bereits kannte, aber aus den Augen verloren hatte. Er sieht Xing als eine Art aktuelles Adressbuch, das ihm sagt, wer zurzeit wo arbeitet. Dieses nutzt er, um Leute zu seinen Veranstaltungen einzuladen. Ausserdem findet er so Referenten und kann diese über gemeinsame Kontakte leichter ansprechen. «Von den angebotenen Kontakten ist für mich vielleicht ein Drittel wirklich nützlich. Wichtig ist, dass man seine Angebote attraktiv formuliert. So finde ich durchschnittlich einen guten Kontakt pro Woche, und mein Kontaktnetz wächst ständig.»


Geschlossene Gesellschaft

Xing ist als Kontakt-Plattform nicht allein. Das nach eigenen Angaben grösste, englischsprachige Business-Netzwerk Linked-In etwa hat in Europa bisher drei Millionen Mitglieder, weltweit sollen es 7,8 Millionen sein. Das in Kalifornien ansässige Unternehmen will, wie Mitbegründer Konstantin Guericke im letzten Oktober ankündigte, demnächst eine deutsche Version starten.
Die Basis-Mitgliedschaft bei Linked-In ist ebenfalls gratis, setzt jedoch eine Einladung durch ein bestehendes Mitglied voraus. Dabei sollen nur Leute eingeladen werden, die jemand bereits gut kennt und mit denen er bereits gearbeitet oder Geschäfte abgewickelt hat.






Die in diesem Sinne «geschlossene» Plattform Linked-In versteht sich streng Business-bezogen. Im Gegensatz zu Netzwerken wie Xing, Zerodegrees oder Spoke wird nicht einmal ein Foto hochgeladen. Geschäftliches und Privates sollen getrennt bleiben.
Die Premium-Mitgliedschaft mit erweiterten Funktionen kostet hier je nach Ausgestaltung zwischen 300 und 5000 Dollar im Jahr. Dabei besteht die Möglichkeit, auch an unbekannte Mitglieder eine beschränkte Anzahl Mails zu schicken. Dies wird, so Guericke, vor allem von Personalchefs auf Mitarbeitersuche genutzt. Die Business-Foren im Internet werden damit zu einer interessanten Möglichkeit, sich für die Jobsuche zu präsentieren.


Headhunter und Personalchefs

Mancherorts gehört es auf Universitäten und in Büros bereits zum guten Ton, mit seinem virtuellen Kontaktnetz zu protzen. Die Anzahl der Internet-Kontakte anstelle von Gadgets und Pferdestärken dient manchen auch zur Selbstbestätigung. Doch wer nicht mitmacht, läuft Gefahr, den Anschluss zu verlieren. Die deutsche Zeitschrift «Computerwoche» schrieb kürzlich, bereits werde ein Fünftel aller Stellen über professionelle Kontaktnetze und Blogs gefunden. Sogar Headhunter suchen dort nach Kandidaten, und allein bei der weltweit grössten Business-Plattform, Linked-In, sollen über 10’000 Personalchefs Mitglied sein.



Die Netzwerke führen aber auch zu mehr Transparenz auf dem Stellenmarkt: Auf manchen Plattformen ist es möglich, Firmen und Länder nach potentiellen Mitarbeitern, Beratern und nach Unternehmen zu durchforsten. Damit wird die Exklusivität des vertraulichen Wissens von Personalvermittlern um mögliche Kandidaten durchlöchert. In Zukunft werden Kontakte wohl vermehrt direkt oder über Empfehlungen von Internetbekanntschaften laufen. Gleichzeitig wird es für Unternehmen wie für Jobsuchende schwieriger, sich «über Wert» zu verkaufen, wenn sich die Beteiligten jederzeit per Mausklick ein Bild vom Interessenten wie auch von der suchenden Firma machen können.




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