Überblick mit Sourcing Bilanz
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/10
Die Unternehmensleitungen sind heute mit einer Vielzahl von Forderungen konfrontiert, sei es von Seiten des Markts, der Anleger oder aber von neuen Richtlinien und Gesetzen wie Basel II oder Sarbanes- Oxley.
Im Folgenden wird auf der Grundlage von Erfahrungen mit dem Werkzeug Sourcing Bilanz auf die Dringlichkeit eines Einsatzes entsprechender Management-Tools eingegangen.
Die Schlüsselfragen, mit denen sich heute praktisch jede Geschäftsleitung im Rahmen der ICT-Entscheidungen auseinandersetzen muss, lauten wie folgt:
Wie kann ich das Wachstum meines ICT-Budgets in Grenzen halten?
Kann meine ICT mit den Veränderungs- und Wachstumsanforderungen meines Business Schritt halten?
Was bedeuten Basel II und Sarbanes-Oxley für meine ICT?
Was kann ich überhaupt outsourcen, was sollte ich auf keinen Fall outsourcen?
Rechnet sich ein Outsourcing auch für meine Unternehmung?
Pauschale Antworten auf diese Fragen im Sinne eines «Anzugs von der Stange» bieten keine nachhaltige Lösung. Es führt kein Weg daran vorbei, die unternehmensspezifischen Antworten auf diese Fragen zu erarbeiten, ganz im Sinne eines «Massanzugs».
Begeisterte Kunden sind ein wichtiger Teil des Kapitals einer Unternehmung. Um dieses Kapital langfristig zu sichern, bedarf es einer klaren Unternehmensstrategie sowie einer darauf ausgerichteten ICT-Strategie. Insbesondere unter dem Globalisierungsdruck – zunehmend auch für KMU – müssen Produkt- und Serviceinnovationen rasch umgesetzt und die bestehenden Geschäftsmodelle und Businessprozesse den neuen Anforderungen laufend angepasst werden. Dies hat direkte Auswirkungen auf die ICT-Applikationen und -Infrastrukturen. Unter Umständen braucht es sogar neue, revolutionäre Geschäftsmodelle. Mehr und mehr bedingt dies einen professionellen und auf hohem Niveau stehenden Einsatz der ICT.
Die ICT-Abteilungen von KMUs stehen in einem wachsenden Spannungsfeld, neue Technologien zu implementieren, für die bestehenden ICT-Lösungen den Betrieb und Unterhalt sicherzustellen, die Kosten zu senken sowie dem Business ein kompetenter Lösungspartner für die Umsetzung künftiger Businessanforderungen zu sein. Dies ist eine Herkulesaufgabe.
Im Rahmen von Basel II werden sich die «operationellen Risiken» im Rating und somit im Zinssatz für einen Firmenkredit niederschlagen. So können potentielle ICT-Risiken wie beispielsweise eine fehlende Disaster/Recovery-Planung zu einer negativeren Bewertung führen.
Nach Sarbanes-Oxley-Act, Sektion 302, wird vom CEO und CFO der Gesellschaft verlangt, einen Nachweis zu erbringen, dass die Kontrollverfahren ordnungsgemäss implementiert und mögliche Kontrolldefizite dokumentiert sind. KMU mit ICT-gestützten Geschäftsprozessen werden daher nicht darum herumkommen, eine fundierte Risikobeurteilung der ICT vorzunehmen.
Outsourcing ist eine Option für die Risikoreduktion, bedeutet jedoch auch einen grossen Eingriff in das Nervenzentrum der Unternehmung. Eine Geschäftsleitung tut gut daran, die Priorität von ICT-Sourcing nicht anhand des ICT-Kostenanteils am Unternehmensumsatz – gemäss Gartner zwischen einem und acht Prozent –, sondern nach der strategischen Bedeutung zu setzen.
Die Fragestellung, was strategisch ist und nicht ausgelagert werden sollte, lässt sich anhand des nachfolgenden Modells unternehmensspezifisch beantworten.
Dem Kunden, der zum ersten Mal ein Outsourcing-Vorhaben prüft, fehlt es in der Regel an den erforderlichen Marktkenntnissen, ohne die eine fundierte Entscheidung kaum möglich ist.
Im Markt werden heute sehr viele und verschiedene Sourcing-Modelle, vom punktuellem Support, der Applikationswartung, dem Betrieb bis zum Offshore-/Nearshore-Sourcing angeboten.
In der Schweiz besteht ein Markt mit über 50 Anbietern. Eine verlockende Auswahl und Angebotsvielfalt, aber anderseits gilt hier erst recht: Wer die Wahl hat, hat die Qual.
Die Fragestellung «Rechnet sich ein Outsourcing auch für meine Unternehmung?» ist sehr differenziert anzugehen. So müssen bei einem Kostenvergleich auch die entsprechenden Services und die Servicequalität (Service Level) vergleichbar sein.
Bei vielen Unternehmen sind die Services jedoch nicht klar beschrieben, die Service Levels sind nur rudimentär vorhanden und es wird nach dem Prinzip «best effort» gearbeitet. In einem ersten Schritt sind also die Services und Service Levels zu definieren, so dass diese auch mit dem Markt verglichen werden können.
Auf dieser Basis können nun die Preise der eigenen Herstellung – make – intern erhoben und die zu erwartenden Marktpreise – buy – abgeschätzt werden.
Die von Soberano zusammen mit kleinen und mittleren Unternehmen entwickelte, strukturierte Vorgehensmethodik Sourcing Bilanz ermöglicht es, die relevanten Entscheidungsgrundlagen innerhalb von drei Workshops zu erarbeiten. Die wesentlichen Resultate sind in diesem Zusammenhang:
Strategische Rahmenbedingungen: Hier werden die Rahmenbedingungen wie offshore/nearshore, multiple/single provider, full/selective Outsourcing, strategische Bewertung der ICT-Services, mögliche Kooperationsformen wie Vertrag, Joint Venture oder strategische Kooperation erarbeitet und festgelegt.
Business- & Serviceanforderungen: Hier werden den Kern-Businessprozessen die heute bestehenden Applikationen zugeordnet und daraus die Anforderungen an die ICT-Infrastruktur/ICT-Services abgeleitet.
Sourcing Scope und Sourcing-Modelle: Der Sourcing Scope definiert den Umfang des potentiellen Sourcing in den Aspekten Applikationen, Client, Peripherie, Netz, Server und Rechenzentrum.
Das Sourcing-Modell definiert die Art des Servicebezuges und geht vom Facility-Mangement über Housing, Hosting bis zu einem reinen Servicebezug.
SWOT Analyse: Aufgrund der heutigen ICT-Situation werden die Stärken und Schwächen beurteilt sowie die Chancen und Risiken eines möglichen Outsourcing bewertet.
Business-Case: Der Business-Case wird auf Basis der aktuellen Ist-Kosten, der potentiellen Kostenveränderungen durch Serviceanforderungen sowie einer Abschätzung der Marktpreise für den definierten Sourcing Scope erarbeitet und liefert der Geschäftsleitung die wirtschaftlichen Entscheidungsgrundlagen.
Auf der Basis dieser Resultate können in der Geschäftsleitung fachlich fundierte und nachhaltige Entscheidungen getroffen werden.
KMU sind der eigentliche Motor der Schweizer Wirtschaft. Gerade KMU sollten aber versuchen, dem zunehmenden Konkurrenzdruck durch die Globalisierung und den kürzeren Produktlebenszyklen durch eine geschickte Nutzung von ICT zu begegnen.
Neue Geschäftsmöglichkeiten durch ICT sind vor der Konkurrenz zu initiieren. Dies alles bedingt aber auch auf Geschäftsleitungsebene eine gewisse Auseinandersetzung mit ICT-Themen sowie eine strategische Bilanzierung der ICT.
Hansjörg Bühler ist Geschäftsführer und Inhaber der Firma Soberano-Sourcing. Er ist Dozent an verschiedenen Fachhochschulen und Fachgruppenleiter Outsourcing der SwissICT.