Freie Fahrt für SAP auf Linux

Mit Linux und SAP DB lassen sich die Betriebskosten für SAP-Umgebungen senken.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/02

     

Wenn es um die Wahl einer Server-Plattform geht, zeigt sich SAP vielseitig. Als klassische Umgebungen gelten Microsoft Windows und die diversen Unix-Varianten. Doch es kommt Bewegung in diese Auswahl: Mittlerweile buhlt auch das freie Betriebssystem Linux um die Gunst der SAP-Anwender. Dies ist kein Zufall, hat SAP doch selber zu dieser Entwicklung beigetragen.


Voraussetzungen sind gegeben

Der Grund für die Umarmung des freien Betriebssystems dürfte zum einen auf Wünschen der Kunden basieren. Zum anderen fischt Microsoft nach der Übernahme von Navision mittlerweile selber im SAP-Teich. Offiziell gibt man sich bei SAP Schweiz neutral, wie Pressesprecherin Claudia Rollero betont: "Wir geben keine Empfehlungen für ein bestimmtes Betriebssystem ab."




Das heisst jedoch nicht, dass Linux kein Thema wäre. Rollero: "Linux wird durchaus ernstgenommen, auch wenn Neuinstallationen meist immer noch auf Unix und Windows basieren." Eine Umstiegswelle scheint sich nicht anzubahnen, die Verbreitung von Linux-basierten SAP-Systemen ist noch gering. Rollero schätzt, dass nur etwa fünf Prozent der Kunden auf das freie Betriebssystem setzen. "Vor allem Unternehmen, die intern bereits Linux-Know-how besitzen, dürften entsprechende SAP-Umgebungen realisieren", vermutet sie.


Wichtige Zertifizierung

Man kann aber davon ausgehen, dass die Zahl an Linux-basierten Systemen wachsen wird. Denn es ist nicht anzunehmen, dass der Aufwärtstrend von Linux, wie ihn verschiedene Marktforscher beobachten, ausgerechnet vor SAP-Systemen haltmachen wird. So lassen die immer wieder vorgetragenen Pro-Linux-Argumente wie Stabilität, tiefe Kosten und Hersteller-Unabhängigkeit dieses Betriebssystem gerade auch für SAP-Anwendungen interessant erscheinen. Andererseits trägt SAP selbst dazu bei, die Attraktivität dieser Kombination zu fördern. Bereits seit Anfang 2000 gehört Linux zu den offiziell unterstützten Betriebssystemen. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung war, bestimmte Distributionen zu zertifizieren. Hierbei handelt es sich gegenwärtig um die Server-Produkte Suse Linux Enterprise Server und Red Hat Enterprise Linux. Die Zertifizierung bietet Unternehmen die Gewähr, dass die Kombination von Betriebssystem und SAP-Umgebung auch erwartungsgemäss funktioniert - bei unternehmenskritischen Anwendungen unerlässlich.


SAP-Suse-Kombi

Die Zusammenarbeit zwischen SAP und Suse geht noch einen Schritt weiter. Sie gipfelt darin, dass der Linux-Distributor einen kompletten SAP-Support anbieten kann. Für die SAP-Anwender ist es von Vorteil, wenn Betriebssystem- und Anwendungssupport aus einer Hand stammen. So sind die Zuständigkeiten klar geregelt, was verhindert, dass sich die Anbieter gegenseitig den "Schwarzen Peter" zuschieben.




Einen weiteren Schritt zur Förderung von Linux hat SAP unternommen, indem die hauseigene Datenbank namens SAP DB bereits im Oktober 2000 unter eine Open-Source-Lizenz gestellt wurde. Seit Mitte letzten Jahres kooperiert SAP für die weitere Pflege und Entwicklung von SAP DB mit der schwedischen Firma MySQL, die vor allem durch ihren gleichnamigen, freien SQL-Datenbankserver bekannt ist. Ziel dieser Kooperation ist die Weiterentwicklung der nun unter der Bezeichnung "MaxDB" geführten und für SAP-Anwendungen zertifizierten Datenbank.


Freie Datenbank

Für SAP-Anwender bedeutet dies, dass sie anstelle eines teuren kommerziellen Datenbank-Servers auch ein freies Produkt einsetzen können. Wenn weder für das Betriebssystem noch für die Datenbank Lizenzgebühren anfallen, trägt dies zur Kostensenkung bei, was wiederum ein Argument für den Entscheid zugunsten von Linux sein kann - auch wenn fairerweise erwähnt werden muss, dass die Linux-Anbieter Red Hat und Suse ihre Server-Produkte mit sogenannten Maintenance-Programmen kombinieren und dadurch entsprechende Kosten anfallen.



Seit längerem bietet der SAP-Partner TDS Multivision auch in der Schweiz SAP-Dienstleistungen unter Linux an. Diese umfassen Beratung, Konfiguration und Installation, aber auch den Betrieb von SAP-Servern im eigenen Rechenzentrum. Dort laufen SAP-Systeme unterschiedlichster Grösse, wie Jürgen Essberger erläutert, Leiter Beratung bei TDS Multivision: "Die grösste Umgebung zählt 220 Benutzer und beinhaltet eine Datenbank von über 250 GB Grösse." Die Erfahrungen, die beim Unterhalt dieser Systeme gemacht hat, fallen positiv aus: "Zuverlässigkeit und Performance stimmen", erzählt Essberger.




Daneben hat der Spezialist noch einen weiteren Vorteil für Linux entdeckt. Normalerweise benötigen Produktiv- und Entwicklungsumgebung sowie die Qualitätssicherung, also das Austesten neuer Prozesse, jeweils eigene Server. "Mit Unix und auch Linux lassen sich Entwicklungssystem und Qualitätssicherung auf der gleichen Hardware betreiben", beschreibt Essberger seine Erfahrungen. "Das senkt die Hardwarekosten."


Gegen den Update-Zwang

Seit drei Monaten hat die in Raron im Wallis ansässige Firma Techron eine SAP-Umgebung unter Linux produktiv im Einsatz, nachdem vorgängig während eines halben Jahres Tests gefahren wurden. Das Unternehmen produziert Präzisionskomponenten aus Aluminium, Stahl und Titan für die Automobil- und Medizinalbranche. 16 Benutzer zählt das SAP-System von Techron, das auf der ganzen Breite eingesetzt wird: Von der Materialbewirtschaftung über Produktion und Verkauf bis hin zu Finanzbuchhaltung und Controlling.




Den Ausschlag für Linux gaben aber nicht schlechte Erfahrungen mit Windows-Betriebssystemen, wie Pascal Stoffel, IT-Leiter bei Techron, erklärt: "Wir haben in den letzten Jahren für Unternehmens-Anwendungen auf Windows gesetzt und waren zufrieden damit." Als Grund gibt Stoffel vielmehr die Verzahnung der Server- und Desktop-Versionen von Windows an: "Unsere Wahl, welche Versionen wir auf den PCs und den Servern einsetzen, wird so eingeschränkt. Wir wurden quasi gezwungen, Updates durchzuführen." Mit Linux hätten sie diese Abhängigkeiten verringern können. Der Entscheid für das freie Betriebssystem ist also strategisch zu verstehen. Hinzu kommt, dass die SAP-Systeme - eine Test- und eine Produktiv-Umgebung - unabhängig von der restlichen Server-Landschaft laufen. Als Linux-Distribution entschied sich Techron für den
Suse Linux Enterprise Server, als Datenbank kommt SAP DB zum Einsatz.


Spezialisten sind vorhanden

Das nötige Know-how für den Betrieb der beiden Server musste sich die Informatik-Abteilung aber zuerst aneignen oder extern beschaffen - wie das auch in der Windows-Welt der Fall war. Doch das fehlende Wissen scheint Stoffel nicht zu beunruhigen: "Wir können auf profilierte Unterstützung sowohl durch TDS als auch durch lokale IT-Unternehmen zurückgreifen", beschreibt er. Und zieht einen etwas überraschenden Schluss: "Wir haben weniger Probleme damit, Linux-Spezialisten zu finden als Know-how im Microsoft-Umfeld." Stoffel führt dies vor allem auf den Trend Richtung Linux zurück, den er beobachtet.




Obwohl es nach nicht einmal einem halben Jahr noch zu früh ist, eine endgültige Bilanz zu ziehen, sind die Erfahrungen mit SAP unter Linux bisher positiv. Stoffel:"Sowohl das Produktiv- als auch das Testsystem laufen problemlos und zuverlässig."




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