«IT ist Commodity und Business Value Creator»

Selçuk Boydak sprach mit Peter Sany, Konzern-CIO der Deutschen Telekom AG, über dessen Ziele und den Business-Value der IT.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/22

     

Selçuk Boydak: Peter Sany, die Rolle eines konzernweit agierenden CIO wurde bei der Deutschen Telekom im vergangenen Jahr neu etabliert und mit Ihnen besetzt. Was waren die Gründe der Deutschen Telekom für diesen Schritt?

Peter Sany: Aus meiner Sicht sind es im wesentlichen drei Gründe, die für die neue Position des Konzern-CIO sprachen. Zunächst ist da die technische Konvergenz. Wir erleben in der Telekommunikationsbranche unter dem Stichwort «IP-Revolution» derzeit eine rasante Weiterentwicklung der Netzwerktechnologien. So können wir beispielsweise inzwischen Fernsehinhalte über unser Telefonnetz übertragen. Unsere IT-Landschaft muss natürlich mit diesen technischen Entwicklungen Schritt halten.
Zweitens gibt es die Konvergenz aus Kundensicht – unsere Märkte verändern sich. Für immer mehr Kunden wird es zunehmend wichtig, überall einfach und flexibel kommunizieren zu können, egal ob über Festnetz oder Mobilfunk. Die Deutsche Telekom hat hier deutliche Vorteile gegenüber anderen Telekommunikationsunternehmen: Als integrierter Telekommunikationskonzern können wir unsere Kunden einheitlich und technologieunabhängig bedienen und damit sowohl die Wünsche nach Übertragungsbandbreite wie auch Mobilität bedienen. Diese klaren Wettbewerbsvorteile müssen wir auch IT-seitig unterstützen.
Der dritte Grund schliesslich betrifft die sich rasch verändernde Wettbewerbslandschaft. Bisher bestehende Markteintrittsbarrieren verschwinden allmählich. Neue Wettbewerber mit deutlich niedrigeren Produktionskosten greifen in das Geschehen ein und führen zu erodierenden Margen und dadurch zu spürbarem Kostendruck auch für die IT.
Vor dem Hintergrund der Konvergenz von Technologien und Märkten sowie des gleichzeitigen Kostendrucks hat sich die Deutsche Telekom entschieden, ihre zukünftige IT-Landschaft aus einer übergreifenden, konzernweiten Perspektive zu gestalten. Und genau dies wird durch mich in der Funktion des Konzern-CIO koordiniert.


Boydak: Ich werte es als sehr wichtiges Zeichen, dass in einer Zeit, in der einige bekannte Beratungs- und Research-Einrichtungen schon das Ende der CIO-Funktion herbeireden, die Deutsche Telekom die zentrale CIO-Rolle derart aufgewertet hat. Doch das war

Sany: Die veränderte Governance ist eine konsequente Fortsetzung und Weiterentwicklung der zuvor beschriebenen Neuausrichtung der IT. Die divisionsübergreifende Zusammenarbeit und Abstimmung bei Konvergenz- und Effizienzinitiativen, bei denen ein divisions­übergreifendes Vorgehen erforderlich ist, wird durch die neue Berichtsstruktur deutlich schlanker und einfacher. Wir gewinnen insgesamt an Schnelligkeit und Agilität.


Boydak: Wie sieht Ihre CIO-Agenda für die nächsten Jahre aus? Welche Ziele möchten Sie erreichen?

Sany: Als Konzern-CIO trage ich die Gesamtverantwortung für eine optimale Ausrichtung unserer IT an den Anforderungen des sich verändernden Marktumfeldes und an den Bedürfnissen unserer Geschäftseinheiten. Mein Haupt­augenmerk muss dabei der Steuerung des übergreifenden IT-Portfolios unseres Konzerns gelten, das bedeutet konkret der Initiierung und Steuerung unternehmensweiter IT-Initiativen. Daneben bin ich verantwortlich für die Gesamtheit unserer konzernweiten IT-Ausgaben.
Zusammen mit meinen CIO-Kollegen der strategischen Geschäftsfelder habe ich daher nun eine neue Konzern-IT-Strategie erarbeitet und vom Vorstand beschliessen lassen. Kernbestandteil der IT-Strategie sind sechs konzernweite IT-Initiativen, die zusammen zu einer verbesserten Marktposition der Deutschen Telekom sowie auch zu einer Kostensenkung in der IT um 20 Prozent bis 2010 führen werden. Die Hauptaufgabe des Konzern-CIO-Boards in den nächsten drei Jahren ist die Steuerung der Umsetzung dieses weitreichenden Transformationsprogramms.


Boydak: Sparen in der IT ist ein wichtiges Unterfangen und Kosteneinsparungen von 20 Prozent innerhalb von drei bis vier Jahren sind ohne Frage ein sehr anspruchsvolles Ziel. Wie sieht es mit der Nutzenseite aus? Wie adressieren Sie diese?

Sany: Gemeinsam mit meinen CIO-Kollegen haben wir drei strategische IT-Ziele definiert: «Steigerung der Kundenorientierung», «Verbesserte operative Effizienz», «Senkung der IT-Kosten». Vier unserer sechs Initiativen zur Umsetzung der neuen IT-Strategie behandeln die Themen Wachstum, Information und Kunden.
Beispielsweise haben wir gerade ein neues Front-end-System für unsere Call Center und T-Punkte etabliert, das unseren Vertriebs- und Service-Mitarbeitern erlaubt, direkt auf alle Kundendaten unserer drei Divisionen zuzugreifen. Durch eine damit verbesserte ganzheitliche Beratung stärken wir unsere Wettbewerbsposition in Deutschland nachhaltig: Unsere Kunden nehmen uns stärker als integriertes Telekommunikationsunternehmen mit einem einzig­artigen Produkt- und Servicean­gebot wahr, das alle stationären wie auch mobilen Kommunikationsbedürfnisse abdeckt. Gleichzeitig werden wir die konsolidierten Kundendaten für divisionsübergreifende Marketing-Kampagnen nutzen und durch Cross-Selling zusätzliche Umsatzpotentiale erschließen.


Boydak: Was ist aus Ihrer Sicht der Schlüssel für eine nachhaltig wertschaffende Zusammenarbeit zwischen Business und IT?

Sany: Ganz entscheidend ist die fortlaufende Diskussion innerhalb des Top-Managements, sowohl auf Business- als auch auf IT-Seite. Als Ergebnis dieser Diskussion muss das IT-Management die Business-Strategie auf Konzern- und Geschäftsbereichsebene sehr gut verstehen und anwenden können. Nur ein gutes Gesamtverständnis der Business-Prioritäten erlaubt letztlich eine gelungene Überführung in konkrete IT-Initiativen und IT-Budgets. Gleichzeitig muss der CIO auch auf neue Chancen hinweisen, die der Technologieeinsatz bieten kann. Es bedarf also einer Kommunikation in beide Richtungen.
Um dies in der Praxis erfolgreich umzusetzen, ist jedoch eine wesentliche Voraussetzung zu schaffen: Das optimierte Business-IT-Alignment erfordert zusätzliche Fähigkeiten im IT-Management sowie eine insgesamt stark Business-orientierte Einstellung. Ich bin überzeugt, dass die erfolgreichen IT-Manager der Zukunft eher Business-Manager als technologie-orientierte Experten sein werden. Und sie müssen über viel stärker ausgeprägte Fähigkeiten im Relationship-Building, im Überzeugen von Menschen und weiteren verwandten Dimensionen verfügen, als dies in der Vergangenheit gefordert war.


Boydak: Wie schätzen Sie Outsourcing als möglichen Hebel zur Wertsteigerung der IT ein?

Sany: Outsourcing ist ein sehr wichtiges Instrument im IT-Management, das Wert schaffen kann, wenn es richtig eingesetzt wird. Je tiefer der Outsourcer in das Geschäft des Anwenderunternehmens vordringt, desto wichtiger wird das Know-how der IT-Mannschaft, die im Haus bleibt, denn sie muss der starken Position des Partners im Unternehmen standhalten. Deshalb muss der Auftraggeber unbedingt darauf achten, dass er die entsprechenden Fähigkeiten und Strukturen beibehält oder, falls er sie noch nicht hat, sogar aufbaut. Denn letztlich muss langfristig betrachtet auch dem Outsourcer an einem verhandlungsfähigen Partner gelegen sein. Strategisch überlegtes und gut gemanagtes Outsourcing kann aus meiner Sicht eine wertschaffende Win-win-Situation für beide Partner sein.


Boydak: Ist die IT aus Ihrer Sicht eine nicht wettbewerbsdifferenzierende Infrastruktur, also eine Commodity, oder ist IT ein strategisch wichtiger Business Value Creator?

Sany: Aus meiner Sicht ist sie beides, je nach Bereich und Themengebiet. Eine übergreifend gültige Pauschalantwort gibt es nicht.
In der Tat gibt es Bereiche, wo die IT für ein Unternehmen nicht mehr die Rolle eines strategischen Asset oder Kernerfolgsfaktors einnimmt, sondern zu einer Commodity geworden ist, das heisst zu einem infrastrukturell benötigten, jedoch nicht differenzierenden Faktor, der bloss dazu dient, das Business aufrechtzuerhalten. Genau in diesen Bereichen sollte die IT deshalb auch konsequent wie eine Commodity gemanagt werden, also im wesentlichen stückkostenbasiert bei definierten Leistungen, Service Level Agreements (SLAs) etc.
Demgegenüber gibt es natürlich zahlreiche, sehr wichtige Business-Funktionen, in denen die IT einen strategischen Wettbewerbsvorteil darstellt und echten Business Value für das Unternehmen kreiert. Beispielsweise stellen unsere konzernweit koordinierten CRM-Funktionalitäten ein sehr wichtiges strategisches Asset für ein integriertes Telekommunikations­unternehmen wie die Deutsche Telekom dar.
Für mich gehört zu einem guten Business-IT-Alignment, herauszuarbeiten, wo genau die IT nachhaltigen Mehrwert für das Business schafft und wo sie demgegenüber eher Commodity-Charakter hat. Nur wenn man diese Unterscheidung als CIO sehr transparent und ehrlich adressiert, wird man der Herausforderung inhaltlich gerecht und gewinnt gleichzeitig das Vertrauen aller Beteiligten.


Peter Sany

Der Schweizer Peter Sany ist seit September 2005 CIO der Deutschen Telekom. Bis dahin war Sany CTO und stellvertretender CEO bei Avaloq, einem Schweizer Software-Unternehmen für Finanzdienstleistungen. Von 1997 bis 2003 war er bei Novartis als CIO für den Konzern und die Division Pharma verantwortlich. Zuvor war Sany 14 Jahre bei IBM in verschiedenen Positionen aktiv. 2003 wurde Peter Sany von der deutschen IT-Fachpublikation Computerwoche zum
«IT-Executive des Jahres» ernannt.


Die Interviewpartner

Selçuk Boydak ist Gründungspartner der Boydak Management Consulting AG und Veranstalter des IT-Strategie-Forums.




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