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Schlichten statt prozessieren

Der Sinn eines Domänenstreitbeilegungsdienstes, wie ihn die Switch per 1. März einrichten muss, ist im benachbarten Ausland umstritten.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/04

     

Die Vorgabe war klar: Gemäss Art. 14f der Verordnung über die Adressierungselemente im Fernmeldebereich (AEFV) musste die Schweizer Domainregistrierstelle Switch einen Streitbeilegungsdienst für .ch- und .li-Domains schaffen, der entsprechend der modernen Internetkommunikation "gerecht, rasch und kostengünstig" ist. Die vom Bundesamt für Kommunikation gesetzte Frist läuft am 1. März dieses Jahres ab. Bisher standen den Betroffenen gegenüber den Domaininhabern nur zeit- und oft auch kostenintensive gerichtliche Verfahren offen.



Das Bedürfnis nach einer rein schweizerischen Schlichtungsstelle ergab sich auch aus einer Machbarkeitsabklärung, die Switch im vergangenen Jahr bei interessierten Kreisen durchgeführt hatte. Switch-Rechtsanwältin Beranek Zanon: "Von den befragten Fachleuten sprachen sich rund die Hälfte für die Schaffung eines solchen Dienstes aus." Gerade im Zusammenhang mit der Einführung der neuen Umlaut-Domains scheint eine Welle von Streitigkeiten vorprogrammiert.




In enger Zusammenarbeit mit den Bundesämtern für Kommunikation und Justiz und dem Institut für Geistiges Eigentum wurde deshalb ein Verfahrensreglement erarbeitet, wobei man bei Switch von den Erfahrungen anderer Länder profitieren konnte. Neben dem internationalen UDRP-Verfahren für .com-Domains der ICANN galten vor allem die nationalen Streitschlichtungsstellen in Grossbritannien, Österreich und Belgien als Vorlage. Auf eine öffentliche Konsultation wurde laut Beranek Zanon verzichtet, "da die Errichtung eines Streitbeilegungsdienstes eine Vertragspflicht von Switch ist und damit in deren Ermessen liegt".


Kostengünstig und schnell

Das fertig erstellte Reglement, das am 1. März dieses Jahres in Kraft tritt, wurde Anfang Februar anlässlich der Tagung "Domain-Pulse" in Zürich erstmals offiziell vorgestellt. Es sieht ein zweistufiges Schiedsverfahren vor. Erst wird ein Schlichtungsversuch gestartet, in einer zweiten Phase gibt es den Expertenentscheid. Eingeleitet wird das Schlichtungsverfahren durch die Einreichung einer Klage beim Switch-Sekretariat mit der gleichzeitigen Entrichtung der entsprechenden Gebühr von 500 Franken. Daraufhin wird der beklagte Domainname durch Switch blockiert, so dass er zwar vom Inhaber weiterhin benutzt, aber vorerst nicht mehr auf einen anderen Inhaber übertragen oder gar gelöscht werden kann.



Die Gesuchserwiderung erfolgt innert 20 Tagen. Die eigentliche Schlichtungsverhandlung erfolgt per Telefon und dauert maximal eine Stunde. Falls kein Vergleich zustandekommt, kann ein Fortsetzungsantrag gestellt werden, der den Antragsteller weitere 2000 Franken kostet. Der anschliessende Expertenentscheid erfolgt innerhalb von 14 Tagen. Er ist beschränkt auf eine klare Rechtsverletzung im Bereich Kennzeichen- und Wettbewerbsrecht. Anwendbar ist ausschliesslich das materielle Schweizer Recht. Der Schiedsspruch kann entweder auf Übertragung oder Löschung der Domain oder auf Abweisung des Gesuches lauten.




Nach 20 Tagen wird der Schiedsspruch rechtswirksam, sofern von der unterlegenen Partei kein Gerichtsverfahren anhängig gemacht wurde. Danach ist Switch verpflichtet, den Expertenentscheid umzusetzen, das heisst die für die Übertragung beziehungsweise Löschung der umstrittenen Domain nötigen Schritte unverzüglich einzuleiten. Eine Klage beim Zivilrichter bleibt den beiden Parteien vor, während und nach dem Streitbeilegungsverfahren jederzeit vorbehalten. Der Streitbeilegungsdienst ist für sämtliche Domains beziehungsweise deren Halter zwingend, die ab dem 1.3. 2004 registriert werden, deren Abonnementsperiode per 1.3.2004 erneuert wird oder deren Halter sich freiwillig auf das Verfahren einlassen.


Kein echtes Bedürfnis?

Und wie sieht es im benachbarten Ausland aus? In Österreich gibt es schon seit einem Jahr einen analogen Streitschlichtungsdienst, der allerdings kein echtes Bedürfnis darzustellen scheint. Innerhalb des ersten Jahres gab es zwar einige Klagen, aber kein einziges Verfahren, da kein Beklagter die Zuständigkeit der Schlichtungsstelle anerkannte. Keinen Bedarf für einen solchen Streitbeilegungsdienst sah man bisher auch in Deutschland. Denic-Justiziar Stephan Welzel: "Das gibt keinen Sinn, weil die Gerichte in Deutschland wunderbar funktionieren und weil es keine grenzüberschreitenden Streitigkeiten wie bei .com-Domains gibt." Das einzige, was es bei der deutschen Domainregistrierstelle Denic gibt, ist ein sogenannter Dispute-Eintrag, der es dem Beklagten während der Dauer eines Jahres verbietet, die Domain zu löschen oder auf jemand anderen als den Kläger zu übertragen. Welzel ironisch: "Ich wundere mich ein bisschen, dass in der Schweiz der Staat, der ja Inhaber der Gerichte ist, durch eine Verordnung die Verantwortung an eine externe Streitschlichtungsstelle delegiert, statt die eigenen Gerichte zu verbessern."




Hinweis: Mehr Informationen zum Streitbeilegungsdienst finden sind ab 1. März 2004 unter www.switch.ch.




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