Mail-Archivierung an der HSG

Das E-Mai-System der Uni St. Gallen stiess vor geraumer Zeit an seine Grenzen. Das verantwortliche IT-Team ist einen neuen Weg gegangen und hat die E-Mail-Archivierung komplett neu aufgesetzt.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/21

     

Wissenschaftler wollen es gerne genau wissen. So auch an der Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften in St. Gallen. Hier sind etwa 5000 Studenten eingeschrieben, und an den verschiedenen Instituten der Universität und in der Verwaltung arbeiten 1500 Wissenschaftler und Angestellte. Auch die Ostschweizer Uni blieb nicht verschont von der wachsenden Datenflut, besonders im E-Mail-Bereich, die das bestehende Storage Area Network (SAN) kaum noch verkraften konnte.
Der ursprüngliche reservierte dedizierte Speicherplatz im SAN lag bei rund 500 GB pro Server, insgesamt also bei einem Terabyte. Angesichts der explodierenden
E-Mail-Flut war der Speicherplatz, wie Kurt Städler, Leiter der Gruppe Systemtechnik des Informatikbereichs berichtet, praktisch ausgeschöpft. Insbesondere die Archivierung aller Mails war an ihre Grenzen gestossen. Mit einer Kombination aus dem NetApp Filer FAS3020 und der Archivierungssoftware Livelink von OpenText/IXOS wurde schliesslich eine angepasste und kostengünstige Lösung gefunden.


Am Anschlag

Die IT-Mannschaft machte sich zunächst auf die Suche nach einer grundsätzlich neuen Lösung – einfach immer weiter Speicher­kapazitäten ins SAN zu hängen, konnte schon aus Kostengründen nicht akzeptiert werden. Die bestehende Situation wurde erst einmal umfassend analysiert. Die Bestandsaufnahme ergab: Das seit 1991 in Betrieb befindliche Mail­system Lotus Notes/Domino versorgte etwa 7000 Postfächer: 5300 für die Studenten und 1700 für die Angestellten und Wissenschaftler. Den Studenten war eine Mailquote von je 70 MB zugewiesen worden, was als unproblematisch angesehen wurde. Anders sah es schon mit den restlichen 1700 Postfächern aus: Hierfür waren keine Mailquoten vergeben worden, was zu dem Resultat geführt hatte, dass manche Postfächer bis zu acht GB gross waren. Die Postfächer der Angestellten waren auf zwei Mailserver verteilt, wobei der ursprünglich allozierte Speicherplatz im SAN 230 GB pro Server vorgesehen hatte.
Täglich wurden etwa 18’000 eingehende und 5000 ausgehende Mails verzeichnet, verteilt auf beide Server. Das Datenwachstum betrug zirka 200 GB pro Jahr, womit der zu Anfang bereitgestellte Speicherplatz im SAN praktisch ausgeschöpft war.
Das Resultat der unstrukturiert gewachsenen Speicher-Infrastruktur: 70 Prozent des gesamten Speicherplatzes wurden von nur 25 Prozent der Benutzer beansprucht. Das bedeutete, dass das System bezüglich der Speicherauslastung ziemlich am Anschlag war.


Vom Problem zur Lösung

Es bestand Handlungsbedarf. Einfach nur die Quoten drastisch zu verringern, wäre keine Lösung gewesen, zumal mit dem Widerstand der User gerechnet werden musste, die für ihre Arbeit zum Teil grössere Speicherplätze benötigen. In einem ersten Schritt wurde dennoch bei der Uni-Leitung die Einführung einer Mailquote von 600 MB für die Wissenschaftler und Angestellten beantragt. Auf 600 MB kam man auch deshalb, weil sich Datenmengen in diesem Umfang gut auf CD-ROM brennen lassen.
Die Uni-Leitung akzeptierte die neue Mailquote, verband dies aber vernünftigerweise mit der Bedingung, insgesamt eine neue Archivlösung einzuführen. Es wurden folgende Forderungen aufgestellt:





- regelbasierte und manuelle Auslagerung von alten Maildaten, einschliesslich der Attachments

- Entlastung der zentralen Mailserver bezüglich Speicherbedarf

- Entlastung der Backup-Infrastruktur bezüglich Band- und Zeitbedarf

- Erfüllung von rechtlichen Anforderungen

- Beibehaltung der neuen Mailquote

- Bereitstellung der Basis-Infrastruktur für eine spätere Auslagerung von Daten aus Filesystemen

- Transparente Lösung für die Endbenutzer

- hohe Verfügbarkeit des Gesamtsystems.



Zu berücksichtigen waren dabei neben einer klaren Kostenvorgabe (unter 250’000 Franken), dass Lotus Notes/Domino als Mailsystem und Microsoft Windows als Betriebssystem erhalten bleiben sollten. Als Datenbank wurde MS-SQL favorisiert. Für die Applikations-Software wurden folgende Anforderungen festgelegt:



- transparente Integration in Notes-Client

- Web-Access für ausgelagerte Daten ist möglich

- Suchfunktionen via Volltext-Index

- Übernahme der Berechtigungen

- regelbasierte, zentral gesteuerte und manuelle Auslagerung muss möglich sein

- Single-Instanzierung von Objekten.



Die Speichersysteme sollten modular erweiterbar sein, und überdies sollte die ganze Lösung auf offenen Standards und Schnittstellen beruhen. Auf der Hardware-Seite wurde ein Startvolumen von fünf Terabyte vorgesehen, das zudem revisionssicher sein sollte.
E-Mail-Only-Lösungen wurden von Beginn an verworfen, statt dessen sollte ein System zum Einsatz kommen, das Hardware- und Software-Ebene optimal mit­einander verbindet. Vier Anbieter wurden ausgewählt, ein detailliertes Angebot vorzulegen:



- EMC mit Legato Mail- und DiskXtender (Software) und EMC Centerra (Hardware)

- Grau Data Storage mit Ceyonic Nscale oder Grau EmailArchiver (Software) und Grau HSM Infinistore (Hardware)

- NetApp mit OpenText/IXOS Livelink (Software) und NetApp FAS270 oder NetApp FAS3020 (Hardware)

- StorageTek/Sun mit OpenText/IXOS Livelink (Software) und STK Flexline 600 oder IntelliStor (Hardware).


Allein die preislichen Vorstellungen der Anbieter differierten sehr stark: bei der Software zwischen 26’000 und 75’000 Franken und bei der Storage-Hardware zwischen 60’000 und 213’000 Franken. Mindestens genauso krass waren die Preisunterschiede bei Wartungsverträgen bis zu drei Jahren (47’000 bis 128’000 Franken) und bei Services (9500 bis 38’000 Franken).


Entscheid schnell klar

Nach einer relativ kurzen Auswahl- und Testzeit war dem IT-Team klar, für welche Lösung man sich entscheiden wollte: Livelink von OpenText/IXOS erfüllte in der gegebenen Lotus/Domino-Umgebung am besten die Voraussetzungen für eine reibungslose Integration: Die Produktpalette ist umfassend für Archivierungen (einsetzbar für Filesysteme, SAP, Domino, Exchange u.a.) geeignet und flexibel in der Handhabung, vor allem für die Endbenutzer, da es keine fixe Ablagestruktur gibt.
Auf der Hardware-Ebene konzentrierte sich das Rennen auf EMC und NetApp. So kam die Lösung Centerra von EMC sehr gut an, da sie angesichts der Funktionsvielfalt nicht nur kostengünstig, sondern als Blackbox-System auch einfach zu handhaben ist. Allerdings wurden die proprietären Schnittstellen bemängelt, ein Zugriff sei nur via APIs möglich.
Die FAS3020 von NetApp erhielt schliesslich den Zuschlag, da das System über offene Schnittstellen und einfache Rechtevergabe verfügt, ausserdem war die Handhabung einfach und die Kosten blieben im Rahmen. Entscheidend war überdies die Paketmöglichkeit zusammen mit Livelink von Opentext/IXOS.
Bei der Entscheidung im Ausschreibungsprozess waren ferner folgende Kriterien von Bedeutung: Hierarchisches Speichermanagement (HSM) wurde als technisch interessanter Ansatz eingestuft, aber wegen der hohen Komplexität und dem damit verbundenen Verwaltungsaufwand abgelehnt. Teilweise konnte die von den Hardwareherstellern mit angebotene Software nicht überzeugen (zu sehr als schnell geschnürtes Bundle erkennbar). Negativ fiel ferner auf, dass einige Anbieter nicht ernsthaft genug interessiert waren, über keine klare Strategie verfügten und überdies mit preislich deutlich überteuerten Produkten und Serviceleistungen ins Rennen gegangen waren.


Faktor Psychologie

Die weichen, mehr psychologischen Faktoren spielen bei Ausschreibungen offenbar doch eine grössere Rolle, als allgemein angenommen wird. Die Zusammenarbeit während der Pilotphase und anschliessend im Projekt selbst wird von der IT-Abteilung der Uni St. Gallen als «angenehm» bezeichnet und bestimmt offenbar die Gesamteinschätzung.
Die schliesslich zum Zug gekommene Implementation vollzog sich mit Hilfe der NetApp-Spezialisten erwartungsgemäss reibungslos. Städler von der Hochschule St. Gallen betont aber, dass der Schulungsaufwand für die eigenen Mitarbeiter nicht zu unterschätzen sei. Bezüglich der Archivierungsmöglichkeiten zeigte sich, dass die Umsetzung der Auslagerungskriterien zügig umzusetzen war: Alle Mails, die älter als 400 Tage und grösser als 100 KB waren, wurden erfolgreich auf die Archivebene verschoben. Positive Folge: Die Postfächer der Mitarbeiter wurden tatsächlich kleiner, was sich besonders bei grossen E-Mail-Accounts mit vielen grossen Attachments bemerkbar machte.
Bisher läuft die Hardware im Rahmen der eingesetzten Lösung ohne Ausfälle, doch ist das letzte Wort nicht gesprochen: Solange der Ernstfall nicht eingetreten ist, können auch die versprochenen Support-Leistungen nicht angemessen beurteilt werden.




Das neue E-Mail-Archivierungssystem an der HSG


Handlungsbedarf für neue Mail-Struktur an der HSG



· seit 1991 Lotus Notes/Domino als Standardplattform für E-Mail



· zirka 7000 Postfächer

> davon 5300 für Studierende, 70 MB Mailquote (nicht weiter relevant)

> und 1700 für Angestellte, ohne Mailquote (Postfächer bis zu 8 GB Grösse)



1700 Postfächer auf zwei Mailserver verteilt

> ursprünglich allozierter Speicherplatz auf SAN: 230 GB pro Speicher



· zirka 18’000 ein- und 5000 ausgehende Mails pro Tag (auf beide Server verteilt)



· Datenwachstum: zirka 200 GB pro Jahr

> aktuell allozierter Speicherplatz auf SAN: rund 500 GB pro Server, d.h. total 1 Terabyte (Speicherplatz auf SAN praktisch ausgeschöpft)



· 70 Prozent des gesamten Speicherplatzes wird von 25 Prozent der User beansprucht



Quelle: Universität St. Gallen



Fazit: Es besteht Handlungsbedarf


Der Autor

Hartmut Wiehr ist Fachjournalist und Buchautor in München.




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