Knowledge Management zum zweiten: Das Kundenwissen ist Trumpf

Zu theoretische Konzepte bedeuteten in den 90er-Jahren das Ende des Knowledge Management. Jetzt wächst der Markt wieder zweistellig, dank konkreten Projekten vor allem im CRM-Umfeld.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/04

     

In den frühen neunziger Jahren dominierten in den Vorstandsetagen die Gedanken, wie man der Information Economy der entscheidenden Ressource Information durch verbessertes Wissensmanagement Herr werden konnte. Beratungshäuser und Softwarehersteller sahen im Knowledge Management (KM) die Chance, einen neuen Markt zu bearbeiten.
Das Thema wurde als strategische Initiative in den Unternehmen angesehen und Organisationsbereiche geschaffen, die diesem Phänomen nachgehen sollten. So wurde die Position des CKO, des Chief Knowledge Officer, geschaffen, der den Übergang von der Information in die Knowledge Economy vorantreiben sollte. Das Wissen in den Unternehmen und gerade in den Köpfen der Mitarbeiter wurde in den Jahren des ungebändigten Wachstums als erfolgskritisch angesehen.



Die Aktivitäten waren allerdings nicht zielorientiert und hatten mit den betriebswirtschaftlichen Herausforderungen wenig zu tun. Die meisten Unternehmen machten den Fehler, allumfassende und zu theoretische Konzepte ganzen Divisionen überstülpen zu wollen. "Think big and start small" war in diesen Jahren nicht opportun. Zudem waren die Werkzeuge nicht in der Lage, sich in die gewachsenen Infrastrukturen der Unternehmen zu integrieren und heterogene Datenquellen anzubinden.




So war eine Desillusionierung durch die dürftigen Ergebnisse nur folgerichtig. Neu geschaffene zentrale Bereiche wurden wieder geschlossen, die Welle des CKO-Sterbens wurde eingeleitet. In vielen Unternehmen gilt Knowledge Management seither als Illusion.


Illusion oder Realität

Es stellt sich darum heute die Frage, ob der ganze Wissensmanagement-Ansatz grundsätzlich nicht für Unternehmen taugt, zumal in Zeiten, in denen Wachstum unmöglich scheint. Hat man sich heute grundsätzlich vom Thema verabschiedet?



Prof. Dr. Walter Brenner, Professor am Institut für Wirtschaftsinformatik (IWI-HSG), Uni St. Gallen, widerspricht dieser Vermutung vehement: "Man will zwar von den Konzepten nicht mehr viel wissen, aber das Wissensmanagement ist wichtiger denn je für die Unternehmen." Und die Zahlen geben ihm Recht: Gegenwärtig erfährt der Markt für Werkzeuge des Wissensmanagements eine stille, aber rasante Aufwärtsbewegung. So stellt Giga in einem Report fest, das 2003 das Wachstum in diesem Markt 30 Prozent betrage und damit eine positive Ausnahme darstellt.




Wirft man einen Blick hinter diese Zahlen, so stellt man fest, dass es stets um den konkreten Einsatz in Projekten geht, die entweder das Ziel der Kostensenkung, der Qualitätserhöhung oder der Zeitreduktion haben. Hierbei geht es nicht um abstrakte Konzepte, sondern um den Einsatz ganz bestimmter Werkzeuge des Wissensmanagements. Zu diesen zählen zum Beispiel Portale, Suchwerkzeuge, Content-Management-Tools, Kollaborationswerkzeuge und das Kompetenz-Management zur Nutzung des impliziten Wissens. So haben die Erfordernisse der rezessiven Wirtschaft und eine Refokussierung auf die Erzielung von Performance dem Thema Wissensmanagement gar zu einer neuen Welle verholfen.


Kundenwissen ist Trumpf

Die Leistungserstellung in einem Unternehmen geschieht auf der Ebene der betrieblichen Prozesse. Hier wurden in den letzten Jahren angesichts des Kostendrucks einerseits und der gewachsenen Kundenanforderungen andererseits grosse Defizite deutlich. Gerade in Prozessen an der Schnittstelle zu den immer anspruchsvoller werdenden Kunden spielt das richtige Management der Informationen über die Kundenbeziehung eine zentrale Rolle.
Zunehmend werden auch im Rahmen der Vergleichbarkeit der internen Leistungen mit externen Anbietern an interne Prozesse die gleichen Anforderungen gestellt, die vorher externen Kunden vorbehalten waren. Daraus folgt, dass jeder interne Prozess langfristig zum "Kundenprozess" werden wird. Diese Tendenz ist nicht aufzuhalten.



In diese Richtung weist auch, dass die klassischen Produkte zum Customer Relationship Management (CRM) bereits heute als kombinierte CRM/KM-Werkzeuge vermarktet werden. Überall wo Prozesse ihren eigentlichen Output nur effizient und effektiv erbringen können, wenn quasi eine Anreicherung der Aktivitäten mit entsprechender spezifischer Information zum Kunden erfolgt, spielen KM-Instrumente ihre Stärken aus:





Wissen für den Kunden: Wer erinnert sich nicht an seine eigenen leidvollen Erfahrungen mit einem Call-Center-Agenten, der trotz Informationssystem schlechter über die Produkte informiert ist als der Kunde?




Wissen vom Kunden: Im Produktentwicklungsprozess gewinnt die Rolle der Kundenerfahrungen an Bedeutung. Die Aufnahme dieser Informationen ist kostbar und kann umfangreiche Marktforschung ersetzen.




Wissen über den Kunden: Die Bereitstellung der Kundenhistorie, seiner Präferenzen und Bedürfnisse ist nicht zuletzt Voraussetzung für Cross- und Upselling oder Kampagnenmanagement.



Hier hat das Wissensmanagement eine neue Rolle übernommen: Die Ergebnisse der kundenorientierten Prozesse durch die Bereitstellung des richtigen Wissens schneller, besser und günstiger steigern zu können. Dieses wird als Customer Knowledge Management bezeichnet (vgl. Kolbe, Österle, Brenner: Customer Knowledge Management, Springer, 2003).



Architektur für Customer Knowledge Performance


Messbare Erfolge

Das Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen (IWI) untersucht seit einigen Jahren die Einsatzmöglichkeiten dieser Werkzeuge für Prozesse in Marketing, Vertrieb und Service. Ein integriertes Modell (vgl. Abbildung S. 46) aus Elementen des CRM und KM hat sich dabei in zahlreichen Praxisprojekten mit Partnerunternehmen als erfolgreich bewiesen.



So konnte gezeigt werden, das Wissensmanagement in allen Prozessen, die auf Kunden ausgerichtet sind, grosse Vorteile bringt. Nun will das IWI mit seinen Partnern diesen Mehrwert messbar nachweisen. Denn die aktuelle, angespannte Wirtschaftslage bringt diesen Punkt mit Nachdruck auf die Tagesordnung. Die Unternehmen fordern den wirtschaftlichen Nutzen-Nachweis der eingesetzten Instrumente, zum Beispiel eines CMS im Rahmen eines Call Centers. Genau hier setzt das Kompetenzzentrum Customer Knowledge Performance (CKP) mit seinen Projekten an.




Dieses Kompetenzzentrum zielt auf die messbare Verbesserung der kundenorientierten Prozesse der beteiligten Unternehmen mit den Werkzeugen des Wissensmanagements. Die Verbesserung wird methodisch unterstützt und durch Messgrössen nachgewiesen. Dieses Vorgehen sichert den Unternehmen ein Argumentarium für die interne Rechtfertigung ihrer Projekte, aber gibt ihnen auch das Handwerkszeug, die erzielte Performance-Steigerung auf andere Prozesse zu übertragen. Im Rahmen des Kompetenzzentrums bietet sich aber auch die Möglichkeit, Erfolge und Herausforderungen auf einer sowohl hersteller- als auch beraterneutralen Plattform mit Vertretern der beteiligten Partnerunternehmen im Rahmen von Workshops auszutauschen.


Der Autor

Dr. Lutz Kolbe ist Mitarbeiter am Competence Center Customer Knowledge Performance der Universtät St. Gallen. Er wird die Bedeutung von Knowledge Management für CRM am Seminar "Customer Orientation Management" am 10. März im Kongresszentrum Trafo in Baden detaillierter präsentieren. (Info: www.knowledgeplace.ch)




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